P+P-Gründer Reinhard Pöllath „Wir haben den Umgang mit Risiken verlernt“

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Ist die heutige Generation zu risikoscheu?

Wir haben den vernünftigen Umgang mit Risiken verlernt. Das hat damit begonnen, dass Paul Volcker als neuer Fed-Chef 1979 die Leitzinsen heraufsetzte, auf 15 Prozent, um die Inflation in den USA in den Griff zu bekommen. Von diesem Höchststand aus sind die Zinsen im Laufe der Jahre allmählich gesunken.

Das lässt sich nutzen: Wenn ich etwas fremdfinanziert habe, muss ich es nicht zurückzahlen, denn ich werde es wahrscheinlich billiger refinanzieren können – das nächste Mal ist der Zins dann ja niedriger. Das reduziert das Ausfallrisiko und freut die Darlehensgeber.

Die kalkulieren das mit ein, versteht sich, und bewerten das Gut, um das es letztlich geht, dementsprechend. Damit steigt nicht nur der Wert der Schuldverschreibungen, sondern auch der Wert der Assets, die mit diesen Schulden finanziert werden – denn der Nächste kann sie höher bewerten, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen.

Was ist daran schlimm?

Je mehr Schulden ich mache, desto stärker wächst das Bruttoinlandsprodukt, das BIP. Wenn dahinter wirklich Wirtschaftswachstum steht, ist das problemlos – aber wehe, wenn nicht. Mit Schulden in etwas zu investieren, was produziert: super. Doch genau das passierte zuletzt nicht.

Niemand weiß so genau, in was man investieren soll. Es fehlt ja gerade das Zutrauen in produktive Investments. Also kaufen Unternehmen ihre Aktien zurück und schütten reichlich Dividenden aus, mehr als Capex, das tut nicht weh und stärkt scheinbar den Wert des Eigenkapitals.

Es gibt ja Alternativen zur Börse, etwa den Private-Equity-Sektor …

… den wir P+P’ler seit den frühen 1980er Jahren mitgemacht haben. Mit dem Sektor haben sich auch Endowments und ihre Asset Allocation ganz wunderbar entwickelt. Alle wollten wissen, wie das möglich war. Die Erklärung lautet: „Information Premium“.

Was bedeutet „Information Premium“?

„Information Premium“ heißt: Ich verstehe mehr davon, und darum ist das Asset für mich mehr wert; also mache ich mehr daraus und muss anschließend bloß noch jemanden mit noch mehr „Information Premium“ finden, der deshalb noch mehr zu zahlen bereit ist.

Angeblich eine Quelle ewig steigender Ungleichheit. Mittlerweile gibt es genügend Studien, die belegen, dass die ganzen eingefahrenen Gewinne der Hochzinsphase eben nicht auf einem Informations-, sondern auf einem Risiko-Delta beruhten.

Auf der Bereitschaft, mehr Risiken einzugehen – und zwar ausgerechnet zu einer Zeit, in der genau das nicht übermäßig riskant war. Die Gefahr, komplett zu scheitern, war eher gering.

Aber wer sich clever anstellte, konnte auch erfreuliche Renditen einfahren.

Das stimmt, im Schnitt 15 Prozent pro Jahr, also enorm. Die derzeit bei der Vermögensverwaltung erfolgreichsten Top Endowments – zu denen Harvard interessanterweise nicht mehr zählt – erzielen auch heute Renditen oberhalb von 10 Prozent. Doch ob das heute erwirtschaftete Renditen sind oder eher die Früchte früherer Anlagen, ist fraglich.

Als Vorstandssprecher der Max-Planck-Förderstiftung beobachten Sie ja nicht nur, sondern mischen aktiv mit.

Als die Max-Planck-Gesellschaft 1911 als Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft entstand, hatte sie ein respektables Endowment von etwa 10 Millionen Mark, fast genauso viel wie Harvard oder Carnegie. Doch während dieses Vermögen in Deutschland schon zehn Jahre später weitgehend verloren ging, wuchsen die US-Endowments hundertfach stärker als das der Max-Planck-Gesellschaft.

Yale und Harvard verwalten heute Vermögen im zweistelligen Milliardenbereich. Auch wenn das der Max-Planck-Gesellschaft durch ein bisschen Anstrengung und einen Erbfall durchaus gewachsen ist, damit kann sie sich nicht vergleichen.

Aber wachsen will die Max-Planck-Gesellschaft doch sicherlich?

Da gibt es gedankliche Schranken. Amerika steht für die private Verantwortung – mit allen guten und schlechten Seiten –, und die reicht hinein bis in die Wissenschaft. In Kontinentaleuropa gilt es als schicklicher, dem Staat die Finanzierung der Wissenschaft zu überlassen. Angeblich, weil nur das die akademische Freiheit und Unabhängigkeit sichert.

Doch zwei amerikanische Topuniversitäten wie zum Beispiel Harvard und Stanford zusammengenommen bekommen genauso viel staatliche Mittel wie die Max-Planck-Gesellschaft. Auch dort wird die Basis staatlich gelegt. Aber es kommt eben noch das Doppelte aus privater Hand dazu.

Das wollen wir für die Max-Planck-Förderstiftung auch erreichen. Seit 1920 sind fast 100 Jahre vergangen, der Wiederaufstieg des privaten Endowments soll nicht so lange dauern.

Wie können Sie dem Braindrain entgegenwirken?

Keine Institution der Welt kann mehr naturwissenschaftliche Nobelpreisträger vorweisen als die Max-Planck-Gesellschaft, und sie hat mehr als alle deutschen Universitäten zusammen. Immerhin hat es die Max-Planck-Förderstiftung fertiggebracht, die beiden jüngsten Nobelpreisträger der Max-Planck-Gesellschaft in Deutschland zu halten.

Und außerdem zwei weitere Kandidaten, die hoffentlich demnächst ihren – verdienten – Nobelpreis erhalten werden. Und die Max-Planck-Gesellschaft internationalisiert sich: Von den 20 Topberufungen seit 2014 kamen 15 aus dem Ausland, 10 der Berufenen waren Ausländer, 8 waren Frauen.

Der wissenschaftliche Wettbewerb zieht an. Und das ist gut, wie schon Keynes wusste. Davon brauchen wir mehr. 


Über den Interviewten:
Prof. Dr. Reinhard Pöllath gründete 1997 mit Kollegen die Kanzlei P+P Pöllath + Partners und ist unter anderem Vorstandssprecher der Max-Planck-Förderstiftung.

Dieses Interview wurde zuerst in „Private Equity“, dem Magazin zur MUPET-Konferenz von P+P Pöllath und Partners, veröffentlicht. Die gesamte Ausgabe kann hier eingesehen werden.

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