P+P-Gründer Reinhard Pöllath „Wir haben den Umgang mit Risiken verlernt“

Neben allen steuerrechtlichen Fragen spezialisiert auf Beratung von Familienunternehmen, Unternehmenskäufe, Nachfolge und Vermögen sowie Stiftungen und Trusts: Reinhard Pöllath

Neben allen steuerrechtlichen Fragen spezialisiert auf Beratung von Familienunternehmen, Unternehmenskäufe, Nachfolge und Vermögen sowie Stiftungen und Trusts: Reinhard Pöllath

Wie kann man in der derzeitigen Nullzinswelt überhaupt noch Geld verdienen, Herr Professor Pöllath?

Investieren müssen wir jetzt wieder lernen. Oft sind uns Erträge in den vergangenen 30 Jahren in den Schoß gefallen, das verzerrt unsere Sicht auf die Dinge. Sind die Zinsen so niedrig wie jetzt, denken wir deprimiert an Niedergang. Dieser „Niedergang“ aber ist ein Weckruf für alle.

Das müssen Sie erklären.

Für Kapitalanleger war es selten so einfach, gute Renditen zu erwirtschaften, wie in den vergangenen Jahrzehnten. Manchmal reichte es schon aus, sich klug zu verschulden. Das führte zu Investments, die zwar in sich schlüssig waren, sich aber abgekoppelt hatten vom Wirtschaftswachstum – und die genau dadurch Wachstumschancen bedroht und unterminiert haben. Jetzt sind die Zinsen unten angekommen und die Welt sieht deutlich realistischer aus. Das ist nicht per se schlecht. Nun zeigt sich, wer zu investieren versteht.

Weil vorher auch weniger kluge Investments respektable Renditen abwarfen?

Fragen Sie mal jemanden, ob er es im Fußball mit Mesut Özil oder in Astrophysik mit Stephen Hawking aufnehmen will. Aber mit Warren Buffett zu konkurrieren, das meinen wir alle zu können. Wir reden von Value at Risk, Asset Allocation und Endowment Investment. Das ist gut für die Psyche, da kommt Stolz auf.

Ist dieser Stolz angesichts erfreulicher Renditen nicht berechtigt?

Glückliche Umstände haben hier eine ebenso gewichtige Rolle gespielt wie individuelles Können. John Maynard Keynes hat vor langer Zeit einen Blick auf das Jahr 2030 geworfen und gesehen: Wir werden leben wie die Lilien auf dem Felde und höchstens drei Stunden am Tag arbeiten – wenn wir das Bevölkerungswachstum ohne Kriege unter Kontrolle bringen und die Wissenschaft ihre Aufgaben erfüllt.

Alles andere erledigt der Zinseszins. Das mit dem Krieg hat anfangs nicht geklappt, seit Ende des Zweiten Weltkriegs jedoch greift der Zinseszinseffekt. So hat sich mit der Zeit jede Menge Kapital gebildet.

Was ja nicht schlecht ist…

Kommt drauf an, was man damit anfängt. Keynes rechnete damals mit einem durchschnittlichen Zins von 3,5 Prozent. Der Wert war schon recht passend gewählt. Trotz einiger schwächerer Jahre lag der Zins, gemittelt über die letzten 140 Jahre, durchschnittlich über 4 Prozent, nominal.

Ohne die eine Hochzinsperiode lag er unter 4 Prozent. Die Inflation hat die Realzinsen so manches Jahr ins Negative gezogen. Seit 1950 waren allerdings auch die Realzinsen eigentlich immer positiv.

Entwicklung der Zinsen bei zehnjährigen US-Staatsanleihen von 1871 bis 2011


Was sichere Zinsen und Zinseszinsen sicherte. Wäre ein Investment in Aktien lukrativer gewesen?

Auch bei Aktien war die Rendite über denselben Zeitraum ganz gut und lag nach Kosten bei rund 6 Prozent. Ein Delta von 4 Prozent auf 6 Prozent klingt nach wenig, bedeutet aber 50 Prozent mehr als die Zinsrendite, und das wirkt sich beim Zinseszins gigantisch aus.

Für diese Mehrrendite müssen natürlich die Volatilität und der Zickzack der Aktienmärkte in Kauf genommen werden: Seit 1880 sind die Börsen dreimal für jeweils länger als ein Jahrzehnt ins Minus gerutscht.

Wer langfristig plant, sollte also trotzdem den Zickzack der Börsen in Kauf nehmen?

Rendite verlangt Risiko, zum Beispiel durch Laufzeit. Die risikofreie Rendite war immer allenfalls knapp über 0.