Handlungsspielraum auf 2021 begrenzt Regierung bringt verschärfte Wegzugsbesteuerung auf den Weg

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Ob dies europarechtlich bestehen wird, bleibt abzuwarten. Die geltende Stundungsmöglichkeit in EU-/EWR-Konstellationen geht jedenfalls zurück auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), der eine sofortige Besteuerung mit Liquiditätsbelastung als Verstoß gegen die europäische Niederlegungsfreiheit angesehen und eine unbefristete, zinslose und sicherheitsleistungsfreie Stundung für geboten erachtet hatte. Zudem hat der EuGH erst kürzlich darauf hingewiesen, die Stundungsregeln für EU-/EWR-Konstellationen aufgrund des Freizügigkeitsabkommens mit der Schweiz unter Umständen auch auf dieses Verhältnis zu erweitern.

Die Verschärfung der Stundungsregelungen wird nun auch vom federführenden Finanzausschuss und vom Wirtschaftsausschuss des Bundesrates kritisiert. Die Ausschüsse empfehlen dem Bundesrat für dessen Sitzung am 07. Mai 2021, sich in seiner Stellungnahme gegen eine Verschärfung der Stundungsregelungen auszusprechen. Dabei weisen die Ausschüsse ausdrücklich darauf hin, dass die von der Bundesregierung beabsichtigte Verschärfung keine europarechtliche Vorgabe ist und insbesondere im Mittelstand eine unmittelbare Liquiditätsbelastung begründet.

2. Erlöschen der Steuer durch Rückkehr und Zuzug in EU-/EWR-Konstellationen nur noch fristgebunden

Auch künftig soll wie nach aktuell geltendem Recht die geschuldete Steuer in bestimmten Konstellationen wegfallen, wenn der Wegzug von Anfang an nur vorübergehend geplant war und der Gesellschafter nach Deutschland zurückkehrt und der im Ausland lebende Beschenkte oder Erbe nach Deutschland zieht.

Die Frist, innerhalb der die Steuer durch Rückkehr und Zuzug nach Deutschland vermieden werden kann, soll nun – unabhängig vom ausländischen Aufenthaltsstaat – von fünf auf sieben Jahre verlängert werden. Auf Antrag soll die Frist um bis zu fünf weitere Jahre ausgedehnt werden können, wenn die Absicht zur Rückkehr unverändert fortbesteht, sodass Steuerpflichtige dann insgesamt bis zu zwölf Jahre außerhalb Deutschlands ansässig sein könnten.

In EU-/EWR-Konstellationen würde diese Änderung gleichwohl zu einer Verschlechterung führen, da der Steueranspruch im Fall der Rückkehr und des Zuzugs aus dem EU-/EWR-Raum derzeit ohne zeitliche Begrenzung möglich ist.

3. Ausdehnung des persönlichen Anwendungsbereichs

Zudem soll der persönliche Anwendungsbereich ausgedehnt werden. Während die Wegzugsbesteuerung gegenwärtig erst greift, wenn der Gesellschafter innerhalb eines beliebigen Zeitraums insgesamt seit mindestens zehn Jahren in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist, soll es zukünftig schon genügen, dass er innerhalb der letzten zwölf Jahre insgesamt mindestens sieben Jahre in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig war.

Hierdurch kann die Wegzugsbesteuerung insbesondere Zuzügler nach Deutschland früher erfassen, insbesondere Personen, die zwar nicht dauerhaft, aber innerhalb eines Zwölfjahreszeitraum mehrmals und insgesamt sieben Jahre in Deutschland ansässig sind.

Ausblick

Von der Umsetzung der Reform ist auszugehen. Offen ist dagegen, ob die von der Bundesregierung beabsichtigte Verschärfung der Stundungsregelungen noch abgewendet werden kann. Da entgegen der ursprünglichen Referentenentwürfe des BMF auch die Bundesregierung erst ab dem 1. Januar 2022 stattfindende Wegzüge, Schenkungen und Erbschaften ins Ausland mit der Neuregelung erfassen möchte, besteht zumindest noch im Jahr 2021 Handlungsspielraum.

So können Betroffene zum Beispiel in EU-/EWR-Konstellationen die unbefristete und unverzinsliche Stundung ohne Sicherheitsleistung weiterhin nutzen. Alternativ können sie Möglichkeiten zur Gestaltung und Strukturierung prüfen und gegebenenfalls umsetzen, um eine Wegzugsbesteuerung vollständig zu vermeiden.


Über die Autoren:

Frank Schuck berät Familien, Unternehmer und Privatpersonen, Stifter und Stiftungen. Einer seiner Schwerpunkte ist die Errichtung von Stiftungen, deren laufende Beratung einschließlich Strukturänderungen und Streitigkeiten. Er ist Rechtsanwalt und Assoziierter Partner im Münchener Büro der Kanzlei Noerr.

Michael Tommaso berät als Rechtsanwalt und Steuerberater Unternehmen, Privatpersonen und Unternehmerfamilien. Seine Beratungsschwerpunkte liegen in der steuerlichen Strukturberatung von Transaktionen und Unternehmensreorganisationen sowie in der Entwicklung und Umsetzung von Konzepten für die nationale und internationale Steuer- und Nachfolgeplanung. Er ist Assoziierter Partner im Berliner Büro der Kanzlei Noerr.

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