Handlungsspielraum auf 2021 begrenzt Regierung bringt verschärfte Wegzugsbesteuerung auf den Weg

Michael Tommaso (r.) und Frank Schuck von der Kanzlei Noerr

Michael Tommaso (r.) und Frank Schuck von der Kanzlei Noerr: Die beiden Rechtsanwälte ordnen den Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Verschärfung der Wegzugbesteuerung ein. Foto: Noerr

Die im Außensteuergesetz (AStG) geregelte Wegzugsbesteuerung für natürliche Personen auf Wertsteigerungen bei Kapitalgesellschaftsanteilen soll für Wegzüge, Schenkungen und Erbschaften ins Ausland, die ab dem 1. Januar 2022 erfolgen, teils deutlich verschärft werden. Die Bundesregierung rechnet mit Steuermehreinnahmen von 235 Millionen Euro jährlich.

Ihren dazu bereits am 24. März 2021 beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATAD-Umsetzungsgesetz – ATADUmsG) hat die Bundesregierung als Bundestags-Drucksache 19/28652 vom 19. April 2021 formal in das Parlament eingebracht. Der nächste Schritt ist nun die Stellungnahme des Bundesrates, die für Anfang Mai 2021 erwartet wird.

Die Verschärfung droht bereits seit geraumer Zeit, nachdem das Bundesministerium der Finanzen (BMF) Ende 2019 einen ersten Referentenentwurf mit Bearbeitungsstand 10. Dezember 2019 vorgelegt hatte und sodann einen zweiten Referentenentwurf mit Bearbeitungsstand 24. März 2020. Der jetzt von der Bundesregierung ins Parlament eingebrachte Gesetzesentwurf entspricht inhaltlich dem zweiten Referentenentwurf des BMF. Mehr dazu finden Sie hier.

Ob die von der Bundesregierung beabsichtigten Verschärfungen im laufenden Gesetzgebungsverfahren zumindest teilweise abgemildert werden oder sogar ganz entfallen, ist derzeit offen. Die zuständigen Ausschüsse des Bundesrates haben dem Bundesrat bereits empfohlen, sich in seiner anstehenden Stellungnahme gegen bestimmte Verschärfungen auszusprechen, vor allem gegen die geplante Verschärfung der Stundungsregelungen.

Wegzugsbesteuerung bei Kapitalgesellschaftsanteilen

Betroffen von der Wegzugsbesteuerung sind natürliche Personen, die – so das aktuell noch geltende Recht – zu einem beliebigen Zeitpunkt innerhalb der letzten fünf Jahre mittel- oder unmittelbar zu mindestens 1 Prozent an einer in- oder ausländischen Kapitalgesellschaft (zum Beispiel GmbH, AG, KGaA, SE) beteiligt waren, und die insgesamt seit mindestens zehn Jahren in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig sind.

Ziehen diese Personen dauerhaft ins Ausland oder schenken oder vererben sie ihre Anteile an dauerhaft im Ausland lebende Personen, gelten die Anteile im Regelfall als zum gemeinen Wert veräußert. Ein unter Aufdeckung etwaiger stiller Reserven entstehender fiktiver Veräußerungsgewinn unterliegt dann nach den allgemeinen Regelungen der Einkommensteuer und gegebenenfalls dem Solidaritätszuschlag und der Kirchensteuer, obwohl mangels tatsächlicher Anteilsveräußerung gar keine Liquidität zufließt.

Eine Verschärfung plant die Bundesregierung nun im Wesentlichen in drei Bereichen:

1. Verschärfung der Stundungsregelungen

Nach aktuell noch geltendem Recht ist die geschuldete Steuer regelmäßig zeitlich unbefristet (bis zur tatsächlichen Anteilsveräußerung), zinslos und ohne Sicherheitsleistung zu stunden, wenn der wegziehende, schenkende oder versterbende Gesellschafter EU-/EWR-Staatsangehöriger ist und er selbst und auch der von ihm Beschenkte oder sein Erbe in einem EU-/EWR-Staat einer Steuerpflicht unterliegt, die der deutschen unbeschränkten Einkommensteuerpflicht vergleichbar ist.

Die wohl gravierendste Verschärfung besteht darin, dass diese unbefristete, zinslose und sicherheitsleistungsfreie Stundungsmöglichkeit in EU-/EWR-Konstellationen nach den Vorstellungen der Bundesregierung entfallen soll. Ab dem 01. Januar 2022 stattfindende Wegzüge, Schenkungen oder Vererbungen ins Ausland sollen gleichbehandelt werden, unabhängig vom Zielland.

Die Steuer soll dann in voller Höhe sofort fällig oder auf Antrag in sieben gleichen, immerhin unverzinslichen Jahresraten zu begleichen sein, wobei dem Stundungsantrag in der Regel nur gegen Sicherheitsleistung entsprochen werden soll. Auf Stundungen, die am 31. Dezember 2021 noch laufen, soll dagegen grundsätzlich das bisherige Recht weiterhin angewendet werden.