Reformvorhaben Erbschaftssteuerpläne schaden Mittelstand

Sven Oberle leitet seit Juni die Tax-Praxisgruppe Private Clients der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY

Sven Oberle leitet seit Juni die Tax-Praxisgruppe Private Clients der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY

Der am 8. Juli 2015 vom Bundeskabinett veröffentlichte Gesetzentwurf zur Änderung des Erbschafsteuergesetzes sieht erhebliche Einschränkungen für die steuerfreie Übertragung von Betriebsvermögen vor. Die Änderungen sollen dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 17. Dezember 2014 gerecht werden, das für die Steuerfreistellung großer Betriebsvermögen eine individuelle Bedürfnisprüfung verlangt, ganz nach dem Motto: „Je größer, desto weniger bedürftig“.

Finanzminister Wolfgang Schäuble spricht von maßvollen Änderungen. Stimmen aus der Wirtschaft monieren, dass der Gesetzentwurf weit über die angekündigten minimalen Änderungen hinausgeht. Die Verschärfungen bei der Übertragung großer, in der Regel international agierender Familienunternehmen geben Anlass, die Vorschläge zur Erbschaftssteuerreform in einen internationalen Kontext zu setzen.

Die Erbschaftssteuer als Substanzsteuer knüpft an den Wert des übertragenen Vermögens an. Bei der Übertragung von Betriebsvermögen kann dies dazu führen, dass die zur Verfügung stehenden Investitionsmittel geschmälert werden und die Leistungsfähigkeit als Anknüpfungspunkt der Ertragsteuern mittel- bis langfristig abnimmt.

Vor dem Hintergrund des internationalen Wettbewerbs- und Innovationsdrucks, insbesondere für große deutsche Familienunternehmen, kann die Erbschaftssteuerbelastung somit zu einem erheblichen Wettbewerbsnachteil führen

Auf absteigendem Ast

Die vorliegenden Reformüberlegungen der Bundesregierung stehen hierbei konträr zu den Entwicklungen in anderen Ländern, die in der Tendenz die Übertragung von Betriebsvermögen stark begünstigen oder gänzlich von der Erbschaftssteuer ausnehmen. So stellen beispielsweise Luxemburg, Frankreich und die USA die Übertragung von Betriebsvermögen auf Ehegatten gänzlich von der Erbschaftssteuer frei.

In Italien, England und Irland profitieren auch Kinder von umfangreichen Steuerbefreiungen. Verbunden mit den vergleichsweise hohen Ertragsteuersätzen in Deutschland, lassen die derzeitigen Reformvorschläge letztlich einen Rückgang der Standortattraktivität Deutschlands erwarten. Hinzu kommt, dass die komplexen Änderungsvorschläge, die ein Erbschaftssteuer-Controlling von bis zu 40 Jahren erforderlich machen, bei großen Familienunternehmen mit einer Vielzahl von Nachfolgethemen nur durch immensen Regulierungs- und Verwaltungsaufwand zu handhaben sind.

Es wäre wünschenswert gewesen, wenn die mittlerweile dritte Vorlage der Erbschaftssteuer vor dem BVerfG als Gelegenheit genutzt worden wäre, das geltende Gesetz grundlegend zu reformieren. Auch wenn die Regierung mittels der geplanten Verschärfungen bei der Übertragung großer Betriebsvermögen versucht, den Vorgaben des BVerfG Rechnung zutragen, eröffnen die partiellen Änderungen abermals Gestaltungsspielräume.

Zudem ergeben sich aus dem Gesetzentwurf verfassungsrechtliche Zweifel, insbesondere hinsichtlich der Einbeziehung von Teilen des Privatvermögens zur Begleichung der Erbschaftssteuer. Alles in allem mangelt es erneut an Mut und Innovationskraft für eine tiefgreifende Erbschaftsteuerreform.

Über den Autor:
Sven Oberle leitet seit Juni die Tax-Praxisgruppe Private Ciebts der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY. Sein Team berät Mittelständler, vermögende Privatpersonen und Family Offices in Steuerangelegenheiten. Vor seiner Zeit bei EY war der 46-Jährige jahrelang für eine andere der Big-Four-Gesellschaften, Deloitte, tätig.

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