Die Mehrheit der Deutschen hat kein Vertrauen in die Rente und von vielen Seiten – unter anderem der Versicherer und der Arbeitgeber – hagelt es Kritik an den Reformplänen: Für das Rentenpaket II der Bundesregierung läuft es nicht rund. Der DVFA kritisiert die Pläne, Arbeitergeberpräsident Rainer Dulger forderte jüngst den sofortigen Stopp des Pakets, während Kenfo-Chefin Anja Mikus der „Welt am Sonntag“ mehr über das geplante Generationenkapital verriet.
Rentenpaket trifft auf Widerstand
Anfang März stellten Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) das Rentenpaket II vor, das seither immer wieder für Diskussionen sorgt. Insbesondere beim sogenannten Generationenkapital, dem Kernpunkt der aktuellen Rentenpläne, ist der Widerstand groß. Um die Beiträge stabil und das Rentenniveau bei gleichbleibendem Eintrittsalter auf 48 Prozent zu halten, soll mit dem Generationenkapital eine kapitalgedeckte Säule eingeführt werden.
Neben den Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung und den jährlichen Bundeszuschüssen soll das Generationenkapital als drittes Standbein die steigenden Rentenausgaben mittragen. Finanziert wird der Aufbau dieses Kapitalstocks zunächst durch Schulden. 2024 sollen so zunächst zwölf Milliarden Euro in Form von Darlehen zugeführt werden – in den kommenden Jahren jährlich drei Prozent mehr.
Für Investment Professionals kommen Reformpläne zu spät
Die Reformpläne kommen jedoch nicht überall gut an. Der Verband der Investment Professionals DVFA hat dazu eine Monatsfrage gestellt. Tenor sei laut Vorstand Roger Peeters: „Zu spät, zu wenig.“ Andererseits sei der gemachte Anfang wichtiger als die Einzelkritik am Konzept. Eindeutig ist jedenfalls das Ergebnis zur Frage nach der Gesamteinschätzung: „Die Idee ist gut. Jedoch kann es nur ein zaghafter Anfang sein. Spätestens nach der nächsten Wahl müssen Beiträge in nennenswerter Form in das kapitalgedeckte System überführt werden.“ Diesem Antwortvorschlag stimmten die Teilnehmer der Befragung mit 95,5 Prozent zu.
Aus den Anmerkungen vieler Teilnehmer spricht jedoch Skepsis gegenüber der weitgehenden Schuldenfinanzierung des Generationenkapitals und der damit verbundenen geringeren Rendite. Ein guter Weg wäre laut der Befragten, wenn der Bund Eigenkapital wie eigene Unternehmensbeteiligungen in den Fonds einbringen würde – das erzeuge „skin in the game“. Das Volumen des Generationenkapitals müsse jedoch schnell deutlich erhöht werden. Einig war sich ein Großteil der Befragten, dass das Kapital kostengünstig und breit gestreut weltweit in alle möglichen Segmente und Branchen angelegt werden muss.
„Bei diesem Thema ist vermutlich jedem klar, dass das mit Schulden und einigen Eigenkapitalbeteiligungen des Bundes finanzierte Generationenkapital nur ein erster Kompromiss ist. Und dass die geplanten 200 Milliarden Euro kaum ausreichen werden, um Rentenniveau und Beitragssätze nachhaltig zu stabilisieren“, fasst Peeters zusammen. Es ersetzte vor allem nicht die privat finanzierte Aktienrente. Hier fehle bis heute eine breite Aufklärungskampagne der Regierung – statt falscher Polemik gegen sogenannte „Casino- und Zockerrenten“.
Scharfe Kritik an der geplanten Rentenreform
Auch Arbeitgeberpräsident Dulger gibt sich gegenüber der „Bild am Sonntag“ „fassungslos“ über das „teuerste Sozialgesetz des Jahrhunderts“. Dass Arbeitsminister Heil „massiv die Rentenausgaben erhöhen will, obwohl wir vor dem größten Alterungsschub stehen, den es jemals in Deutschland gegeben hat“, hält Dulger für „unfair und ungerecht“.
Ähnlich äußerten sich bereits die Aktuarvereinigungen DAV und IVS, für die die Reformpläne unrealistisch und intransparent aussehen. Der GDV und der BVK begrüßen zwar die Pläne der Bundesregierung als ersten Schritt, fordern aber weitere Reformen auch in der betrieblichen und privaten geförderten Altersvorsorge. Zudem ist Michael Heinz vom BVK skeptisch gegenüber dem schuldenfinanzierten Aufbau eines Kapitalstocks.
Rentenfonds soll größtenteils in Aktien investieren
Aus den Reformplänen der Bundesregierung geht hervor, dass diese bis 2045 mit Rentenausgaben von über 800 Milliarden Euro ausgeht. Ab 2036 sollen dann Erträge aus dem dafür eingeführten Staatsfonds einen stärkeren Anstieg der Rentenbeiträge verhindern. Verantwortlich für die Verwaltung des Generationenkapitals wird das gleiche Team sein, das bereits mit dem ersten deutschen Staatsfonds zur Finanzierung der Atommüllentsorgung betraut wurde.
Mikus, die Vorstandsvorsitzende der zuständigen Kenfo-Stiftung, bezeichnet das Generationenkapital im Interview mit „Welt am Sonntag“ als einen „ersten Baustein zur kapitalgedeckten Finanzierung der gesetzlichen Rente“. Sie ist erfreut darüber, dass der deutsche Staat endlich beginnt, „die Kapitalmärkte stärker für sich und die Altersvorsorge seiner Bürger zu nutzen“.
Bis 2036 soll ein Kapitalstock von rund 200 Milliarden Euro aufgebaut sein. Der Staatsfonds soll dann jedes Jahr zehn Milliarden Euro erwirtschaften und an die Deutsche Rentenversicherung überweisen. Aufgrund dieser Renditeanforderungen wird das Generationenkapital „in seiner Zielallokation einen sehr viel höheren Aktienanteil und voraussichtlich fast keine Anleihen haben“. Der Aktienanteil dürfte bei um die 80 Prozent liegen, so Mikus. Sie spricht zudem von einer "renditeorientierten Nachhaltigkeitsstrategie", da das Generationenkapital mindestens ESG-Anforderungen erfüllen und bis 2050 klimaneutral sein soll.
Weitere Überzeugungsarbeit nötig
Eine Reform des Rentensystems käme zum richtigen Zeitpunkt. Laut einer von „Bild am Sonntag“ in Auftrag gegebenen Umfrage glauben fast Dreiviertel der Bundesbürger, dass die Renten unsicher sind. Dass für die gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung immer höhere Bundeszuschüsse erforderlich sind, stellt auch für den Ökonom Bernd Raffelhüschen ein Problem dar. Sein Lösungsvorschlag: höhere Sozialversicherungsbeiträge für Kinderlose, da „sie der Gesellschaft Beitragszahler vorenthalten“.
Eine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters lehnt die Mehrheit der Umfrageteilnehmer ab. Nur acht Prozent sprechen sich dafür aus. Dem würde sich Finanzminister Lindner anschließen, der sich jüngst für längere Lebensarbeitszeiten aussprach. Damit positioniert er sich gegen die Rentenreform, die er selbst mit auf den Weg gebracht hat. Kritik kommt somit nicht nur von außerhalb der Regierung.