Rechtsrahmen für Einlagensicherung „Großeinleger können künftig höhere Zinsen verlangen“

Seite 2 / 2


Gläubiger zur Kasse

Zu den wichtigsten Neuerungen zählt die sogenannte Haftungskaskade. Diese bestimmt, dass im Fall einer Bankinsolvenz die private Verlustbeteiligung durch Eigentümer und Gläubiger einer Bank zunächst in Höhe von 8 Prozent der Bilanzsumme erfolgen muss, bevor der europäische Abwicklungsfonds – der von allen privaten Banken in Europa gespeist werden soll – genutzt werden kann.

Grafisch lässt sich die Haftungskaskade wie folgt darstellen:

>>Vergrößern

Haftungskaskaden nach der europäischen Abwicklungsrichtlinie, Quelle: Bundesministerium der Finanzen

Dies bedeutet nun, dass – sollte im Insolvenzfall das Eigenkapital nicht ausreichen, um den entsprechenden Verlust zu decken – auch die Gläubiger einer Bank für die Verluste in Haftung genommen werden. Zunächst haften daher die Aktionäre, dann die Bankanleihenbesitzer und, wenn dies auch nicht ausreicht, die Einleger mit einem Guthaben von über 100.000 Euro.

Unangenehme Gewissheit

Vor diesem Hintergrund ist auch die Pressemeldung der österreichischen Bundesregierung zu verstehen. Der Staat zieht sich aus der steuerfinanzierten Bankenhaftung zurück und überlässt die Haftung – entsprechend dem Rechtrahmen der Europäischen Union – dem privaten Sektor, bestehend aus Aktionären, Gläubigern und den von den Banken gespeisten Abwicklungsfonds.

Der Sparer hat nun daher die Gewissheit, dass er mit seinen Einlagen, die 100.000 Euro überschreiten, in Zukunft an der Rettung der Banken beteiligt werden kann.

Außerhalb des Aktienrechts kann die nationale Abwicklungsbehörde per Verwaltungsakt nun beschließen, dass die Guthaben der Kunden zur Vermeidung einer Insolvenz auf den Maximalbetrag von 100.000 Euro reduziert werden und in Eigenkapital umgewandelt werden können.

Dies gilt insbesondere dann, wenn die Abwicklungsbehörde bereits präventiv zur Vermeidung einer Insolvenz tätig wird. Nach den entsprechenden rechtlichen Rahmenbedingungen ist ein solches Handeln möglich.

Einlagen, die 100.000 Euro nicht überschreiten, werden von der Haftung komplett ausgenommen. Auch ist sichergestellt, dass im Fall einer Einlegerhaftung natürliche Personen und Kleinunternehmen nachrangig haften müssen.

Für die Sparer bedeutet dies, dass Bankeinlagen, die den Wert von 100.000 Euro überschreiten, wie einen Kredit an die jeweilige Bank zu betrachten sind. Um diese damit verbundenen Risiken zu reduzieren, ist den Sparern zu empfehlen, sich ihre Banken sorgfältig auszusuchen und ihre Einlagen über mehrere Institute zu diversifizieren.

Mehr Zinsen ab 100.000 Euro

Volkswirtschaftlich wird dies jedoch erhebliche Auswirkungen auf den Banken- und Finanzsektor haben. Einerseits wird der Wettbewerb zwischen den Banken um Großeinleger intensiviert. Anleger mit hohen Einlagen werden in Zukunft für das höhere Risiko auch bessere Konditionen verlangen.

Dies wird grundsätzlich die Kosten für die Banken weiter erhöhen und deren Ertragslage verschlechtern. Sie müssen jetzt die Mittel für die Speisung des Abwicklungsfonds aufbringen, wodurch sich die Refinanzierungsbedingungen deutlich verschlechtern.

Inwieweit es ihnen gelingt, diese höheren Kosten durch höhere Gebühren an die Kunden weiterzugeben, ist bei der oben beschriebenen Intensivierung des Wettbewerbs zwischen den Banken fraglich. Gelingt es ihnen, einen Teil der höheren Kosten auf die Einleger abzuwälzen, dann ist dagegen die Befürchtung vieler Verbraucherschützer berechtigt, dass am Ende die Einleger nicht nur höhere Risiken, sondern auch höhere Kosten tragen müssen.

Aber auch das ist aus ökonomischer Sicht nicht überraschend. An dieser Stelle sei nur an das berühmte Zitat vom Nobelpreisträger Milton Friedman erinnert: „There is no such thing as free lunch“.


Über die Autoren:
Christoph Weber ist geschäftsführender Gesellschafter des Düsseldorfer Multi Family Office W-S-H. Seit kurzem steht er auch dem neugegründeten Verband unabhängiger Family Offices als Vorstandsvorsitzender vor.

Professor André Schmidt hat seit Juli 2008 den Lehrstuhl für Makroökonomie und internationale Wirtschaft an der Universität Witten-Herdecke inne. Einen weiteren Lehrstuhl besetzt Schmidt an der Leibniz Fachhochschule in Hannover. Einer seiner Forschungsschwerpunkte sind Family Offices und Unternehmerfamilien.

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen