Rechtsrahmen für Einlagensicherung „Großeinleger können künftig höhere Zinsen verlangen“

André Schmidt (links), Professor der Uni Witten-Herdecke, und Christoph Weber, Geschäftsführer vom Family Office W-S-H

André Schmidt (links), Professor der Uni Witten-Herdecke, und Christoph Weber, Geschäftsführer vom Family Office W-S-H

Kurz vor Ostern verunsicherte eine im Handelsblatt erschienene Pressemitteilung der österreichischen Regierung die Anleger nicht nur in Österreich. Die österreichische Bundesregierung kündigte an, ab Juli dieses Jahres die staatliche Einlagensicherung abzuschaffen.

Nicht mehr der Staat und damit die Steuerzahler sollen für Bankeneinlagen bis zu einer Höhe von 100.000 Euro im Fall einer Bankinsolvenz haften, sondern die Haftung soll von den Banken selbst aufgebracht werden, indem sie in einen gemeinsamen Bankenfonds einzahlen. Dieser soll bis zum Jahr 2024 auf ein Volumen von zirka 1,5 Milliarden Euro anwachsen, aus welchem dann die entsprechende Einlagensicherung finanziert werden kann. Damit haften die Banken gemeinsam selbst für alle Girokonten und Spareinlagen.

Für den Privatanleger stellen sich damit zwei Fragen: zum einen, wie sicher sind meine Einlagen? Und zum anderen, was bedeutet dies für die Spareinlagen in Deutschland und insgesamt in Europa?

EU-Bankenunion lässt grüßen

Zunächst einmal ist festzustellen, dass es sich dabei keineswegs um eine Besonderheit Österreichs handelt. Vielmehr geht es hierbei primär um die Umsetzung der EU-Richtlinien zur Schaffung der europäischen Bankenunion geht.

Um die Problematik der Einlagensicherung und Haftung im europäischen Bankenwesen und deren Zusammenhänge zu verdeutlichen, werden zunächst die grundsätzlichen Regelungen der EU-Bankenunion dargestellt. Darauf aufbauend kann dann darüber diskutiert werden, welchen Risiken für die Einlagen bestehen und wie diesen angemessen begegnet werden kann.

Bezüglich des institutionellen Rahmens im europäischen Bankenwesen sind es vor allem zwei Richtlinien, die für den Anleger von Interesse sind: die Richtlinie zu Einlagensicherung und die Richtlinie zur Abwicklung von insolventen Instituten, welche allgemein unter Namen „Abwicklungsrichtlinie“ bekannt ist.

Am 2. Juli 2014 trat die neue Einlagensicherungsrichtlinie der EU (2014/49/EU) in Kraft, die spätestens bis zum Juli 2015 auch in Deutschland in nationales Recht überführt werden muss. Diese Richtlinie setzt die bestehenden Regelungen außer Kraft und beruht im Wesentlichen auf den Erfahrungen der Banken- und Finanzkrise im Jahr 2008/09. 

Gleiches Recht für alle

Entscheidend ist hierbei, dass in allen Mitgliedstaaten im Rahmen einer Maximalharmonisierung die Einlagensicherung auf den Betrag von 100.000 Euro pro identifizierbaren Einleger begrenzt wird. Damit wird der Erfahrung Rechnung getragen, dass während der Banken- und Finanzkrise es innerhalb Europas zu erheblichen Umschichtungen der Einlagen zugunsten von Banken in Ländern mit höherer Einlagensicherung gekommen ist. Dadurch wurde den ohnehin schwächeren Banken zusätzliche Liquidität entzogen, was zu einer Verschärfung der Krise bei einigen Finanzinstituten führte.

Wichtig hierbei ist, dass die Deckungsobergrenze pro Einleger und nicht pro Einlage gilt. Das heißt, es werden auch die Einlagen von Einlegern berücksichtigt, die nicht als Inhaber eines Kontos fungieren oder nicht die ausschließlichen Inhaber eines Kontos sind.

Vorsorgen in guten Zeiten

Eine weitere wichtige Änderung, die die neue Einlagensicherungsrichtlinie mit sich bringt, ist, dass die Finanzierung der Einlagensicherung grundsätzlich von einer ex-post-Finanzierung auf eine ex-ante-Finanzierung umgestellt wird. Bisher mussten in den meisten Fällen die Kreditinstitute erst dann ihre Sicherungsleistungen erbringen, wenn ein Entschädigungsfall eingetreten ist.

Dies führte regelmäßig zu der Situation, dass das Institut, welches den Insolvenzfall herbeigeführt hat, von der Sicherungsleistung befreit war, da es aufgrund seiner Insolvenz nicht mehr zahlungsfähig war. Um dies zu verhindern, schreibt die neue EU-Richtlinie für alle Mitgliedstaaten eine ex-ante-Finanzierung der Einlagensicherung verpflichtend vor, bei der innerhalb der nächsten zehn Jahre die Finanzinstitute verpflichtet werden, ein Mindestvermögen von 0,8 Prozent der gedeckten Einlagen in einem Bankenfonds anzusparen.

Solange die bereits angesammelten Finanzmittel nicht ausreichen, um einen aktuellen Entschädigungsfall zu finanzieren, können die Sicherungseinrichtungen eine jährliche Sonderzahlung in Höhe von 0,5 Prozent der gedeckten Einlagen von den Finanzinstituten verlangen.

Darüber hinaus bestimmt die neue Einlagensicherungsrichtlinie, dass in Zukunft alle Kreditinstitute dem gesetzlichen Sicherungssystem angehören müssen. Dies gilt nun auch für die Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken in Deutschland, die bisher aufgrund ihrer Institutssicherung keiner gesetzlichen Entschädigungseinrichtung zugeordnet waren.

Alles beim Alten?

In seinen Grundzügen bleibt jedoch das deutsche Einlagensicherungssystem erhalten. Die bisher bestehende Drei-Säulen-Struktur, bestehend aus der Entschädigungseinrichtung der deutschen Banken (EdB), der Entschädigungseinrichtung öffentlicher Banken (EdÖ) und den Institutssicherungssystemen (DSGV, BVR und ESF) bleibt grundsätzlich erhalten. Die Institutssicherungssysteme müssen sich nun allerdings als Einlagensicherungssysteme anerkennen lassen.

Allerdings sind bei der Beurteilung der Risiken für die Einleger die Wechselwirkungen der Einlagensicherungsrichtlinie mit der Abwicklungsrichtlinie (2014/59/EU) zu berücksichtigen.

Diese basiert im Wesentlichen auf einer zweiten Erfahrung aus der Banken- und Finanzkrise: der Rettung angeschlagener Banken durch den Steuerzahler. In Deutschland haben wir es unter anderem bei der Abwicklung der Hypo Real Estate erfahren.

Um die so genannten moralischen Risiken zu verhindern – Dritte, in dem Fall die Steuerzahler, werden gezwungen, die Risiken anderer zu übernehmen –, soll künftig ein Bailout, das heißt die Schuldenübernahme durch den Staat oder die Steuerzahler verhindert werden. Kern der europäischen Bankenunion ist neben einer einheitlichen Bankenaufsicht durch die EZB auch die Verhinderung eines Bailouts.

Daher soll an die Stelle eines Bailouts nun ein sogenannter Bail-in treten. Damit soll sichergestellt werden, dass im Fall eines Zusammenbruchs eines Finanzinstituts zunächst die Eigentümer und dann die Gläubiger an die Stelle des Steuerzahlers in Haftung treten. Die EU-Abwicklungsrichtlinie ist bereits in nationales Recht umgesetzt worden. Am 1. Januar dieses Jahres trat das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG) in Kraft.