Finanzdienstleister spielen in Deutschland eine wichtige Rolle, indem sie Kunden dabei helfen, die für sie passende persönliche Absicherung zu finden und zu verwalten. Trotz ihrer zentralen Bedeutung ist es Bankern und freien Finanzdienstleister gesetzlich untersagt, Rechtsberatung anzubieten. Dieser Beitrag untersucht die Gründe für dieses Verbot und dessen Auswirkungen auf die Branche anhand von Beratungen zur Vorsorgevollmacht. Unter die in diesem Beitrag genannten Finanzdienstleister fallen Banker, freie Certified Financial Planner (CFP), Generationenberater, Ruhestandsplaner und Versicherungsmakler.
Grundlagen der Rechtsberatung in Deutschland
In Deutschland ist streng reguliert, wer Rechtsberatung anbieten darf. Dies ist Anwälten wie Notaren vorbehalten, die eine entsprechende Zulassung und umfassendes juristisches Fachwissen vorweisen können. Diese Regelung ist im Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) verankert, das darauf abzielt, die Qualität juristischer Dienstleistungen zu sichern und Verbraucher vor unqualifizierter Beratung und negativen Folgen zu schützen.
Nach § 2 Abs. 1 RDG werden Rechtsdienstleistungen als jede Tätigkeit definiert, die eine konkrete rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert, was zum Beispiel im Steuerrecht, Erbrecht und Betreuungsrecht, sprich bei der Vorsorgevollmacht, der Fall ist. Dies schließt explizit die Beratung und außergerichtliche Vertretung in rechtlichen Angelegenheiten ein.
Gemäß § 3 RDG dürfen Rechtsdienstleistungen grundsätzlich nur von Personen erbracht werden, die eine entsprechende Befugnis hierzu besitzen, was in der Regel auf Rechtsanwälte und Notare zutrifft. Finanzdienstleister fallen nicht unter diese Kategorie. Folglich ist es Finanzdienstleistern untersagt, Rechtsberatung im eigentlichen Sinne anzubieten, um Interessenskonflikte zu vermeiden und die Integrität der Rechtsberatung zu wahren. Für Kunden bedeutet dies, dass sie für rechtliche Fragen einen Fachanwalt konsultieren müssen, was zu zusätzlichen Kosten und einem höheren Zeitaufwand führen kann.
Auswirkungen auf Finanzdienstleister und ihre Kunden: Beratung Vorsorgevollmacht
Ein Bereich, in dem das Verbot der Rechtsberatung durch Finanzdienstleister in Deutschland besonders relevant wird, ist die Vorsorgevollmacht. Eine Vorsorgevollmacht ist ein juristisches Instrument, das einer Person ermöglicht, eine andere Person dazu zu ermächtigen, in ihrem Namen Entscheidungen zu treffen, sollte sie selbst dazu nicht mehr in der Lage sein.
Da die Erstellung und Beratung zur Vorsorgevollmacht jedoch eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls und damit eine Rechtsberatung darstellt, dürfen laut Gesetzgeber Finanzdienstleister diese Dienstleistung nicht anbieten. Das gilt laut der Urteile des BGH 2009, des OLG Karlsruhe 2010 (4 U 109/10) und des AG Northeim 2017 (3 C 349/16 (VI)) auch für die Weiterleitung der Kundendaten an Juristen oder sogenannte „Rechts“-Dienstleister.
Banken halten sich an Gesetzgebung – und freie Finanzdienstleister?
Banken halten sich spätestens seit dem BGH – und OLG-Urteil strikt an die Gesetzgebung, was man von vielen freien Finanzdienstleister leider nicht sagen kann. Ganz im Gegenteil. Wenn Juristen davon sprechen, dass das Rechtsdienstleistungsgesetz und die Urteile von vielen freien Finanzdienstleistern „mit Füßen getreten werden“ ist dem nichts zu entgegnen. Finanzdienstleister argumentieren unter anderem in Sozialen Medien: „Ich leite nur die Kontaktdaten an einen Dienstleiter weiter, und der leitet sie an einen Juristen weiter.“
Ein Blick in die Urteilsbegründung des OLG hilft Klarheit zu gewinnen: „Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, auf dem Gebiet des Erbrechts und/oder Familienrechts rechtsberatend und/oder rechtsbesorgend tätig zu werden, indem in Einzelfällen […] Vorsorgevollmachten erstellt werden. Die Datensammlung ist der Beginn der erlaubnisgebundenen Dienstleistung. Die Weitergabe an berufsmäßige Rechtsdienstleister entlastet die Beklagte im Übrigen nicht. (vgl. BGH, NJW 09, 3242 v. 29.09.2009 I ZR 166/06 OLG Brandenburg, LG Frankfurt/Oder)“
Wie versucht wird, das Verbot der Rechtsberatung zu umgehen
Genau da liegt das Problem: Weil laut § 2 Abs. 1 RDG jede Tätigkeit definiert, die eine konkrete rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert, gilt schon die Datenweiterleitung, so grotesk es klingen mag, als verbotene Rechtsdienstleistung. Verschärfend kommt hinzu, dass die in der Finanzdienstleistungsbranche bekannten Dienstleister keine Rechtsdienstleister sind.
Finanzdienstleister, die sich der Dienste des Anbieters, gegen den das AG Northeim 2017 das Urteil gesprochen hat, bedienen, eröffnen dem Kunden einen Online-Zugang; der Kunde kreuzt – ohne Beratung – seine Wünsche bezüglich der Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung am Rechner aus. Diese Daten werden dann an einen Rechtsanwalt weitergeleitet. Das Vorgehen erinnert an Streamingplattformen, die vor vielen Jahren die Technik zum illegalen Download zur Verfügung gestellt haben, und glaubten eine legale Umgehung gefunden zu haben, was die Gerichte anders gesehen haben. Im oben genannten Fall wird versucht den § 2 Abs. 1 RDG zu umgehen. Eine gesetzlich verbotene Beratung wird nicht dadurch legal, dass sich das Zugangsmedium ändert. Für Finanzdienstleister bleibt es eine verbotene Rechtsberatung.
Bei einem anderen Anbieter legt der Finanzdienstleister dem Kunden die Vordrucke zur Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung vor, auf denen der Kunde – ohne Beratung – seine Kreuze machen kann. Vom Kunden unterschrieben, leitet der Finanzdienstleister die Unterlagen den Anbieter weiter, der diese wiederum an einen Rechtsanwalt sendet.
Wie und wo es zu einem Provisionsfluss kommt, ist die spannende Frage. Warum? Die Dienstleister sind keine Rechtsdienstleister und Anwälte unterliegen einem rechtlichen Provisionsabgabeverbot. Es gäbe auch die Möglichkeit, dem Kunden einen Juristen oder Notar zu empfehlen, was jedoch laut aktueller Gesetzgebung ebenso rechtlich verboten ist. Fazit: Die Kunden müssen sich ihre Rechtsberatung selbst suchen.
Empfehlungen von Ausbildungsanbieter und Versicherern
Trotz der klaren Rechtslage empfehlen Ausbildungsinstitute und Akademien in ihren Generationenberater-und Ruhestandsplaner-Ausbildungen seit Jahren die rechtlich verbotene Vorgehensweise (Patientenverfügungs- und Vorsorgevollmacht-Beratung) als Marketinginstrument. Ein Anbieter geht so weit, die Ausbildung zum Generationenberater finanziell zu unterstützen. Ein weiterer Anbieter hebt in seinem Fachbuch „Geschäftsfeld Ruhestandsplanung“ (Seite 120) als Dienstleistung eines Finanzdienstleisters hervor.
Viele Finanzdienstleister fragen sich, warum auch einige Versicherungsunternehmen ihren Vertragspartnern die rechtlich verbotene Vorgehensweise empfehlen, und stellen die Frage nach der Seriösität dieser Versicherer.
Wie lauten also Empfehlungen für Banker, Certified Financial Planner (CFP) oder Generationenberater?
- Jede Beraterin und jeder Berater sollte sich selbstverständlich, die maximal fünf Minuten, für die Thematik „Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht“ Zeit nehmen, was jedoch Fachwissen voraussetzt.
- Wenn juristische Beratungen in Frage kommen, empfiehlt es sich, wenn der Kunde einen der knapp 200 Medizinrechtsanwälte mit Beratungsschwerpunkt „Patientenrechte am Lebensende“ konsultiert, weil diese Anwälte sowohl exzellente juristische wie medizinische Kenntnisse und Erfahrungen im Bereich der letzten Lebensphase vorweisen.
- Bei Beratungen von Juristen (außerhalb des Medizinrechts) ist zu beachten, dass Juristen selten medizinsche Fachkenntnisse, schon gar nicht im Bereich „Patientenrechte am Lebensende“, mitbringen.
- Lassen sich Kunden von ihrem Hausarzt beraten, sollte klar sein, dass in den meisten Fällen die juristischen Fachkenntnisse nicht ausgeprägt ist.
- Wer seine Kunden auf die Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht anspricht, ist gut beraten den Kunden eine Liste der örtlichen Beratungsstellen der sozialen Träger (zum Beispiel Sozialverband VdK Deutschland, Caritas, Diakonie, Volkssolidarität oder ähnliche), Hospizvereine, Pflegestützpunkte und Betreuungsvereine auszuhändigen. Hier stehen erfahrene Berater, mit juristischen und medizinischen Kenntnissen – ohne Vergütung – zur Verfügung.
- Finanzdienstleister sollten ihren Kunden empfehlen, vor der Beratung zur Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht, Kostenvoranschläge einzuholen, um einen Vergleich zu haben und bei Rechnungsstellung keine bösen Überraschungen zu erleben (siehe Honorare von bis zu 1.000 Euro durch Finanzdienstleister). Eingesparte Honorare sind oft die beste Empfehlung.
Die bestehenden gesetzlichen Rahmenbedingungen in Deutschland machen eine klare Abgrenzung zwischen Finanzberatung/Versicherungsvermittlung und Rechtsberatung notwendig. Das gesetzliche Verbot der Rechtsberatung durch Finanzdienstleister basiert in Deutschland auf dem Bedürfnis, Verbraucher zu schützen und die Integrität juristischer Dienstleistungen zu wahren, und wird durch Urteile des BGH, OLG Karlsruhe, OLG Brandenburg, LG Frankfurt/Oder und AG Northeim gestützt.
Das RDG definiert Rechtsberatung als jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, die eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert, was zum Beispiel bei der Vorsorgevollmacht der Fall ist.
Haftungsgründe: Finanzdienstleister sollten sich von Rechtsberatung fernhalten
Jeder Finanzdienstleister sollte sich fragen, warum Banken keine Rechtsberatung (Erb,-Familen,- Steuer,- und Betreuungsrecht) anbieten, und daraus den Schluss ableiten, sich schon aus Haftungsgründen von gesetzlich verbotener Rechtsberatung fernzuhalten. Würde das oben beschriebene Geschäftsgebaren rechtlich einwandfrei sein, würde es auch von Banken angeboten. Spätestens nach dem OLG-Urteil 2010 halten sich alle Banken strikt an das Urteil und bieten keine Beratung zu diesen Themen an. Freien CFP´s und Finanzdienstleistern sollte somit klar sein, dass es keine zwei Rechtsprechungen in Deutschland gibt.
Über den Autor:
Ulrich Welzel ist ehemaliger Banker, Inhaber der Unternehmensberatung Brain Active, Ausbilder und Berater zum Thema Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht für soziale Träger, Hospizbegleiter, Moderator Ethik im Gesundheitswesen.