Ob Vermögensstrukturierung, Wohnsitzverlagerung oder Nachfolgeplanung: Die sogenannte Familienholding ist ein zentrales Instrument, um gesteckte rechtliche und steuerliche Ziele für eine Familie zu erreichen. Gemeinhin ist sie eine Gesellschaft im In- oder Ausland, an der die Mitglieder einer Familie als Gesellschafter, Unterbeteiligte oder Nießbraucher beteiligt sind. Die Ausgestaltung variiert. Es kann sich um eine Kapitalgesellschaft in Form einer GmbH, AG oder SE handeln oder um eine Personengesellschaft wie etwa eine GmbH & Co. KG oder eine vermögensverwaltende KG. Auch „Zwitter“ sind in Form einer sogenannten optierten Personengesellschaft darstellbar: eine GmbH & Co. KG, die für steuerliche Zwecke auf Antrag als Kapitalgesellschaft gilt.
Das sind die Ziele einer Familienholding
Eine Familienholding soll das eigene Vermögen, das unternehmerische Beteiligungen, Finanzanlagen und Immobilien umfassen kann, verwalten und mehren. Je nach Vermögensumfang und -struktur kann sich eine Familienholding an Tochtergesellschaften wie einer Unternehmens-GmbH, einer Wertpapier-GmbH oder Immobilien-GmbH beteiligen. In der Praxis geben häufig Vermögensverwalter, Private Banker oder teils auch Darlehensgeber bei Familien den Anstoß, eine Familienholding zu errichten. Die Ziele, die mit einer Familienholding-Struktur erreicht werden sollen, lassen sich in drei Gruppen einteilen:
Organisatorische Ziele: Das Vermögen „unter einem Dach“ in der Familienholding ordnen; mögliche familieninterne Streitigkeiten, die sich ergeben könnten, wenn ein Vermögensinhaber verstirbt, vorsorglich minimieren (Family Governance); (Vermögens-)Größenvorteil nutzen (etwa bei Verhandlung mit Bank, Bauunternehmen; Erwerb von „big tickets“, Teilnahme an Block-Trades); „Kümmerer-Funktion“ für wirtschaftlich nicht interessierte Familienmitglieder.
Rechtliche Ziele: Abschirmung der Familienmitglieder vor der Öffentlichkeit (Familienholding tritt nach außen auf, nicht die Familienmitglieder); Vermögensübertragung dadurch erleichtern, dass nur die Beteiligung an der Familienholding übertragen werden muss, nicht eine Vielzahl von Anlagen.
Steuerliche Ziele: Laufende steuerliche Belastung minimieren; Möglichkeit schaffen, bestimmte Vermögensbestandteile ohne oder mit geringer Steuerbelastung zu verkaufen; schenkungs- oder erbschaftssteuerliche Privilegien nutzen sowie eine Steuerbelastung bei Wohnsitzverlagerung in das Ausland vermeiden.
Familienholding: Diverse Anpassungen drohen
In den Jahren 2023 und 2024 könnten sich einige Ziele innerhalb der Familienholding verschieben. Angesichts aktueller politischer und fachlicher Diskussionen, vorliegender Gesetzentwürfe und Maßnahmen der Europäischen Kommission sehen wir mögliche Auswirkungen auf Familienholding-Strukturen:
Haftung des Vermögens der Familienholding: Wer eine Familienholding gründet, möchte stets auch Haftungsrisiken ausschließen oder minimieren. Die Gesellschaft und die Gesellschafter sollen bei einem Haftungsfall auf Ebene einer Tochter- oder Beteiligungsgesellschaft nicht einstehen müssen. Neben bekannten Haftungsthemen wie der Durchgriffshaftung und der kartellrechtlichen Haftung könnte das sogenannte Lieferkettengesetz neue Haftungsfallen schaffen. Möglich ist, dass die zunehmenden Haftungsszenarien im Einzelfall Vermögensabspaltungen von der Familienholding auf eine geschützte Parallelstruktur auslösen.
Transparenzregister: Wenn Gesellschafter, Unterbeteiligte oder Nießbraucher in das Transparenzregister eingetragen werden, legt das in der Regel ungewollt
Beteiligungsverhältnisse offen. Die Transparenz von Beteiligungsstrukturen über das Handelsregister und das Transparenzregister wurde bereits in den vergangenen Jahren konsequent weiter erhöht. Während 2022 die zuvor kostenpflichtigen Daten im Handelsregister freigegeben wurden, hat der deutsche Gesetzgeber jüngst etwas gegengesteuert. Die am 23. Dezember 2022 in Kraft getretene Änderung zur Handelsregisterverordnung erlaubt es, Dokumente im Registerordner auszutauschen, wenn diese sensible Daten enthalten.
Auf dieser Grundlage kann etwa eine Gesellschafterliste ausgetauscht werden, auf der die vollständige Adresse des Gesellschafters enthalten ist. Auch müssen Erbscheine, Erbverträge und öffentliche Testamente, die zum Nachweis der Erbfolge zum Handelsregister eingereicht worden sind, nicht mehr veröffentlicht werden. Trotzdem müssen gesellschaftsrechtliche Strukturen weiterhin so gestaltet werden, dass sie zu viel Transparenz zum Schutz der nicht in der Öffentlichkeit stehenden Familienmitglieder vermeiden. Möglich wird das durch Nutzung einer Stiftung oder einer Aktiengesellschaft oder von Treuhandverhältnissen.
Mitbestimmung: Unter den im Mitbestimmungsgesetz und Drittelbeteiligungsgesetz bestimmten Voraussetzungen muss bei der Familienholding ein Aufsichtsrat mit Arbeitnehmervertretern gebildet werden. Nach geltendem Recht kann das aber häufig vermieden werden. Im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung wurde vereinbart, die Voraussetzungen für eine unternehmerische Mitbestimmung zulasten von Unternehmensgruppen, die zwischen 500 und 2.000 Arbeitnehmer in Deutschland beschäftigen, zu ändern. Eine solche Gesetzesänderung kann – ohne weitere Strukturmaßnahmen – zur Folge haben, dass ein Aufsichtsrat bei einer Familienholding gebildet werden muss. Vormundschafts- und Betreuungsrecht: Bereits zum 1. Januar 2023 ist das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts in Kraft getreten. Änderungen wirken sich so auf Minderjährige aus, die an einer Familienholding beteiligt werden sollen. Tendenziell dürften Überlegungen zur Nicht-Beteiligung von Minderjährigen oder zu sogenannten „Als-ob-Beteiligungen“ zunehmen.
Wegzugsbesteuerung: Wenn ein Gesellschafter seinen Wohnsitz von Deutschland in das Ausland verlagert oder aber einen Zweitwohnsitz im Ausland gründet, kann das eine existenzbedrohende Wegzugsbesteuerung in Deutschland auslösen. Wenn eine zentrale Regelung der deutschen Wegzugsbesteuerung (§ 6 AStG) angewendet wird, die zuletzt mit Wirkung zum 1. Januar 2023 angepasst worden ist, stellen sich zahlreiche Praxisfragen. Die Ausgestaltung einer Sicherheitenbestellung bei Steuerstundung ist dafür ein passendes Beispiel. Dem Vernehmen nach wird das Bundesfinanzministerium zeitnah zur Auslegung Stellungnehmen, sodass offene Fragen beantwortet werden dürften. Zu hoffen bleibt, dass der Gesetzgeber die sehr praxisrelevante Thematik in dieser Legislaturperiode noch mal gesetzlich verbessern wird. Ein Beispiel dafür wäre etwa, eine sofortige Wegzugsmöglichkeit in Nicht-EU- oder EWR-Staaten zu schaffen, nachdem eine Familienholding-KG in eine Familienholding-GmbH (Sperrfrist nach § 22 UmwStG) umgewandelt wurde. Erbschafts- und Schenkungssteuer und
Vermögensabgabe: In der Presse sind sie allgegenwärtig: politische Forderungen nach einem angepassten Erbschaftssteuergesetz oder einer Vermögensabgabe, die eingeführt werden könnte. Die SPD hat eine Kommission eingesetzt, die sich bis zum SPD-Bundesparteitag im Dezember 2023 mit Steuerfragen beschäftigt und entsprechende Vorschläge machen soll. Dabei soll auch eine Vermögensabgabe oder -steuer offen diskutiert werden. Spätestens wenn Ergebnisse vorliegen, dürfte die steuerpolitische Diskussion weiter an Fahrt aufnehmen.
Geht man davon aus, dass insoweit eine steuerliche „Verschärfung“ droht, sollte eine rechtzeitige vorweggenommene Erbfolge hinsichtlich der Beteiligung an einer Familienholding in Betracht gezogen werden. Die politisch ebenfalls in den Blick genommene Erhöhung von erbschaftsteuerlichen Freibeträgen wird eine mögliche Verschärfung bei der Verschonung von Betriebsvermögen im Fall von sehr werthaltigen Beteiligungen nicht ausgleichen.
Der Trend zur Familiendachgesellschaft bleibt ungebrochen
Was auch immer in diesem und im kommenden Jahr 2024 passiert: Die Familienholding wird ein zentrales Gestaltungsinstrument bei der Vermögensstrukturierung und auch für andere Ziele einer möglicherweise vermögenden und größeren Familie bleiben. Der Trend zur Familiendachgesellschaft ist also ungebrochen. Insbesondere wenn die unternehmerische Mitbestimmung so verschärft wird, dass in einer Familienholding-Struktur ein mitbestimmter Aufsichtsrat gebildet werden muss, muss aber möglicherweise auch die Struktur angepasst werden. In Betracht kommt – neben einer SE oder einer ausländischen Kapitalgesellschaft – etwa eine Abspaltung von Vermögen auf eine Schwesterstruktur, bei der kein Aufsichtsrat gebildet werden muss, wenn die jeweilige Arbeitnehmeranzahl nicht überschritten wird.
In Abhängigkeit vom Vermögensumfang und mit Blick auf eine gefühlte Verunsicherung vermögender Familien dürften Auslandsgesellschaften – etwa mit Sitz in den USA, Singapur oder Neuseeland – zunehmend genutzt werden. Dabei wäre eine Möglichkeit, die Auslandsgesellschaften als Tochtergesellschaften einer deutschen Familienholding auszugestalten.
Über die Autoren:
Arne von Freeden ist Rechtsanwalt und Steuerberater bei Flick Gocke Schaumburg. Er studierte in New York und Frankfurt am Main, startete 2003 bei Flick Gocke Schaumburg und wurde 2013 zum Partner ernannt. Seine Kompetenzen sind unter anderem internationales Steuerrecht, Familienunternehmen sowie Vermögensnachfolge.
Johannes Baßler ist Rechtsanwalt und Steuerberater bei Flick Gocke Schaumburg. Er studierte in Passau, Mainz, Aix-en-Provence und Bonn und wechselte 2003 zu Flick Gocke Schaumburg. Seit 2013 ist er Partner und arbeitet unter anderem in den Kompetenzfeldern Family Offices, Private Clients sowie Erb- und Familienrecht.
Yorck Frese ist Rechtsanwalt und arbeitet bei Flicke Gocke Schaumburg. Frese studierte in Hamburg und Bordeaux und arbeitet seit 2018 bei Flick Gocke Schaumburg. Drei Jahre später wurde Frese zum Assoziierten Partner ernannt. Kompetenzfelder sind unter anderem Gesellschaftsrecht, Familienunternehmen, Family Offices und Private Clients.