Raus aus der Bank, Teil 10 Ex-Vontobel-Beraterin: „Rückblickend hätte ich früher den Mut fassen sollen“

Stella Streckwall hat sich mit Jovalias Vermögen & Family Office selbstständig gemacht.

Nach 20 Jahren in der Bank: Stella Streckwall hat sich mit Jovalias Vermögen & Family Office selbstständig gemacht. Foto: privat

Als im Februar 2022 mit dem Überfall Russlands der Krieg in der Ukraine beginnt, sind die Turbulenzen und die Nervosität an den Kapitalmärkten groß. Auch die Kunden von Stella Streckwall, damals Wealth Managerin bei Vontobel in Hamburg, sind verunsichert. Wie stark werden die Märkte reagieren? Müssen wir uns auf langfristige Turbulenzen einstellen? Sollte die Anlagestrategie angepasst werden?

„Meine Kunden brauchten in dieser Zeit Halt“

Fragen, die Sie ihrer Beraterin zu dieser Zeit nicht stellen können. Streckwall hat wenige Wochen zuvor ihr drittes Kind bekommen und ist in Elternzeit. Und doch würde sie ihren Mandanten in dieser Phase gerne beratend zur Seite stehen. „Meine Kunden haben sich bei mir gemeldet. Sie brauchten in dieser Zeit Halt“, sagt die 41-Jährige rückblickend. „Ich hatte nicht geplant, so früh wieder zu arbeiten. Doch ich hätte es aus dem Homeoffice gemacht, um meine Kunden zu begleiten.“

Sie sucht das Gespräch mit der Bank, kann sich aber mit ihrem Arbeitgeber nicht auf eine Lösung einigen – für sie und ihre Kunden eine unzufriedenstellende Situation. So reift in ihr in den kommenden Wochen ein Entschluss: Sie möchte raus aus der Bank, rein in die Selbstständigkeit. „Ohne diesen Abstand in der Elternzeit hätte ich diesen Schritt nicht gemacht. Rückblickend hätte ich wohl schon früher den Mut fassen sollen“, sagt sie rund ein Jahr später im Gespräch mit dem private banking magazin.


Alle Teile der Serie „Raus aus der Bank“ im Überblick:


20 Jahre war Streckwall in Banken im Private Banking und Wealth Management als Beraterin tätig. 2003 begann Sie bei der Haspa. Nach vier Jahren folgte der Wechsel zur BHF-Bank, wo sie elf Jahre blieb. Turbulente Jahre, in denen die Muttergesellschaft, das Bankhaus Sal. Oppenheim an die Deutsche Bank überging und später, nach der Übernahme durch das französische Privatbankhaus Oddo & Cie, die Umfirmierung zur Oddo BHF erfolgte. Im April 2018 begann sie bei Vontobel in Hamburg, wo sie bis zuletzt tätig war.

Was für Stella Streckwall ein Family Office ausmacht

Eine Erkenntnis, die sich für sie mit der Zeit herauskristallisiert: Eine Kundenbetreuung nach ihren Vorstellungen lässt sich im Bankenkosmos immer schwerer umsetzen. „Das intensive Kümmern um den Kunden und die individuelle Beratung hat in meiner Zeit in der Bank immer mal wieder zu Konflikten geführt“, sagt Streckwall, die sich als „total aktien- und börsenaffin“ beschreibt.

Konflikte, denen sie sich nun nicht mehr stellen muss. Seit Jahresbeginn ist Streckwall Gründerin und Geschäftsführerin der Jovalias Vermögen & Family Office. „Ein Family Office macht für mich die umfassende Beratung und Betreuung“, erklärt Streckwall. „Nicht nur das einzelne Depot, sondern das Gesamtvermögen, jede Immobilie, jede Beteiligung, in die Betrachtung des Vermögens einzubeziehen.“

 

Streckwall kennt ihre Kunden genau. Einen Großteil begleitet sie schon seit Zeiten bei der BHF Bank, darunter große Familien mit mehreren Familienmitgliedern – von der Großmutter zum Enkel. „Ich bin an der Seite der Kunde und sehe mich in einer erweiterten Beraterrolle auch als Vertraute – und das macht es aus meiner Sicht zu einem Family Office, auch wenn ich nicht die Buchhaltung und steuerliche Beratung für die Kunden übernehme.“ Und auch der Name des Unternehmens hat mit Familie zu tun. „Jovalias“ setzt sich aus den Vornamen ihrer drei Kinder zusammen.

„Aufregende Phase“, doch alle Kunden kommen mit

Trotz enger Kundenbeziehung war die Gründung für Streckwall eine nervenaufreibende Zeit. Viele Berater überschätzen die Bindung zu ihren Kunden, die oftmals doch zögern, eine Bankverbindung zu kappen. „Es war eine aufregende Phase“, sagt auch Streckwall. „Ich wusste, dass ich eine tiefe und lange Beziehung zu meinen Kunden hatte, aber nicht, ob sie so tief war, dass alle diesen Schritt mitgehen würden.“ Was sie letztlich aber taten. „Ich habe mich über jede Unterschrift gefreut, jeden Kunden, der den Weg mitgegangen ist.“

Streckwall hat sich mit Jovalias dem Haftungsdach von NFS Netfonds angeschlossen. Wobei das Haftungsdach bei der Gründung eine untergeordnete Rolle im Vergleich zur Wahl der Depotbank spielte. „Mir war es sehr wichtig, dass ich ein Private-Banking-Institut als Depotbank habe. Ich wollte meine Kunden nicht zu einer Direktbank bringen. Das ist nicht mein Konzept“, sagt Streckwall. „Ich möchte in allen Bereichen ein Private-Banking-Gefühl vermitteln.“ Die Wahl fiel auf die UBS als Depotbank und damit auf Netfonds, den Marktführer aus Hamburg, als Haftungsdach. 

 

Warum mehr Frauen sich trauen sollten, sich selbstständig zu machen

Als selbstständige Wealth Managerin ist Streckwall in der Branche eine Ausnahme. Und sie hofft, dass sich das bald ändert. „Leider finden wenige Frauen den Weg ins Private Banking und Wealth Management“, bedauert sie. „Wenn man es als Frau aber schafft und sich durchsetzt, Kunden hat, mit denen man eine langjährige Beziehung hat, dann sollte man sich auch den Weg in die Selbstständigkeit zutrauen.“ Auch wenn die Zeit der Gründung aufreibend war. Ob an Wochenenden oder in langen Nächten: Nie habe sie so viel gearbeitet wie in den vergangenen Monaten, betont Streckwall. Ohne Enthusiasmus, Fleiß und Unterstützung von Familie und Freunden wäre das – gerade als Mutter – nicht möglich gewesen.

Das Gefühl und das Selbstbewusstsein für ihren Schritt in die Selbstständigkeit zu entwickeln, war ein längerer Prozess. Das Ergebnis bereut sie nicht. „Heute kann ich meinen Kunden den Rundumservice liefern, wie ich ihn immer versucht habe zu liefern – ohne mich dafür vor jemand anderem rechtfertigen zu müssen.“

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