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private banking magazin: Drei von vier Deutschen haben weiterhin kein Testament. Zu diesem Ergebnis kommt die neue Studie der Quirin Privatbank. Warum ist der Anteil noch immer so hoch?
Ralf Wunderlich: In vielen Gesprächen in den vergangenen 30 Jahren habe ich festgestellt, dass die meisten Menschen die eigene Endlichkeit gedanklich gern möglichst weit wegschieben. Außerdem werden im Testament getroffene Aussagen oft als endgültig für sich angesehen. Nach dem Motto: „Wenn ich schon mit dem Thema beschäftigen muss, dann sollte es auch abgehakt sein.“ Allerdings ist die Basis für die im Testament zugrunde gelegten Entscheidungen oft eine Momentaufnahme – wer weiß schon, ob die Erben sich im Todesfall wirklich wohlfeil verhalten.
Oft besteht aber auch gar keine Notwendigkeit für ein Testament, da vieles schon zu Lebzeiten verschenkt wird, zum Beispiel unter Eintragung von Wohnrechten oder Vereinbarung von Nießbrauchrechten. Viele Menschen in Deutschland haben meiner Erfahrung nach zudem immer noch Hemmungen, offen über Einkommen oder Vermögen zu sprechen, ganz im Gegensatz zu den USA. Dabei stehen Angst vor Neid statt Stolz auf das Erreichte im Vordergrund.
Wertpapiere sollen im Vergleich zur vorangegangenen Studie künftig fast doppelt so oft vererbt werden. Der Anteil stieg von 19 auf 37 Prozent. Was bedeutet das für Banken und Vermögensverwalter?
Wunderlich: Eine langfristige und umfassende Beratung in allen Finanzangelegenheiten, vor allem bei generationenübergreifenden Themen, ist die DNA eines guten Vermögensverwalters. Dafür entscheidend: eine vertrauensvolle Zusammenarbeit über Jahre oder Jahrzehnte, denn es sollte sich nicht erst im Todesfall des Erblassers die Frage stellen, was die Erben mit dem Geld machen wollen. Idealerweise tut ein langfristig denkender Erblasser einfach so, als ob er sein Geld schon zu Lebzeiten im Sinne der Erben anlegt.
Ihre Studie hat ergeben, dass die Zahl der Erblasser und Erben in Deutschland in den vergangenen Jahren gewachsen ist. Künftig hat jedoch nur noch gut jeder dritte Befragte vor, eine Erbschaft zu vergeben. Der Anteil sank im Vergleich zur Vorgängerstudie von 49 auf 35 Prozent. Wie erklären Sie diese Entwicklung?
Wunderlich: Aus den geführten Gesprächen lassen sich mehrere Gründe ableiten. Oft steht weniger zum Vererben zur Verfügung steht, weil das Vermögen in vielen Fällen selber verbraucht wird oder verbraucht werden muss. Das liegt unter anderem daran, dass die immer älter werdenden Erblasser mehr und länger Geld zum Leben benötigen. Zudem gibt es mehr kinderlose Personen, die sich wenige Gedanken über ihr Erbe machen. Oder Kinder verfügen bereits selbst über ein auskömmliches Vermögen, sodass die Eltern eine Erbschaft nicht direkt ins Auge fassen.
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43 Prozent derjenigen, die bereits geerbt haben, haben sich nicht dazu beraten lassen. Inwieweit sind denn Banken in der Lage, im Rahmen der Nachlassplanung oder des Generationenmanagements, diesen Anteil zu verringern?
Wunderlich: Sowohl auf Seiten der Erblasser als auch bei den Erben besteht eine entsprechende Unkenntnis. Der Erbe weiß oft nicht, was er zu erwarten hat, da der Erblasser zeitlebens nicht über sein Vermögen spricht. Der Erblasser hingegen möchte keine Begehrlichkeiten wecken. Es gibt aber eine Vielzahl von Familien, in denen rechtzeitig über das Thema gesprochen wird. Dort lernen die Kinder, sich frühzeitig mit den Themen Finanzen verantwortungsvoll auseinanderzusetzen. Erfahrungsgemäß bleibt das Erbe dann auch eher erhalten. Wir als Bank können beziehungsweise dürfen letztendlich nur auf den Regelungsbedarf hinweisen, selber aber nicht beraten. Wir stellen dann einen Kontakt zu uns langjährig bekannten Notaren oder Steuerberatern in unserem Netzwerk her.
Im Schnitt beginnen die Befragten mit 56 Jahren, sich mit dem Thema Erben auseinanderzusetzen. Wird das Thema Erben oftmals noch zu spät angegangen?
Wunderlich: Erst ab einem gewissen Alter ist ein gewisses Vermögen vorhanden, über das es sich nachzudenken lohnt. Aber auch die sich ändernden Lebensumstände – Kinder aus dem Haus, erste Krankheiten, Vorbereitung auf den Ruhestand, weitere Lebensplanung, Zeit für Finanzen – tun ihr Übriges dazu. Sich früh Wissen im Bereich Finanzen, Steuern, Erbrecht anzueignen, wäre aus meiner Sicht wünschenswert. Über diesen rationalen und frühen Einstieg in die nicht so leichten Themen Tod und Erbschaft vermeide ich vielleicht spätere emotionale Fallstricke innerhalb der Familie. Ein offenes und frühzeitiges Gespräch aller Beteiligten wäre ideal, oftmals werden wir hier als neutraler Berater hinzugezogen.
Über die Studie:
Die repräsentative Studie der Quirin Privatbank „So (ver)erbt Deutschland 2024“, hat die Puls Marktforschung im August 2024 durchgeführt. Für die Erhebung wurden 3.532 Interviews in Deutschland, repräsentativ nach Alter, Geschlecht und Bundesland geführt. Die Studie ist die zweite dieser Art, die Quirin Privatbank hatte 2017 eine erste repräsentative Erhebung zum Thema Erben und Vererben durchgeführt. Die komplette Studie finden Sie hier zum Download.
Über den Interviewten:
Ralf Wunderlich ist seit 2007 für die Quirin Privatbank tätig. Wunderlich ist Vermögensberater an der Niederlassung Hannover und Erbschaftsexperte des Berliner Unternehmens. Frühere Berufsstationen waren die SEB, Oldenburgische Landesbank, Unicredit sowie die Deutsche Bank.
