Prof. Dr. Söhnholz ESG als Chance oder Gefahr für aktives Fondsmanagement?

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Wer profitiert und wer verliert von den langfristigen Trends zu mehr passiven Anlagen und zu mehr ESG-Anlagen?

Wenn die Trends zu passiven und ESG-Anlagen anhalten, werden Fondsanbieter mit diesen Schwerpunkten davon profitieren. „Aktive“ Manager müssen schon heute ESG-Aspekte für institutionelle Anleger berücksichtigen.

ESG wird meiner Erwartung nach immer wichtiger für aktive Manager werden, das heißt, ESG wird immer stärker die Allokation und die Titelselektion bestimmen (siehe zum Beispiel hier). Mit dem Trend zu passiven Anlagen wird zudem Druck auf die Kosten „aktiver“ Fondsanbieter ausgeübt. Das wird dazu führen, dass die komplette Wertschöpfungskette aktiver Anbieter optimiert werden muss.

Ich erwarte daher unter anderem, dass ähnlich wie schon Vanguard, Fidelity oder Schwab auch europäische Asset Manager zusätzlich zu ihren bisherigen Vertriebswegen „prozesseffiziente“ Robo-Advisors für ihre Vermittler und Endkunden anbieten werden (siehe hier).

Aktive Asset Manager, die frühzeitig auf ESG-Angebote und Automatisierung setzen, werden dabei Vorteile gegenüber anderen aktiven Managern haben. Aufgrund der großen Vielfalt möglicher ESG-Portfolios werden zudem die Vermögensverwalter im Vorteil sein, die auch kleine (ESG-)Portfolios effizient (risiko-)managen können.


Welcher Marktanteil passiver Anlagen zerstört die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte?

Ich denke nicht, dass Kapitalmärkte zusammenbrechen würden, selbst wenn sie 100 Prozent passiv im Sinne von regelbasiert wären. Hier meine Thesen im Detail:

Erstens: Aktives Management bringt im Schnitt dauerhaft keine Outperformance. Manche aktiven Manager werden künftig weiterhin zeitweise outperformen, aber es gelingt selbst Profis nur sehr selten, diese Manager vorab zu identifizieren.

Zweitens: Aktive Manager haben oft breite Produktpaletten unter denen es fast immer auch Outperformer für Vergangenheitsperioden gibt. Außerdem gibt es modische Anlagethemen. In beiden Kategorien wird Beratern/Vermittlern/Anlegern künftige Outperformance – unterlegt mit Marketingaufwendungen – suggeriert. Es wird daher weiter zahlreiche „aktive“ Angebote geben.

Drittens: Selbst bei einem Provisionsverbot werden Berater/Vermögensverwalter sich mit angeblich besonders guten Prognose- und/oder Selektionsfähigkeiten profilieren wollen. Sie werden dabei auch deshalb gerne aktive Fonds nutzen, unter anderem weil dadurch das Selektionsuniversum erhöht und die Transparenz für Anleger reduziert wird.

Viertens: ESG bietet aktiven Managern ein besonders interessantes Feld, weil es viele ESG-relevante News gibt, die genutzt werden können und weil einfach nachvollziehbare aktive Einflussnahme auf Emittenten genommen werden kann. Dabei ist von Vorteil, dass man nicht unbedingt beweisen muss, dass die News oder das Engagement die Performance erhöhen.


Über den Autor:

Professor Dr. Dirk Söhnholz, Gründer und Chef von Diversifikator, ist Honorarprofessor für Asset Management an der Universität Leipzig und Blogger. Diversifikator ist ein Online-Modellportfolioanbieter mit Fokus auf passive Multi-Asset- und pure ESG-Aktienportfolios.

 

 

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