Inflation, Zinsen, Rezession Die Selektion von Private-Equity-Fonds in Multikrisen-Zeiten

David Schäfer von Munich Private Equity Partners über die Selektion von Private-Equity-Fonds

David Schäfer von Munich Private Equity Partners über die Selektion von Private-Equity-Fonds: „Viele Investoren waren daraufhin gezwungen, ihr Engagement in Private Equity einzuschränken oder sogar zu rationalisieren.“ Foto: Munich Private Equity Partners

Wirtschaftskrisen sind kein neues Phänomen. Spätestens seit der Finanzkrise 2008 scheinen sie in Europa sogar zu einer Art Dauerzustand geworden zu sein. Einige Krisen kündigten sich schleichend an wie die Schulden- und Währungskrise ab 2010, andere kamen plötzlich wie die Brexit-Krise, ausgelöst durch das Referendum der Briten im Jahr 2016, oder die Coronakrise ab 2020. Private Equity hat sich inmitten all dieser wirtschaftlichen Herausforderungen als verlässliche Anlageklasse bei institutionellen Investoren etabliert, die nicht nur konstant hohe Renditen geliefert, sondern sich dank des langfristigen Investitionshorizont und der periodischen Bewertung der Assets außerdem gerade in Krisenzeiten als Stabilitätsanker in den Portfolios bewährt hat. 

Die Jahre 2014 bis 2019 waren für die Private-Equity-Branche die erfolgreichsten in ihrer Geschichte. In diesem Zeitraum flossen laut Global Private Equity Report der Unternehmensberatung Bain & Company knapp 3,2 Billionen US-Dollar in Buyout-Transaktionen. Selbst der Ausbruch der Covid-19-Pandemie im Frühjahr 2020 konnte diese positive Dynamik nur kurzfristig ausbremsen. 2021 sammelte die Beteiligungsbranche mit 1,2 Billionen US-Dollar erneut so viel Kapital ein wie nie zuvor. 

Drastischer Stimmungswandel und rückläufige Kapitalzusagen 

Doch das Jahr 2022 brachte für die Finanzmärkte eine Zäsur, die alle Anlageklassen betrifft und auch für Private Equity einige Veränderungen mit sich bringt. Denn seither sehen sich Investoren mit gleich mehreren simultan verlaufenden Herausforderungen konfrontiert, die sich addieren und gegenseitig verstärken. Die aktuelle „Multikrise“ begann im Februar 2022 mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine. Der Krieg stellte die Energiemärkte auf den Kopf, was die Inflation befeuerte und die Notenbanken zwang, die Leitzinsen zum ersten Mal seit mehr als einem Jahrzehnt stark anzuheben – auf aktuell 4,59 Prozent in den USA und 2,5 Prozent in Europa. 

 

An den öffentlichen Kapitalmärkten löste die Gemengelage aus Energiekrise, Inflation, Versorgungsengpässen und Zinswende einen drastischen Stimmungsumbruch aus und führte besonders bei Aktien zu starken Korrekturen. Die Bewertungen der Private-Equity-Fonds blieben zwar erneut weitgehend stabil – doch zum ersten Mal seit Jahren gingen die Kapitalzusagen deutlich zurück. Laut Daten des Analysehauses Preqin legten Investoren 2022 schätzungsweise 21,5 Prozent weniger Kapital in Private-Equity-Fonds an als im Vorjahr. 

Nach unserer Beobachtung lässt sich diese Entwicklung vor allem auf zwei Faktoren zurückführen:

1. Denominator-Effekt

Viele institutionelle Investoren – allen voran Versicherungen und Pensionskassen – haben Allokationsrichtlinien, die sie einhalten müssen. So darf zum Beispiel der Private-Equity-Anteil im Gesamtportfolio gewisse Schwellenwerte nicht überschreiten. Sinkt der Wert eines Portfolios nun aufgrund starker Verluste in einzelnen volatileren Anlageklassen wie etwa Aktien, können diese Investoren ihre dadurch formal „erhöhte“ Private-Equity-Allokation nicht mehr ohne Weiteres anheben.

Dieser Denominator-Effekt führte im vergangenen Jahr dazu, dass der Private-Equity-Anteil vielfach über diese zulässigen Schwellenwerte gestiegen ist. Viele Investoren waren daraufhin gezwungen, ihr Engagement in Private Equity einzuschränken oder sogar zu rationalisieren. 

2. Weniger Rückflüsse

Im vergangenen Jahr fanden vergleichsweise wenige Exits statt. Dadurch fielen auch die Rückflüsse der Private-Equity-Fonds an ihre Limited Partner niedriger aus als in den Vorjahren, und das Kapital fehlte entsprechend für Neuinvestitionen in die Anlageklasse. Das Multi-Krisenumfeld begünstigte diese Entwicklung auf drei Wegen: 

Erstens führten die volatilen Aktienmärkte dazu, dass sich viele Unternehmen mit Börsengängen zurückgehalten haben. Die Zahl der Initial Public Offerings (IPO) ist im vergangenen Jahr laut Daten der Unternehmensberatung EY um knapp 45 Prozent gesunken. Gerade bei Private-Equity Fonds aus dem Large- und Mega-Cap-Segment, wo IPOs ein häufiger Exit-Kanal sind, haben sich dadurch die Haltefristen verlängert.

Zweitens erschwert die Zinswende die Finanzierungsbedingungen für Fonds, wodurch sich Übernahmen schwieriger gestalteten. Und drittens führte das komplexe Makro-Umfeld dazu, dass viele Deals nicht vollzogen wurden, weil die Preisvorstellungen der Käufer und Verkäufer aufgrund der vielen offenen Variablen zu weit auseinanderlagen.

Welche Segmente sind im jetzigen Umfeld attraktiv?

Laut einer Umfrage des Finanzdienstleisters Natixis unter weltweit 441 institutionellen Investoren planen rund 43 Prozent, ihre Private-Equity-Allokation in diesem Jahr zu erhöhen. Die Anlageklasse ist als stabilisierender Baustein in Portfolien also nach wie vor gefragt, aber das Multi-Krisenumfeld hat den Spielraum für Private-Equity-Investitionen vorrübergehend verknappt. In der Folge mussten und müssen Investoren potentielle und bestehende Beteiligungen weitaus sorgfältiger als bisher dahingehend prüfen, ob sie den begrenzten Platz im Portfolio rechtfertigen. 

Auf der Suche nach attraktiven Nischen lohnt ein differenzierter Blick auf die verschiedenen Segmente des Marktes. Stabilere Rückflüsse können Investoren im sogenannten Lower-Mid-Market-Segment erwarten, also bei Private-Equity-Fonds, die sich auf kleine und mittelständische Unternehmen spezialisiert haben. Sie betrifft der geschrumpfte IPO-Markt kaum, da der Börsengang als Exit-Kanal eher eine untergeordnete Rolle spielt.

 

Die Einstiegsmultiplikatoren sind außerdem in der Regel geringer, was den beteiligten Managern eine solidere Finanzierungsstruktur mit niedrigeren Fremdkapitalquoten erlaubt. Sie sind von der Zinswende also tendenziell weniger betroffen als Fonds im Large- und Mega-Cap-Segment, die in der Regel stärker mit Leverage arbeiten und teilweise auf Grund höherer Bewertungen auch auf mehr Fremdkapital angewiesen sind. Hier könnte es bei der (Re-)Finanzierung zu Problemen kommen, sollten die Notenbanken an ihrem restriktiven Kurs festhalten.

Als besonders resilient in wirtschaftlichen Schwächephasen erweisen sich in der Regel Investitionen in Hidden Champions, also mittelständische Unternehmen mit starken Alleinstellungsmerkmalen, die in ihrer Nische zu den führenden Anbietern zählen. Viele dieser Unternehmen bieten Schlüsseltechnologien und -dienstleistungen an, für die es keine oder nur wenige Substitute gibt. Dadurch entwickeln sie sich vergleichsweise unabhängig von der gesamtwirtschaftlichen Lage.

Zugang und Diversifikation

Mittelständler sind außerdem agiler als Großkonzerne und tun sich leichter, sich an neue Situationen anzupassen. Das gilt vor allem, wenn sie von erfahrenen Private-Equity-Manager unterstützt werden. Teams mit nachweislich starker Performance über mehrere Fondsgenerationen und Konjunkturzyklen wissen in der Regel sehr genau, welche Entscheidungen in Krisen getroffen werden müssen, damit Unternehmen nachhaltig auf Wachstumskurs bleiben. Durch ihre oft tiefe Sektor- und Branchenexpertise fällt es ihnen zudem tendenziell leichter, Geschäftsmodelle losgelöst vom vorherrschenden Makro-Umfeld weiterzuentwickeln und über alle Marktphasen Potentiale zu heben. 

Ein krisenfestes Private-Equity-Portfolio zeichnet sich einerseits durch die Selektion eben dieser Top-Tier-Manager aus, andererseits aber auch durch eine wohl durchdachte Streuung über verschiedene Anlageregionen, Strategien und Vintage-Jahre. Gerade Investoren mit nur kleiner oder mittlerer Private-Equity-Allokation stellt das vor Herausforderungen: Der Aufbau eines diversifizierten Fondsportfolios in Eigenregie ist aufwendig und kapitalintensiv. Um die besten Fonds im jeweiligen Segment zu identifizieren, fehlt es diesen Investoren oft an Ressourcen und Fachwissen. Viele Fondsmanager fordern von ihren Limited Partnern außerdem Mindestzusagen in Millionenhöhe, die eine ausreichend hohe Private-Equity-Allokation für das gesamte Programm erfordern. 

 

Hinzu kommt: Die passenden Private-Equity-Fonds auszuwählen ist nur die halbe Miete, entscheidend ist auch der Zugang. Managementteams mit nachweislicher Expertise im Meistern konjunktureller und struktureller Verwerfungen sind extrem gefragt und beenden ihr Fundraising weiterhin in Rekordzeit und stark überzeichnet. Angesichts des zunehmend komplexen Makro-Umfelds dürfte sich die Nachfrage voraussichtlich noch stärker auf diese kleine Gruppe an Top-Performern konzentrieren. Für kleine und mittelgroße Häuser oder jene mit begrenzten internen Ressourcen bieten sich daher Private-Equity-Dachfonds als mittelbarer Zugang an. Sie ermöglichen mit einer einzigen Zeichnung bereits Zugang zu einem breit diversifizierten Fondsportfolio. 

Doppelte Stabilität in Krisen

Aus strategischer Sicht kann es für Investoren sinnvoll sein, jetzt in die Anlageklasse zu investieren. Die multiplen Herausforderungen führen zu tendenziell niedrigeren Bewertungen, Private-Equity-Fonds können sich also vergleichsweise günstig in Unternehmen einkaufen. Krisen eröffnen außerdem immer auch Chancen, durch vorausschauendes Handeln in neue Märkte zu expandieren oder bestehende zu konsolidieren. Wichtige Voraussetzung dafür ist neben der entsprechend tiefen Sektor- und Branchenexpertise auch ausreichend Liquidität. 

In der Finanzkrise 2008/2009 konnte man gut beobachten, welche Wirkung eine Kooperation zwischen Finanzinvestor und Unternehmen entfalten kann. Damals haben sich Private-Equity-finanzierte Unternehmen signifikant besser entwickelt als die Kontrollgruppe, wie eine gemeinsame Untersuchung der Universitäten Stanford und Harvard sowie der Northwestern Universität zeigt.

Demnach konnten Private-Equity-Fonds ihre Kapitalausstattung nutzen, um Portfoliounternehmen Eigenkapitalfinanzierungen abseits der Kreditmärkte anzubieten. Dank ihrer hervorragenden Bankbeziehungen waren sie zudem in der Lage in höherem Maße Fremdkapital zu organisieren. Dadurch hatten Private-Equity-finanzierte Unternehmen rund sechs Prozent mehr Kapital für Investitionen zur Verfügung und erholten sich nicht nur schneller, sondern auch nachhaltiger von der Krise. Sie fungierten damit als doppelter Stabilitätsfaktor – für Volkswirtschaften an sich und die Portfolios der Investoren. 


Über den Gastautor:
David Schäfer ist Mitgründer und Geschäftsführer bei Munich Private Equity Partners, kurz MPEP. Das Unternehmen bietet Private-Equity-Dachfonds mit Fokus auf Mid-Cap-Buyout in Europa und Nordamerika an. Er ist verantwortlich für das Portfoliomanagement und Mitglied im Investitionsausschuss. Davor arbeitete er bei verschiedenen Tochterunternehmen der Muttergesellschaft von MPEP. Schäfer ist Diplom-Kaufmann und sitzt in diversen Advisory Boards von Private-Equity-Fonds.

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