Hugo Thomas von Sienna Private Credit Wie sich das Verlustrisiko mit besicherten Private-Debt-Instrumenten veringern lässt

Hugo Thomas, Leiter der Kreditforschung bei Sienna Private Capital

Hugo Thomas, Leiter der Kreditforschung bei Sienna Private Capital: „Gläubiger sollten Sicherheiten festsetzen, etwa Assets oder Rohstoffe. Dies schützt vor Kapitalausfällen.“ Foto: Sienna Private Capital

Das wirtschaftliche Umfeld hat sich endgültig zu einer Stagflation gewandelt: In Europa dürfte die Inflation für dieses Jahr laut Marktkonsens 5,9 Prozent erreichen, für die Zinssätze der Europäischen Zentralbank rechnen Marktteilnehmer mit 4,0 Prozent und die Erwartungen für das Wirtschaftswachstum sind eher verhalten. Und obgleich die Zentralbanken tiefe Rezessionen am liebsten vermeiden würden, werden sie alles tun, um die Inflation in den Griff zu bekommen – auch auf Kosten des Wirtschaftswachstums.

Angesichts dessen sind die Ausfallraten bei Unternehmen dramatisch angestiegen. So verzeichnete Eurostat Ende 2022 die höchste Zahl an Kreditausfällen seit Beginn der Aufzeichnungen 2015. Gegenüber Ende 2021 betrug die Zunahme 27 Prozent. Bei europäischen hochverzinslichen Anleihen hat sich die Ausfallrate mit 4,3 Prozent im Dezember 2022 gegenüber dem Vorjahr mehr als verdoppelt. Und die Zahl dürfte noch weiter zunehmen: Die Ratingagentur Moody’s geht in ihrem Basisszenario davon aus, dass die Ausfallraten 2023/24 auf 4,6 Prozent steigen. Sollte es jedoch schlimmer kommen als erwartet, rechnet die Agentur mit 10,6 Prozent Kreditausfällen.

Ausfallraten steigen, Erlösquoten sinken

Wenn Schuldner zahlungsunfähig werden, können Kreditgeber einen Teil ihres Geldes zurückbekommen, indem unter anderem die hinterlegten Vermögenswerte verwertet werden. Den Anteil des wiedergewonnenen Kapitals stellt die Erlösquote dar. Dabei handelt es sich um eine wichtige Kennzahl, die die meisten Kreditrisikomodelle jedoch als zweitrangig betrachten oder gar ignorieren. Stattdessen konzentrieren sie sich auf Ausfallquoten. Was viele dabei übersehen: Die Erlösquoten sinken, wenn die Zahl der Kreditausfälle steigt – das belegen zahlreiche Beispiele aus der Geschichte.

 

Während die durchschnittlichen Erlösquoten für unbesicherte Kredite zwischen 1985 und 2020 rund 50 Prozent betrugen, sank die Erlösquote auf dem Höhepunkt der globalen Finanzkrise im Jahr 2008 beispielsweise auf 30 Prozent. Der Grund: Ein Schwall von Zahlungsausfällen löst Notverkäufe aus und erhöht das Angebot an notleidenden Vermögenswerten. Infolgedessen sinkt ihr Preis – und die Erlöse aus der Verwertung von Sicherheiten für Investoren sinken.  

Beschaffung von Fremdkapital wird schwieriger

Als wäre das nicht schlimm genug, könnte sich dieser Effekt in den kommenden Jahren noch zuspitzen. Denn die Zeit der billigen und bequemen Finanzierungen ist vorbei – und für Investoren wird es sich als schwieriger erweisen, für den Kauf von Vermögenswerten Fremdkapital einzusetzen. Gleichzeitig haben die Überfülle an Liquidität und die daraus entstandene Verhandlungsmacht der Emittenten in den vergangenen Jahren zahlreiche sogenannte „Cov-lite“-Finanzierungsstrukturen auf den Märkten geschaffen.

Solche Verträge – Covenants – sind dadurch gekennzeichnet, dass sie nicht die üblichen Schutzklauseln zugunsten des Kreditgebers wie die Einhaltung eines Verschuldungsgrades, ein Gewinnausschüttungsverbot oder einen Kapitaldeckungsgrad enthalten. Was jenen droht, die bei ihren Investments keine Sicherheiten integrieren, zeigen die jüngsten Verluste, die die Inhaber unbesicherter Anleihen von Orpea verzeichnen mussten.  

Sicherheiten schützen vor Verlusten bei Zahlungsausfällen  

Um sich vor solchen Verlusten zu schützen – zumal die Zahl von Kreditausfällen in nächster Zeit zunehmen dürfte – eignen sich besicherte Private-Debt-Instrumente besonders gut. Sie sind nicht nur weniger volatil als börsengehandelte Schuldinstrumente, und das bei einer Rendite, die mit der von hochverzinslichen Anleihen vergleichbar ist. Aktuell liegt die Liquiditätsprämie bei 150 Basispunkten. Sie gestatten es Investoren auch, bilateral bessere Bedingungen auszuhandeln – vor allem jetzt, wo sich das Blatt zugunsten der Gläubiger gewendet hat.

Dazu gehört auch, Sicherheiten festzulegen. Als Gläubiger besicherter Darlehen sind Investoren in einer einzigartigen Position: Sollte das Unternehmen, das sie finanzieren, insolvent werden, sind sie Besitzer der als Sicherheiten fungierenden Assets. Während Covenants auch dann immer noch sinnvoll sein können, sind sie für Investoren in besicherten Krediten dadurch nicht mehr zwingend nötig, um die Erlösquote zu steigern. Und auch die traditionelle Rangfolge bei Kreditgebern (Vorrang und Nachrang) spielt für Investoren besicherter privater Schuldtitel keine Rolle.