Private-Banking-Headhunter Klaus Biermann „Die Erhöhung der Gehälter war ein entscheidender Fehler“

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Das Jahrzehnt war geprägt von recht guten Performance-Möglichkeiten an den Kapitalmärkten. Hat die Branche die Zeit genutzt oder hat man Zukunftsthemen wie die Digitalisierung schlicht verschlafen? 

Biermann: Die gesamte Branche hatte durch die Kapitalmärkte einen gewissen Rückenwind, zugleich konnte man aber leider das Gefühl gewinnen, dass deshalb einige Marktteilnehmer die notwendigen Restrukturierungen nicht durchgeführt haben. Zuletzt wurde das Performance- und Ertragsumfeld wesentlich schlechter, begleitet durch die Erfolge der Passivindustrie und die steigenden regulatorischen Anforderungen und Kosten. Das macht Anpassungen schwieriger und schmerzhafter. Die Digitalisierung hat in den vergangenen Jahren zwar Einzug gehalten, der große Wurf ist aber noch nicht zu erkennen - dies wird sich in den nächsten ein bis zwei Jahren jedoch markant verändern. Prozesse und Tools werden das Handling und die Abwicklung wesentlich vereinfachen und Prozesse verschlanken. Dieser Umbruch kann durchaus sehr schnell kommen und den einen oder anderen Marktteilnehmer kalt erwischen.

Wer wird an Bedeutung gewinnen, wer verlieren? 

Biermann: Wir sind der festen Überzeugung, dass der persönliche Kontakt und die Sales-Funktion durch die Digitalisierung eher an Bedeutung gewinnen wird. Die Bereiche Middle Office, Legal & Compliance sind in Ihrer aktuellen Größe eher in Gefahr, an Wert und Rang zu verlieren. Auch externe Partner wie Anwälte oder Berater werden aufgrund der Kostensituation ihr unbeschwertes Leben nicht mehr weiterführen können. Die Blockchain-Technologie ist sicherlich einer der Treiber für die kommenden Jahre, um die Industrie komplett zu verändern. Ebenso bietet die Digitalisierung enormes Einsparpotential für unnötige Kosten. Wie weit dies gehen kann, ist noch nicht abzusehen.

Wie hat sich die Kostenseite der Branche entwickelt? Gibt es da ein Wahrnehmungsproblem, auch rund um Gehälterniveaus?

Biermann: Kurz gesagt: Die Kosten sind gestiegen, die Gehälter pauschal betrachtet auch. Dieses Spiel funktioniert aber nur so lange, wie die Märkte mitspielen und die Profitabilität steigt. Gehaltssteigerungen sind im Wettbewerb um die besten Kräfte durchaus vertretbar und auch richtig – allerdings müssen die Erträge und Erfolge entsprechend steigen. Hier sind die Erwartungen teilweise höher als die Ergebnisse. Die gestiegenen Fixgehälter könnten sich in einem noch schwierigeren Umfeld zu einem massiven Problem entwickeln – die Partikularinteressen des Einzelnen bis hinauf zur höchsten Ebene auch.

Apropos Gehälter im Asset Management: Wohin ging und wohin geht die Reise künftig in Sachen Vergütung?

Biermann: Wie gesagt sind die Gehälter im Asset Management in den vergangenen Jahren tendenziell gestiegen. Die zum Teil sehr großen Gehaltssprünge muss man aber im Verhältnis zu den äußerst erfolgreichen Akquisitionsbemühungen der entsprechenden Vertriebler betrachten. Mitarbeiter, die einen entsprechenden Mehrwert für ihre Arbeitgeber erwirtschaften, rechtfertigen auch überproportional hohe Gehälter. Einige Besetzungen verwundern dann aber doch und lassen Zweifel an der Fähigkeit einiger Arbeitgeber aufkommen, die richtigen Mitarbeiter auszuwählen. Dies war natürlich schon immer so, gewisse Fehler häufen sich jedoch zuletzt – der Leidensdruck, neue Mitarbeiter zu gewinnen, ist offenbar sehr hoch. Ja – es ist durchaus eine Industrie, die sehr viele Underperformer durchfüttert. Wir sind überzeugt, dass die Gehälter tendenziell sinken werden – diejenigen, die den Unterschied machen, werden hiervon aber nicht betroffen sein.

Wo sehen Sie derzeit den Digitalisierungsgrad im Asset Management?

Biermann: Wir stehen erst am Beginn und werden in den kommenden Jahren viele Neuigkeiten erleben. Es ist gut, dass die Asset-Management-Industrie nicht alle Gehversuche der Fintechs mitgemacht hat. Einige Ideen werden aber sicherlich noch viel beeinflussen. Es stellt sich die Frage, wieviel Mensch die Fondsindustrie überhaupt benötigt. Wir glauben, dass die Bereiche Portfoliomanagement und Sales eher profitieren werden. Die Gefahr durch Fintechs ist für Banken größer als für die Investmentmanagement-Industrie.