Stiftung ist nicht gleich Stiftung. In der Praxis führen auch andere Rechtsformen den Begriff „Stiftung“ im Namen, ohne dass hiermit eine rechtsfähige staatlich anerkannte Stiftung gemeint ist. So erfreuen sich auch unselbstständige Stiftungen oder gemeinnützige Körperschaften in der Rechtsform einer gGmbH (auch: Stiftung-gGmbH) wachsender Beliebtheit. Die Vorteile einer eigenen Rechtsfähigkeit kommen jedoch nur den staatlich anerkannten gemeinnützigen Stiftungen zu, sodass sich nachfolgender Beitrag mit der rechtsfähigen gemeinnützigen Stiftung befasst.
Hohe Bedeutung des Stiftungssektors
Allein in 2022 wurden insgesamt 693 neue Stiftungen in Deutschland gegründet, der Sektor der Stiftungsgründungen wuchs damit um 2,5 Prozent und die Zahl aller deutschen Stiftungen insgesamt auf 25.254 an. Die meisten Stiftungen gibt es nach dem Bundesverband Deutscher Stiftungen in Nordrhein-Westfalen (4.885), gefolgt von Bayern (4.418) und Baden-Wüttemberg (3.665). Über 90 Prozent der bestehenden Stiftungen in Deutschland sind gemeinnützige Stiftungen, die einen in der Satzung festgeschriebenen gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Stiftungszweck verfolgen.
Wesensmerkmale und Vorteile einer gemeinnützigen Stiftung
Eine gemeinnützige Stiftung ist eine Unterform der rechtsfähigen Stiftung des Privatrechts und erhält aufgrund ihrer ausschließlichen und selbstlosen Verfolgung gemeinnütziger Zwecke umfassende Steuervorteile. Anders als bei einer privatnützlichen Stiftung ist regelmäßig die Übertragung von Vermögenswerten des Stifters auf die gemeinnützige Stiftung ohne Belastung mit Schenkungsteuer möglich. Bei der laufenden Besteuerung ist die gemeinnützige Stiftung weitreichend von der Körperschaftsteuer, der Gewerbesteuer, Grunderwerbsteuer und der Umsatzsteuer befreit.
Voraussetzung für diese Steuerbegünstigung ist eine satzungsmäßige und tatsächliche ausschließliche und selbstlose Verfolgung eines der in der Abgabenordnung benannten steuerbegünstigten Zwecke aus den Bereichen Gemeinnützigkeit, Mildtätigkeit oder kirchlichen Zwecken. Dem allgemeinen Wohl dienende Zwecke sind beispielsweise Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur, Naturschutz und Landschaftspflege, Sport, bürgerschaftliches Engagement oder Ähnliches. Wichtig ist, dass der Kreis der Begünstigten offengehalten werden muss und nicht auf Einzelpersonen oder in sich abgeschlossene Gruppen verengt werden darf.
Das Gemeinnützigkeitsrecht sieht in engem Umfang für den Stifter und dessen nächsten Angehörigen die Möglichkeit vor, dass höchstens ein Drittel des Einkommens der gemeinnützigen Stiftung für deren Unterhalt, die Pflege ihrer Gräber und das Ehren ihres Andenkens verwendet werden darf. Aufgrund der damit verbundenen Unklarheiten empfehle ich interessierten Stiftern das gemeinnützige Engagement klar von privaten Interessen zu trennen und diese sogenannte „Drittel“-Regelung nur im Notfall zu nutzen.
Der altruistische Gedanke muss fortlaufend gelebt werden
Die gemeinnützige Stiftung muss ihre Mittel zeitnah für die Stiftungszwecke verwenden, um den Gemeinnützigkeitsstatus aufrechtzuerhalten. Eine zeitnahe Mittelverwendung ist gegeben, wenn die Mittel spätestens in den auf den Zufluss folgenden zwei Kalender- oder Wirtschaftsjahren für die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke verwendet werden. Die Mittelverwendung muss eine gemeinnützige Stiftung gegenüber der Stiftungsbehörde jährlich nachweisen. Es reicht daher nicht aus, in der Errichtungsphase eine sachgerechte Stiftungssatzung mit dem Finanzamt und der Stiftungsbehörde abzustimmen. Vielmehr muss der altruistische Gedanke fortlaufend gelebt werden.
Sollten behördliche Prüfungen zum Ergebnis kommen, dass keine Gemeinnützigkeit besteht beziehungsweise deren Voraussetzungen nicht mehr erfüllt werden, drohen im Einzelfall empfindliche finanzielle Einbußen und sogar möglicherweise haftungs- und strafrechtliche Konsequenzen. Ein Wegfall der Steuerbefreiung für Zuwendungen an die gemeinnützige Stiftung kann im Fall der Versagung der Gemeinnützigkeit mit Wirkung für die Vergangenheit für zehn Jahre nach Zuwendung erfolgen. In der Praxis führt dies mitunter zur Insolvenz der Stiftung. Eine satzungsgemäße Fördertätigkeit ist in der Praxis daher für gemeinnützige Stiftungen elementar.
Entgegen der Annahme, dass eine gemeinnützige Stiftung nur mit sehr viel Kapital gegründet werden muss und somit nur etwas für die „Großen“ ist, werden in der Realität viele Stiftungen mit wenig Kapital errichtet. Der Löwenanteil von etwa 83 Prozent wird mit weniger als 1 Million Euro Kapital gegründet.
Motive, eine gemeinnützige Stiftung zu gründen
Die Motive eine gemeinnützige Stiftung zu gründen sind so vielseitig wie das Spektrum der Stifter. Neben Einzelpersonen sind Unternehmerfamilien, Verbände oder öffentliche Institutionen Stifter einer gemeinnützigen Stiftung. Ihre Motive sind häufig eine Verbesserung der sozialen, wirtschaftlichen, ökologischen oder lokalen Lebensgrundlagen für die Allgemeinheit herbeizuführen. Betrachtet man die Gruppe der Einzelpersonen, so lassen sich die Motive für eine Errichtung einer gemeinnützigen Stiftung wie folgt kategorisieren:
- Der Stifter kann sein persönliches Herzensanliegen stärker umsetzen und mit einer klaren Rechtsform institutionalisieren.
- Der eigene Nachlass kann für gemeinnützige Zwecke gestaltet werden.
- Der Erhalt des Lebenswerks ist möglich, was man beispielsweise an der 1998 gegründeten Stiftung Hagenbeck sehen kann, die mit Hilfe von Spenden und testamentarischen Zuwendungen den Fortbestand des Hamburger Tierparks sichert.
- Für den Stifter bietet die Stiftungserrichtung die Möglichkeit mit Hilfe der Stiftung Spendengelder für den Förderzweck zu vereinnahmen und Förderprojekte umzusetzen. Mitunter kann der Stifter in diesem Feld lebenslang aktiv tätig sein und seine persönliche Erfüllung finden.
- Mit einer gewachsenen etablierten gemeinnützigen Stiftung können weitere gesellschaftspolitische Themen platziert werden und damit neben der primären Fördertätigkeit eine persönliche Botschaft in der Gesellschaft verfolgt werden.
- Die gemeinnützige unternehmensverbundene Stiftung kann unternehmerische Tätigkeit und Förderung bestimmter Unternehmensbereiche wie Forschung und Entwicklung miteinander verzahnen.
Der Weg zur gemeinnützigen Stiftung
Eine durchdachte gemeinnützige Stiftung ist Ausdruck gemeinnützigen Verantwortungsbewusstsein und zielt nicht auf kurzfristige Steuervorteile, sondern auf die langfristige zielgerichtete Förderung ab.
Es stellt sich daher stets die Frage, was die individuellen Wünsche und Ziele des Stifters sind und wie diese Förderziele verfolgt werden sollen. Leitfragen sind hierbei insbesondere:
- Möchte der Stifter selber in der Stiftung tätig sein?
- Soll die Stiftung Synergieeffekte nutzen können und beispielsweise durch Förderung der Wissenschaft und Forschung Erkenntnisprozesse anstoßen, die der Allgemeinheit zugutekommen?
- Gibt es schon genaue Vorstellungen von Zielgruppen, die gefördert werden oder Projekte die finanziert werden?
- Wie hoch ist das finanzielle Volumen der Stiftung?
- Wie wird die personelle Funktionsfähigkeit der Stiftung sichergestellt?
In der Praxis zeigt sich, dass Stifter häufig zunächst ihre persönliche oder unternehmerische Nachfolge regeln möchten, bevor sie sich auf ein gemeinnütziges Projekt einlassen. So sind etwa viele Unternehmer in ihrer Region nicht nur ein Arbeitgeber, sondern auch ein wichtiger Förderer in der Region beispielsweise von Sportanlagen, Bibliotheken und Fördervereinen. Damit das auch so bleibt und die gemeinnützigen Ziele ausgebaut werden können, muss zunächst der generationenübergreifende Erhalt des Unternehmens gesichert sein.
Hierbei kann eine unternehmensverbundene Familienstiftung, gemeinnützige Stiftung oder eine Kombination aus beiden Stiftungen (eine sogenannte Doppelstiftung) ein interessante Nachfolgelösung sein. Neben einer Nachfolgelösung kann mit einer gemeinnützigen Stiftung ein sinnstiftendes zukünftiges Betätigungsfeld des Stifters entstehen, insbesondere wenn er die Geschäftsführung seines operativen Unternehmens an die nächste Generation weitergegeben hat und sich allein seinen persönlichen Interessensgebieten widmen möchte.
Ist der Förderzweck gefunden, muss in einem nächsten Schritt die Stiftungssatzung der gemeinnützigen Stiftung konzipiert werden und hierbei die satzungsmäßigen Voraussetzungen der Abgabenordnung berücksichtigt werden. Insbesondere müssen die Satzungszwecke sowie die Art der Verwirklichung der Satzungszwecke so genau bestimmt werden, dass eine Überprüfung der Finanzverwaltung allein aufgrund der Satzung möglich ist. Insofern lohnt sich eine sorgfältige Ausgestaltung der Satzung einer gemeinnützigen Stiftung, um regulatorische Anforderungen und individuelle Förderziele der Stiftung in Einklang bringen zu können.
Neben formalen Aspekten steht bei der Satzungsgestaltung auch die spätere tatsächliche Geschäftsführung der Stiftung im Vordergrund. Hiermit gewinnen Stifter einer gemeinnützigen Stiftung Klarheit über die erforderliche Verwirklichung der gemeinnützigen Förderzwecke und können bereits bei der Satzungsgestaltung Einfluss auf Art und Umfang Ihres sozialen beziehungsweise gesellschaftlichen Engagements nehmen.
Prominente Beispiele
Das die Gemeinnützigkeit vielen Unternehmern am Herzen liegt, kann man an den zahlreichen gemeinnützigen Stiftungen erkennen, die durch Unternehmer oder andere Persönlichkeiten ins Leben gerufen wurden.
Prominente Beispiele sind das Naturkosmetikunternehmen Lavera, welches sich seit Jahren für unterschiedliche Klimaschutzprojekte engagiert und mit seiner Stiftung das „lavera Waldprojekt“ weiter ausbaut. Am Beispiel der Björn-Steiger-Stiftung kann man sehen, dass Einzelpersonen, die eine Stiftung als Andenken gründen damit sehr viel bewirken können. Der Sohn des Ehepaares Steiger kam 1969 bei einem Verkehrsunfall ums Leben, in einer Zeit, in der es keinen flächendeckenden Rettungsdienst gab. In der Stiftungssatzung ist als Ziel formuliert, „die Notfallhilfe in ihrem Gesamtbereich“ zu verbessern.
Die Stiftung startete mit einem Barvermögen von 25.000 Euro und ist heute eine der größten gemeinnützigen Stiftungen Deutschlands.Die Einführung der bundeseinheitlichen Notrufnummer 110/112 sowie die dazugehörige Leitstellenstruktur im Jahre 1973 zählt zu den größten Errungenschaften der Stiftung. Später engagiert sich die Stiftung in der Luftrettung, setzt sich für eine bundesweite Notrufnummer ein, finanziert die ersten Baby-Notarztwagen für Frühgeborene und ist heute weiterhin Vorreiter in dem Gebiet der Rettung.
Fazit
Die gemeinnützige Stiftung eignet sich für Stifter, die für sich die Entscheidung getroffen haben, dass die Erträge ihrer persönlichen Schaffenskraft oder ihrer unternehmerischen Tätigkeit einem gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Förderzwecken zukommen sollen. Hierbei kann die gemeinnützige Stiftung auch ergänzend neben einer Familienstiftung errichtet werden, um so das soziale Engagement der Stifterfamilie anteilig zu verfolgen. Bei mittelständischen Unternehmen oder kapitalmarktorientierten Gesellschaften stellt die gemeinnützige Stiftung einen interessanten Baustein dar, der eine klare Marktabgrenzung und Förderung des Selbstbilds eines Unternehmens (Corporate Identity) oder des Stifters erlaubt.
Über den Autor
Thorsten Klinkner ist Rechtsanwalt und Steuerberater. Er ist Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmerkompositionen (Eigenschreibweise: UnternehmerKompositionen). Die Rechts- und Steuerberatungskanzlei ist ein Spezialdienstleister für die Begleitung von Stiftern und Stiftungen im deutschsprachigen Raum. Klinkner entwickelt für Unternehmerpersönlichkeiten und vermögende Familien in einem vernetzten Beratungsansatz individuelle Stiftungsstrategien und schafft branchenübergreifend zukunftsorientierte Eigentümerstrukturen. Er ist zudem Stiftungsvorstand mehrerer unternehmensverbundener Familienstiftungen sowie einer unternehmensverbundenen gemeinnützigen Stiftung. Neben der Errichtung von Stiftungen, veröffentlicht er regelmäßig Bücher und Artikel rund um das Stiftungsrecht und dessen praktische Anwendung im In- und Ausland.