Moderne Portfoliotheorie Bayes kommt Markowitz zu Hilfe

Rémy Croisille (links) und Christophe Olivier vom Vermögensverwalter Finaltis

Rémy Croisille (links) und Christophe Olivier vom Vermögensverwalter Finaltis

Die sichtbarste Konsequenz der Probleme beim praktischen Umsetzen der Modernen Portfoliotheorie nach Harry Markowitz ist die extreme Konzentration der Wertpapierauswahl, die sich daraus ergibt. Tatsächlich wählt man eine kleine Anzahl von Aktien aus, für die die jüngsten Beobachtungen der Parameter besser sind als für den Rest. Das garantiert allerdings in keinster Weise, dass deren wirkliche Parameter anders oder gar besser als die der aussortierten Aktien sind.

Wenn der Portfoliomanager dem beschriebenen Konzentrationsproblem gegenüber steht, kann er es mit einer künstlichen Erhöhung der Diversifikation lösen. In diesem Fall werden zusätzliche Bedingungen oder Faktoren in den Auswahlprozess integriert, wie zum Beispiel:

  • Eine Obergrenze pro Aktie, Sektor oder Land;
  • Eine willkürliche Regel, die das Gewicht großer Positionen zugunsten kleinerer verringert.

Diese Lösung behandelt jedoch eher Symptome als Ursachen. Eine alternative Lösung wäre, zusätzliche Hypothesen aufzustellen wie:

  • Alle Korrelationen sind gleich null und alle Renditen sind gleich; dies führt zum Risk-Parity-Ansatz;
  • Renditen sind proportional zu ihren Volatilitäten; dies führt zum Maximum-Diversification-Ansatz.

Sind solche Hypothesen kohärent mit unseren Beobachtungen?

Nein, zumindest nicht im Aktienbereich. In dieser Studie schlagen wir daher einen dritten Lösungsweg vor, der auf dem Bayes-Theorem basiert. Von Reverend Thomas Bayes (lebte 1701 bis 1761) sind nur zwei Publikationen bekannt. Seine Arbeit über bedingte Wahrscheinlichkeitsrechnung wurde nach seinem Tod von einem seiner Freunde publiziert und später vom Mathematiker Pierre-Simon Laplace bestätigt.

In seiner einfachsten Form besagt das Bayes-Theorem:

P(A|B)=P(A) *P(B|A)/P(B)

Hierbei gilt für die beiden Ereignisse A und B:

  • P(A) ist die Wahrscheinlichkeit des Ereignisses A
  • P(A|B) ist die Wahrscheinlichkeit des Ereignisses A unter der Bedingung, dass B eingetreten ist

Bayes’ Erfindung einer Formel zur einfachen Berechnung bedingter Wahrscheinlichkeit ermöglicht die Wahrscheinlichkeitsschätzung basierend auf neuen Informationen zu revidieren.

Als Beispiel soll eine praktische Anwendung dienen:

Monty Hall, der Moderator der amerikanischen TV-Spieleshow „Let’s Make a Deal“ mit einem Auto als Hauptgewinn (dieser Fall ist auch bekannt als „das Ziegenproblem“), bat seine Gäste eins von drei geschlossenen Toren auszuwählen, wobei sich hinter zwei Toren eine Ziege als Trostpreis befand und hinter einem Tor das Auto.

Die Kandidaten wählten zunächst ein Tor aus, ohne es zu öffnen. Der Moderator, der wusste, wo sich das Auto befand, öffnete dann ein anderes Tor, hinter dem sich immer eine Ziege befand. Dann fragte er seinen Gast, ob er bei seiner ersten Wahl bleiben wolle oder ob er es vorzöge, das ausgewählte Tor zu wechseln. Sollte der Gast die Wahl des Tores beibehalten oder ändern, um seine Gewinnchance zu optimieren?

Generell gibt es zwei Gruppen von Antworten:

  • Es bleiben zwei (geschlossene) Tore übrig, jede mit der gleichen Gewinnwahrscheinlichkeit. Es ist also sinnlos zu wechseln.
  • Zu Beginn des Spieles betrug die Gewinnwahrscheinlichkeit ein Drittel. Eine Beibehaltung der Wahl bedeutet, dass die Gewinnwahrscheinlichkeit immer noch ein Drittel beträgt. Wenn man das Tor wechselt, wird man eine Gewinnwahrscheinlichkeit von zwei Drittel haben.

Es ist also besser, die Wahl des Tores zu ändern.

Es handelt sich hier um ein klassisches Problem der bedingten Wahrscheinlichkeit, das einfach mit dem Bayes-Ansatz zu lösen ist. Lassen Sie uns für dieses Beispiel annehmen, dass der Kandidat Tor 1 ausgewählt hat und dass der Moderator dann Tor 3 geöffnet hat. Der Moderator kann Tor 1 nicht öffnen, da es sich um das Tor handelt, welches der Kandidat ausgewählt hat.

Indem der Moderator ein zweites Tor öffnet, erhält der Gast (und wir) neue Informationen. Wenn wir diese Informationen korrekt berücksichtigen und die bedingte Wahrscheinlichkeitsrechnung verwenden, können wir, indem wir von Tor 1 zu Tor 2 wechseln, unsere Gewinnchancen von ein Drittel auf zwei Drittel deutlich erhöhen.

------------------------------------------------------------------------------------------
EXKURS: In der Sprache der Mathematiker

  • P(C2) die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Auto hinter Tor 2 befindet;
  • P(D3) die Wahrscheinlichkeit, dass der Moderator Tor 3 öffnet;
  • P(C2 | D3) die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Auto hinter Tor 2 befindet, unter der Bedingung, dass der Moderator Tor 3 öffnet;
  • P(D3 | C2) die Wahrscheinlichkeit, dass der Moderator Tor 3 öffnet, unter der Bedingung, dass sich das Auto hinter Tor 2 befindet.

Der Bayesianer stellt fest:

  • P (C2 | D3)= P(C2)*P(D3 | C2)/P(D3)= (1/3)*(1/1) /(1/2) = 2/3
  • P(D3 | C2)=1/1: der Moderator kann Tor 1 nicht öffnen, weil der Kandidat es ausgewählt hat und er kann Tor 2 auch nicht öffnen, weil er weiß, dass sich das Auto dahinter befindet: er muss Tor 3 öffnen.
  • P(D3)=1/2: der Moderator kann Tor 1 nicht öffnen, weil der Kandidat es ausgewählt hat; er hat dann zwei Wahlmöglichkeiten: Tor 2 oder 3.

------------------------------------------------------------------------------------------