Portfolioabsicherung Drei Lektionen vom Währungsmarkt aus dem Jahr 2022 und drei Erwartungen für 2023

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Auf Grundlage dieser Erfahrungen gibt es drei Hypothesen für 2023. Erstens werden die Fed und die EZB vor allem in der ersten Jahreshälfte weitere Zinserhöhungen vornehmen, wodurch sich ihr Realzinsnachteil verringert. Die US-Notenbank dürfte die Leitzinsen dabei eher moderat weiter anheben, danach sollte es eine längere Phase geben, in der die Inflation ohne monetäre Maßnahmen abflaut. Die EZB hingegen hat im Dezember deutlich gemacht, dass aus ihrer Sicht eine weitere deutliche Straffung erforderlich ist. Weitere Leitzinserhöhungen im Umfang von 150-200 Basispunkten scheinen bis zum Ende des Sommers ein realistisches Szenario zu sein.

In Kombination mit der – wenngleich langsameren – Anpassung der japanischen Geldpolitik erscheint unwahrscheinlich, dass die Führungsrolle der USA in Bezug auf Höhe und Schnelligkeit der geldpolitischen Straffungsmaßnahmen im Jahr 2023 lange Bestand haben wird. Das stärkt die Argumente für JPY-Devisen als Portfolio-Asset. Gleichzeitig sind mögliche Rücksetzer beim Dollar infolge rezessionsbedingter Verluste an den Kredit- und Aktienmärkten als Gelegenheiten zum Wiederaufbau von Engagements in der ersten Jahreshälfte anzusehen.

Zweitens: Während 2022 positive Realzinsen das knappe Gut waren, dürfte im Jahr 2023 die Fähigkeit, Wirtschaftswachstum zu generieren, Kapital anziehen. Die nachstehende Grafik fasst die Konsenserwartungen für 2023 im Vergleich zur durchschnittlichen Wachstumsrate der vorhergehenden zehn Jahre zusammen. Von den großen Ländern dürften nur Japan und Indien ein über dem Trend liegendes Wachstum erzielen, während für die übrigen Länder Schadensbegrenzung angesagt ist. Vor diesem Hintergrund könnte vor allem für Schwellenländer-Währungen die Nachhaltigkeit hoher Realzinsen ähnlich wichtig werden wie deren Höhe.

 

Konsenserwartungen für 2023 im Vergleich zur durchschnittlichen Wachstumsrate der vorhergehenden zehn Jahre © Allianz Global Investors / Bloomberg

 

Die dritte und letzte Hypothese für 2023 ist, dass die Wachstumsdynamik im Laufe des Jahres 2023 zum Unterstützungsfaktor für asiatische Währungen werden könnte. Die jüngsten Änderungen in der chinesischen Covid-Strategie dürften zu Jahresbeginn eine neue Infektionswelle auslösen, die die dortige Nachfrage beeinträchtigen wird. Dem gegenüber stehen jedoch umfangreiche politische Lockerungsmaßnahmen und die Aufhebung von Beschränkungen. Dies wiederum bietet die Aussicht auf eine stärkere wirtschaftliche Dynamik mit Übertragungseffekten auf lokale Handelspartner sowie Anbieter von Rohstoffen und Zwischenprodukten – zu einer Zeit, in der sich die restriktiven Auswirkungen der Fed- und EZB-Politik erst noch entfalten.

 

 

 

Die Schlussfolgerungen sind damit wie folgt: Eine allgemeine Wachstumsschwäche und sehr niedrige Realzinsen vor allem in den großen Industrieländern lassen zunächst ein Umfeld erwarten, in dem der Wunsch nach Kapitalerhalt stärker wiegt als der Risikoappetit. Wie bereits im Jahr 2022 spricht dies zu Beginn des Jahres 2023 für eine hohe Portfolioallokation in Dollar.

Im weiteren Verlauf des Jahres halten wir – anders als 2022 – jedoch eine stärkere Ausrichtung des Portfolios Richtung Asien für sinnvoll. Die Erholung des Yen könnte sich fortsetzen und im Laufe der Zeit dürfte die Wachstumsdynamik von China und von Währungen mit hohem China-Exposure unterstützend wirken. Der Euro hingegen dürfte 2023 relativ schwach bleiben, belastet durch die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine und den daraus resultierenden Terms-of-Trade-Schock. Nur ein – unerwartet – deutliches Nachlassen der geopolitischen Spannungen würde für eine stärkere Erholung sprechen. In einem derartigen Fall würde eine Risikoausweitung weg vom Dollar hin zu zyklischen Anlagen das dominierende FX-Thema werden.

Über den Autor: Sean Shepley ist Investmentstratege bei Allianz Global Investors. Er kam im Oktober 2022 von der

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