Viele Unternehmer in Deutschland engagieren sich über ihr Unternehmen hinaus und fördern gesellschaftliche Projekte, oftmals in ihrer Region. So wachsen mit den Unternehmen auch die Regionen rund um die Unternehmen. Dieses Engagement startet typischerweise mit kleineren finanziellen Zuwendungen an bestehende Organisationen und entwickelt sich dann über die Zeit weiter zur Förderung individueller Projekte, die dem Unternehmer oder der Unternehmerin besonders am Herzen liegen. Hierfür werden häufig gemeinnützige Organisationen gegründet.
Hierbei ist der Stifter- oder Zuwenderwille von zentraler Bedeutung, der so etwas wie das Vermächtnis des Zuwendenden ist. Er sollte im Rahmen der Detailplanung zur Errichtung einer gemeinnützigen Organisation und damit vor Beginn der Umsetzung des erarbeiteten Konzeptes so konkret wie möglich feststehen und gut durchdacht sein.
Aus dem Zuwenderwillen ergeben sich die Rahmenbedingungen für das gesellschaftliche Engagement des Zuwendenden. Er hat insbesondere Auswirkungen auf die Rechtsform und die Grundsätze für die Vergabe von Förderungen durch die Organisation sowie die finanzielle Ausgestaltung des Engagements und den steuerlichen Weg in die Struktur. Kurz gesagt: Der Stifter- oder Zuwenderwille gibt der Organisation die Richtung vor, denn ihre Organe sind daran gebunden. Diese Richtschnur auszuformulieren, stellt bei der Errichtung gemeinnütziger Organisationen erfahrungsgemäß die größte Herausforderung dar.
Die Entwicklung des Stifter- oder Zuwenderwillens als iterativer Prozess
Die Entwicklung des Zuwenderwillens erfolgt typischerweise anhand eines iterativen Prozesses. Dabei existiert zunächst nur eine grobe Vorstellung davon, die kontinuierlich weiterentwickelt wird und – durch die während dieses Prozesses gewonnenen Erkenntnisse – immer klarere Züge annimmt. Zur Erarbeitung des Stifter- oder Zuwenderwillens empfiehlt sich, Workshops unter Anleitung erfahrener Berater durchzuführen. Sie können gezielt Input zur korrekten Formulierung des Stifterwillens geben, was spätere Missverständnisse vermeidet. Am Ende des Prozesses steht ein präzise ausformulierter Stifter- oder Zuwenderwille.
In der Praxis hat es sich bewährt, solche Workshops off-site durchzuführen, das heißt an einem Ort außerhalb des Tagesgeschäfts. Das schafft eine produktive Atmosphäre, um Ziele des Engagements zu erarbeiten. Dieser alltagsunabhängige Ort gewährleistet zum einen ein höheres Maß an Verschwiegenheit. Zum anderen fällt es außerhalb des Büros oftmals leichter, aus dem Alltagsthemen zu entfliehen und sich vollkommen den Herzensangelegenheiten zu widmen.
Die Ermittlung des Zuwenderwillens hat mehrere Kompetenten, die sich abstrahiert als persönliche, rechtliche und steuerliche Komponenten zusammenfassen lassen. Diese Komponenten bilden eine Symbiose mit der finanziellen Strukturierung, entfalten untereinander Wechselwirkungen. Sie können mit bestimmten Werkzeugen in Einklang gebracht werden, die sicherstellen, dass die beabsichtigten Zwecke auch effektiv verfolgt werden können.
Die persönliche Komponente – Bestimmung des Tätigkeitsfeldes
In persönlicher Hinsicht sind zunächst die Werte und Überzeugungen sowie die Motivation des Zuwendenden für das gesellschaftliche Engagement herauszuarbeiten: ein enger Bezug zum Tierschutz, Berührungspunkte mit Hospizvereinen, positive Erfahrungen mit dem Zusammenhalt in bestimmten Organisationen oder das Bedürfnis, der Gesellschaft „etwas zurückgeben zu können“ – auch mehrfache Berührungspunkte sind möglich.
Erfahrungsgemäß wird philanthropisches Engagement häufig in den Bereichen Bildung, Kunst und Kultur, Sozialfürsorge und Gesundheitswesen verfolgt. Die persönlichen Faktoren sollten vom Zuwendenden konkret benannt und erläutert werden, dies kann später entscheidend sein. Erfahrene Berater können bei der Selbstreflexion helfen. Wenn die Organe der gemeinnützigen Organisation über die Förderung bestimmter Einzelprojekte entscheiden, haben sie sich am Stifter- oder Zuwenderwillen zu orientieren. Der Förderer kann diesen Organen dadurch Leitlinien für sein gesellschaftliches Engagement an die Hand geben.
Die Voraussetzungen zur optimalen Strukturierung
In steuerlicher Hinsicht sollten die beabsichtigten Zwecke des gesellschaftlichen Engagements bereits in der Planungsphase festgelegt werden. Daran anknüpfend kann beurteilt werden, ob die zu gründende Organisation in den Genuss von Steuererleichterungen für steuerbegünstigte Zwecke kommt. Diese Steuererleichterungen sind zum einen beim Weg in die Struktur und zum anderen bei der laufenden Besteuerung der Organisation relevant.
Aus rechtlicher Sicht sollten zudem der gewünschte Kapitaleinsatz sowie der geplante Zeithorizont für die beabsichtigten Projekte bereits im Rahmen der Planungsphase ermittelt werden. Hieraus können sich bestimmte Vorentscheidungen bezüglich der zukünftigen Rechtsform der Organisation ergeben. So sind insbesondere Stiftungen durch ihre rechtliche Eigenständigkeit grundsätzlich auf Dauer angelegt.
Die steuerlichen und rechtlichen Komponenten sollten mit der gewünschten finanziellen Ausgestaltung eine Symbiose bilden. Wichtige Aspekte hierbei sind die Mittelbeschaffung und Mittelverwendung. Mittelbeschaffung ist die Frage, woher die Mittel zur Förderung des gesellschaftlichen Engagements stammen. Das kann Auswirkungen auf die zu wählende Rechtsform haben, insbesondere wenn die Mittel aus dem Betrieb eines Unternehmens stammen sollen. Mittel können aber auch aus der Vermögensanlage oder durch Spenden generiert werden. Stiftungen erfordern durch ihre rechtliche Eigenständigkeit in der Regel ein mindestens sechsstelliges Grundstockvermögen.
Mittelverwendung bezeichnet die Art der Förderung gesellschaftlichen Engagements. Sie ist wichtig für die Beurteilung möglicher Steuerbegünstigungen nach Gemeinnützigkeitsrecht. Hierbei gilt es je nach Art der Mittelverwendung bestimmte Besonderheiten zu beachten. Dies gilt insbesondere, wenn die Förderung nicht direkt, sondern durch Unterstützung anderer Organisationen erbracht wird (wie die Förderung der Wissenschaft durch Zuwendung an Universitäten zur Vergabe von Stipendien). Im Regelfall werden die beabsichtigten Zwecke jedoch direkt durch Förderung eigener Projekte verfolgt.
Persönliche, rechtliche und steuerliche Komponenten in Einklang bringen
Die persönliche, rechtliche und steuerliche Komponente stehen untereinander in einer Wechselwirkung. Die Herausforderung bei der Errichtung gemeinnütziger Organisationen ist daher, die Komponenten miteinander in Einklang zu bringen, um eine effektive Zweckerfüllung zu ermöglichen. Hierfür stehen bestimmte Analyse-Verfahren zur Verfügung, die für die Evaluation der Zweckerreichung entwickelt wurden.
Nachträgliche Änderungen am Stifterwillen oder den Regelungen zur Mittelbeschaffung und -verwendung sind gemeinnützigkeitsrechtlich schwierig. Hier ist in jedem Fall eine erneute Abstimmung mit der Finanzverwaltung erforderlich. Bei Stiftungen müssen Zweckänderungen zudem durch die Stiftungsaufsicht genehmigt werden und sind nur unter engen Voraussetzungen zulässig. Daher empfiehlt es sich, bereits in der Planungsphase des Engagements eine Evaluation der Effektivität der Zweckverwirklichung durchzuführen.
Für die Ermittlung der einzelnen Ziele kann die Erstellung einer Zielpyramide hilfreich sein. Am Anfang steht in der Regel eine Vision. (zum Beispiel mehr Chancengleichheit einkommensschwacher Kinder). Aus dieser werden sodann die strategischen Ziele (Fokus auf Bildung) und operativen Ziele (Erweiterung des Angebots zur Leseförderung) entwickelt. Umgekehrt kann die Zielpyramide auch dazu dienen, ein Strauß von Einzelmaßnahmen unter einer gemeinsamen Vision zu bündeln. Diese Systematisierung kann später auch zur Erarbeitung von Förderprojekten verwendet werden (beispielsweise kostenloses Bücherangebot).
Ein wichtiges Werkzeug zur Ermittlung der Effektivität gesellschaftlichen Engagements ist die Nutzwertanalyse. Hierbei werden zunächst die beabsichtigten Ziele anhand der Wichtigkeit für den Zuwendenden bewertet. Anschließend wird prognostiziert, zu welchem Grad sich diese Ziele mit der beabsichtigten Gestaltung oder Kapitalausstattung voraussichtlich erreichen lassen. Kommt es hierbei zu einem Missverhältnis, etwa weil sich wichtige Ziele voraussichtlich nur unzureichend, andere Ziele dagegen gut erreichen lassen, kann bei der Festlegung der Ziele feinjustiert werden.
Für die Verfeinerung und abschließend konkrete Ausformulierung des Stifter- oder Zuwenderwillens empfiehlt sich zudem eine „Swot-Analyse“. Hierbei werden Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken des beabsichtigten Zuwenderwillens visualisiert und veranschaulicht, gewichtet und gegenübergestellt. Das erlaubt es, den Stifter- oder Zuwenderwillen mit Blick auf die konkrete Situation des Stifters (beabsichtigte Zwecke, beabsichtigte Kapitalausstattung) zu optimieren. So können zum Beispiel Gestaltungen entwickelt werden, die es erlauben, Chancen des beabsichtigen Konzeptes (beispielsweise Möglichkeit der zusätzlichen Mittelbeschaffung durch staatliche Förderungen) gezielt zu nutzen, um dessen Risiken (große Anzahl an Bedürftigen) zu verringern. Ebenso können bei der Formulierung des Stifter- oder Zuwenderwillens ungewünschte Limitierungen entdeckt und beseitigt werden. Bei einer unpräzisen Formulierung besteht die Gefahr, dass aufgrund unbeabsichtigter Auslegung durch die Organe der Organisation nicht die Zwecke erreicht werden, die der Zuwendende beabsichtigt.
Zum Abschluss: Zielvergleich
Zum Ende des Planungsprozesses sollte nochmals tiefgehend analysiert werden, ob der gemeinsam formulierte Stifter- oder Zuwenderwille mit den langfristigen Zielen des Zuwendenden übereinstimmt. So wird sichergestellt, dass der tatsächliche Wille des Zuwendenden nicht durch den Erarbeitungsprozess verändert wurde. Denn dieser muss zwangsläufig zur Sicherstellung der präzisen Formulierung sehr detailliert sein Bedauerlicherweise fand die Überlegung einer Einräumung eines freien Satzungsänderungsrechts zu Lebzeiten des Stifters keinen Eingang in das ab 1. Juli 2023 geltende neue Stiftungsrecht. Insoweit ist es anzuraten, eine höchstmögliche Konkretisierung des Stiftungszwecks spätestens nach Abschluss der Detailplanungsphase zu erreichen, da eine spätere Anpassung des Stiftungszwecks nach erfolgter staatlicher Anerkennung der Stiftung nur in sehr engen Schranken möglich ist
Über die Autoren:
Felix Link berät bei Rödl & Partner nationale und internationale Familienunternehmen und -unternehmer bei der Nachfolge. Seine Schwerpunkte sind gesellschafts-, erb- und stiftungsrechtliche sowie erbschaftsteuerliche Beratung.