Schroders-Strategen im Doppel-Interview „Passive Produkte fördern eine zunehmend erkennbare Konsolidierung in der Branche“

Im Vorfeld der Schroders Wealth Conference 2024 sprachen Alexander Prawitz (r.) und Max Bock mit Malte Dreher, dem Herausgeber des private banking magazins: In Zeiten des umfassenden Wandels werde aktives Fondsmanagement immer wichtiger, so ein Fazit.

Im Vorfeld der Schroders Wealth Conference 2024 sprachen Alexander Prawitz (r.) und Max Bock mit Malte Dreher, dem Herausgeber des private banking magazins: In Zeiten des umfassenden Wandels werde aktives Fondsmanagement immer wichtiger, so ein Fazit. Foto: Schroders

private banking magazin: „Die Welt im Wandel – Time for Active“ heißt die Schroders Wealth Conference 2024, die Ende Oktober erstmals in Frankfurt stattfindet. Füllt mir doch den Titel der Veranstaltung mal mit Leben. 

Alexander Prawitz: Die Veranstaltung beschäftigt sich mit den tiefgreifenden Veränderungen, die unsere globalen Märkte und Gesellschaften aktuell stark prägen. Diese Veränderungen lassen sich durch drei wesentliche Trends zusammenfassen: Dekarbonisierung, demografischer Wandel und Deglobalisierung. Diese Trends werden durch den technologischen Fortschritt, vor allem im Bereich der künstlichen Intelligenz, zusätzlich verstärkt und beschleunigt. 

In Zeiten dieses umfassenden Wandels wird aktives Fondsmanagement immer wichtiger. Nur durch gezielte Investitionen können Investoren direkt Einfluss auf Unternehmen nehmen und zum Beispiel zur Dekarbonisierung und zu nachhaltigen Veränderungen beitragen. Besonders in Ländern wie Deutschland und Österreich legen viele Menschen großen Wert auf eine aktive Mitgestaltung dieser Transformation. 

Und in solchen Zeiten des Umbruchs wird aktives Asset Management zunehmend wichtig? 

Prawitz: Ja, denn es werden nicht mehr alle auf der Gewinnerstraße unterwegs sein. Es wird Verlierer geben. In diesem Umfeld ist es umso wichtiger, nicht rigide einem oder verschiedenen Indizes zu folgen, sondern die Spreu vom Weizen zu trennen. Damit das erfolgreich gelingt, braucht es die Expertise von erfahrenen aktiven Fondsmanagern wie uns.

Max, an wen richtet sich eure Konferenz?

Max Bock: Wir möchten diese Konferenz zu einem festen Bestandteil unserer wichtigsten Vertriebspartner und Wholesale-Kunden in Deutschland etablieren. Um das zu erreichen, legen wir größten Wert auf die Auswahl hochkarätiger interner sowie externer Referenten und Experten. So wollen wir sicherstellen, dass die Inhalte der Konferenz sowohl informativ als auch inspirierend sind und den Besuchern einen signifikanten Mehrwert bieten.

Der Blick auf das Programm sieht schon mal vielversprechend aus.

Bock: Abwechslungsreich zusammengestellt, deckt es eine Vielzahl von aktuellen Themen ab, die speziell auf die Bedürfnisse und Interessen unserer „Wealth-Kunden“ zugeschnitten sind. Darüber hinaus verstehen wir die Veranstaltung als attraktive Netzwerkplattform für unsere Kunden. Netzwerken ist ein wichtiger Teil dieser Konferenz, da wir fest daran glauben, dass der Austausch von Erfahrungen und Ideen unter Gleichgesinnten zu wertvollen Erkenntnissen und neuen Perspektiven führen kann.

Alex, was sollen die Gäste mitnehmen?

Prawitz: Die Veranstaltung wird auf jeden Fall kein Produkt-Push, wie man das mitunter von einigen anderen Häusern kennt. Vielmehr werden unsere Experten einen breiten und tiefen Einblick in ihre Assetklassen geben, damit unsere Kunden mit einem wirklich Erkenntnisgewinn und neuen Ideen nach Hause gehen. Wir werden nach jeder Session auch genügend Zeit für Q&A lassen, damit wir in einen guten Dialog kommen. Die Zeit langwieriger, eventuell sogar eintöniger Frontalbeschallung ist vorbei. 

War nicht immer Zeit für aktives Management? Ganz besonders in 2022?

Prawitz: Ja und nein. Seit der Finanzkrise in 2008 hatten wir für über eine Dekade billiges Geld, denn die Notenbanken sind als Käufer zu quasi jedem Preis aufgetreten. In einer solchen Marktphase kann aktives Management zwar Mehrwerte bieten, allerdings funktioniert das reine Kaufen des Marktes in so einer Beta-Rally auch sehr gut.

Diese Ära ist seit einigen Jahren vorbei. Für uns Europäer war dabei das Jahr 2022 besonders relevant, da es von geopolitischen Spannungen, Inflation und Zinserhöhungen geprägt war. Aktive Manager konnten ihre Expertise nutzen, um Risiken zu managen und Ineffizienzen auszunutzen. Ich gehe davon aus, dass aufgrund der verschiedenen Unsicherheitsfaktoren sowie des vielen „Stupid money“ von Indextrackern die Volatilität auch in Zukunft erhöht bleiben wird. Aktiven Managern bieten sich weiterhin hervorragende Chancen, um Überrenditen zu erzielen. 

Eine „Change-Keynote“ vom Ex-VW-CEO Herbert Diess, die im Konferenzprogramm angekündigt wird, entbehrt ja nicht einer gewissen Ironie.

Prawitz: Verständlich [lacht], allerdings sehen wir die Teilnahme von Herrn Dr. Diess als ehemaligem VW-CEO an unserer Konferenz in einem anderen Licht. Unser Ziel ist es, führende Persönlichkeiten einzuladen, die tiefgreifende Erfahrungen mit Transformationsprozessen in der Wirtschaft haben. Herr Dr. Diess hat während seiner Zeit bei Volkswagen bedeutende Veränderungen eingeleitet, insbesondere den Wandel hin zur Elektromobilität. Diese Erfahrungen – mit allen Herausforderungen und Lernkurven – sind auch für unsere Industrie äußerst wertvoll. Zudem beschäftigt sich Herr Dr. Diess als Aufsichtsratsvorsitzender von Infineon sowie über seine Engagements in zahlreichen Technologie-Start-ups ständig mit hochrelevanten und zukunftsgerichteten Themengebieten. Letztendlich geht es uns darum, unseren Konferenzteilnehmern vielfältige und praxisnahe Einsichten zu bieten. Die Erfahrungen von Herrn Dr. Diess, sowohl die positiven als auch die herausfordernden, tragen zu diesem Ziel und unserem Konferenzmotto „Die Welt im Wandel“ bei. 

Ein gutes Stichwort: Wie positioniert ihr euer aktives Fondsmanagement in einem Umfeld zunehmender Beliebtheit von passiven ETFs?  

Prawitz: Aktives Fondsmanagement hat in den letzten Jahren Marktanteile an ETFs verloren, doch der anfängliche exponentielle Wachstumstrend der ETFs hat sich abgeflacht. Beide Ansätze haben ihre Daseinsberechtigung. ETFs eignen sich gut für Anleger, die lediglich eine marktbreite Rendite („Beta“) anstreben, während aktive Fonds für diejenigen interessant sind, die auf eine Überrendite („Alpha“) abzielen. 

Unsere internen Auswertungen zeigen, dass wir über drei und fünf Jahre hinweg in 60 beziehungsweise 77 Prozent der Fälle nach Kosten die Benchmark übertreffen oder unser Anlageziel erreichen. Diese Ergebnisse veröffentlichen wir auch regelmäßig in unseren Jahresberichten. Natürlich erreicht man nicht immer alle Ziele, aber wenn man überwiegend erfolgreich ist, erzielt man signifikante Vorteile gegenüber passiven Strategien über die Zeit. Und genau darauf kommt es beim langfristigen Kapitalaufbau letztlich an.

Max, wie ist das Mindset eines Sales-getriebenen Managers im Spannungsfeld Aktiv vs Passiv?

Max Bock: Vorweg, es lässt sich nicht leugnen, dass es aktuell für die gesamte aktive Fondsindustrie aus verschiedenen Gründen herausfordernd ist. Auf der Produktseite ist die Flut passiver Produkte sicherlich einer der Gründe. Grundsätzlich gibt es meines Erachtens auch keine zwei Meinungen darüber, dass passive Investmentlösungen absolut sinnvolle Investitionsvehikel für Investoren sein können. Ein Spannungsfeld könnte man höchstens dort wahrnehmen, wo es einseitige, glorifizierende Darstellungen von „passiven Lösungen“ und undifferenzierte, negative Darstellungen von „aktiven Lösungen“ gibt.

Produkte, die einen negativen Deckungsbeitrag erwirtschaften, werden sicherlich weiterhin dazu führen, dass Margen schrumpfen. Am Ende fördern passive Produkte eine zunehmend erkennbare Konsolidierung in der Branche. Sie führen aber ebenso zu einer Stärkung von „High quality-Active“ und des Fokus auf die Private Markets.

Das Mindset eines Sales-Experten im aktuellen Umfeld kann also nur besonnen und reflektiert sein aber nichtsdestotrotz aufrecht und selbstbewusst, denn Qualität und Diversifikation werden sich durchsetzen, sowohl bei Produkten als auch bei Sales.

Wie können aktive Fondsmanager in Zeiten erhöhter Marktvolatilität Mehrwert für Anleger schaffen?

Prawitz: Wir müssen als aktive Manager liefern, was wir versprechen – und das betrifft nicht nur innovative Finanzprodukte, sondern vor allem auch eine starke Performance in den Kernanlageklassen. Sowohl Kunden als auch Regulierungsbehörden erwarten, dass wir einen klaren Mehrwert schaffen und diesen auch konsequent erbringen. Unsere eigene Global Investor Study hebt hervor, wie wichtig aktives Fondsmanagement für viele Anleger ist, besonders in unsicheren Zeiten wie diesen. Aktives Management ist entscheidend, um eine positive Anlagerendite zu erzielen. Unser oberstes Ziel bei Schroders ist es dabei, Kapital in nachhaltige und zukunftsfähige Unternehmen zu lenken und so den positiven Wandel in der Welt voranzutreiben. 

Welche Innovationen im Bereich der Finanzprodukte plant Schroders, um den sich wandelnden Bedürfnissen der Anleger gerecht zu werden?

Prawitz: Wir wollen Bestehendes stetig besser machen, Performance liefern, die Demokratisierung von Private Assets vorantreiben und im engen Dialog mit unseren Kunden stehen, um mit ihnen gemeinsam die relevantesten Lösungen für ihre Kunden zu entwickeln und maßzuschneidern. Alles unter unserem Credo: „Me too“ oder „More of the same“ are over.

Für die Kundenansprache stehst auch du, Max, seit Kurzem unter Vertrag. Du kommst von der DWS zu einem angelsächsischen Haus. Was waren deine Beweggründe zu wechseln? 

Bock: Ich hatte nach meiner Rückkehr von Goldman Sachs sieben tolle Jahre bei der DWS. Ich bin sehr dankbar für das Vertrauen, das mir dort von vielen Menschen entgegengebracht wurde. Inzwischen bin ich 45 Jahre alt und wollte mich beruflich weiterentwickeln und breiter aufstellen – wir sprachen ja bereits über das Mindset eines Sales-Managers. Mit der Verantwortung für das Wealth Segment in Deutschland und Österreich haben mir Alexander Prawitz und Karine Szenberg, Global Head of Client Group, diese Möglichkeit gegeben – bei einer absoluten Top-Adresse unserer Industrie. 

Was zeichnet Schroders für dich aus? 

Max Bock: Die 220-jährige Geschichte einer der weltweit führenden Investmentgesellschaften. Eine Familie im Hintergrund, die für einen langen Atem in einer schnelllebigen Welt und damit für langfristige, nachhaltige Investments, auch in herausfordernden Zeiten bürgt. Schroders bietet als rein aktiver Manager ein starkes und diversifiziertes Produktangebot, das Aktien, Anleihen, Immobilien, alternative Investments und Multi-Asset-Strategien umfasst, betreut von einem starken Team. Die breite Diversifikation ermöglicht es, maßgeschneiderte Anlagestrategien für die verschiedensten Kundenbedürfnisse anbieten zu können oder maßgeschneidert zu entwickeln.

Ordne mir doch mal ein paar Modethemen ein: ESG.

Bock: Die nachhaltige Geldanlage bringt eine hohe Komplexität mit sich, auch für den Berater im Beratungsprozess mit seinen Kunden. Aufgrund der umfassenden Regulatorik sehen sich Asset Manager wie auch Vertriebspartner einem hohem Kosten- und Verwaltungsdruck konfrontiert. Zugleich gibt es (noch) keinen einheitlichen Industriestandard. Nachhaltiges investieren ist vereinzelten Kunden in Deutschland wichtig, vor allem der jüngeren Kundschaft. Allerdings ist die Nachfrage nach rein nachhaltigen Investments derzeit eher verhalten.

Thematic? 

Bock: In den letzten Jahren waren Growth-Aktien bei Anlegern en vogue. Themeninvestments haben oftmals einen großen Anteil an diesen Wachstums-Titeln im Portfolio. Nachdem sich die Wachstumserwartungen abgeflacht und diese Titel Rücksetzer hatten, haben wir auch starke Abflüsse von thematischen Fonds in Deutschland sehen können. Nichtsdestotrotz spielen thematische Investments eine entscheidende Rolle: Sie emotionalisieren ein Investmentthema und helfen so, für Veranlagungen zu begeistern. Wichtig ist hierbei, dass es sich nicht um bloße Modethemen handelt, sondern Kunden darauf achten, auf die strukturellen Wachstumsthemen der nächsten Dekade(n) zu setzen. Daher bin ich überzeugt davon, dass Thematics dieser Art auch wieder den Anklang der Kundschaft finden werden.

Multi Asset. 

Bock: Die Königsklasse des Investierens. Es handelt sich um eine umfassende Palette an Anlageprodukten und -lösungen, die weit mehr umfasst als die einfache Mischung aus Aktien und Renten.  Auch hier gab es in Deutschland große Ausflüsse über die letzten 18 Monate. Nichtsdestotrotz bin ich überzeugt von der Anlageklasse, besonders von jenen Multi-Asset Fonds die das Marktrisiko aktiv managen und es so schaffen nachhaltig Überrenditen zu erwirtschaften. Solche Fonds eignen sich hervorragend zum langfristigen Kapitalaufbau, insbesondere für Kleinst- und Kleinanleger, sowie als Basisinvestment für vermögendere Kunden.

Alexander, zum Schluss noch eine Frage zum Boom-Thema KI. Welche Rolle spielt sie bei Investitionsentscheidungen im aktiven Fondsmanagement?

Prawitz: Wir bei Schroders setzen KI nicht ein, um Menschen zu ersetzen, sondern um einen Informationsvorsprung bei Investitionsentscheidungen zu schaffen und sie produktiver zu machen. Immerhin sind die Datenmengen, die Fondsmanager und Analysten tagtäglich verarbeiten müssen, in den vergangenen Jahren um ein Vielfaches gewachsen. So helfen wir unseren Experten mit Natural Language Processing (NLP), das Lesen großer Textmengen zeiteffizienter zu bewerkstelligen und damit Erkenntnisse zu gewinnen, die sonst vielleicht verborgen geblieben wären. Natürlich gibt es in der Branche Fonds, die algorithmische KI-Handelsstrategien einsetzen. Aber die Welt des Investierens ist nicht an ein klares Regelwerk und perfekte Datensätze gebunden. Die erforderlichen Informationen und Beurteilungen gehen weit über das hinaus, was die KI derzeit leisten kann.

Gerade auch im Vertrieb kommt es auf Authentizität und das menschliche Miteinander an. Max, woran möchtest du dich nach einem Jahr messen lassen?

Bock: Am Feedback meiner Kunden und meines Teams mit Blick auf die Markenwahrnehmung von Schroders in Deutschland und Österreich. Und dafür ist persönliches Zutun unerlässlich. Alex hat das vorhin sehr schön ausgedrückt: „Der Austausch von Erfahrungen und Ideen unter Gleichgesinnten kann zu neuen Perspektiven und wertvollen Erkenntnissen führen.“


Zu den Interviewten: 
Alexander Prawitz ist seit dem 1. Januar 2023 Leiter der deutschen Niederlassung von Schroders und damit für das deutsche Geschäft, sowie für 14 weitere europäische Märkte verantwortlich. Zuvor leitete er das Geschäft von Schroders in Zentral- und Osteuropa sowie im Mittelmeerraum. Prawitz kam 2007 zu Schroders und hatte im Laufe seiner Karriere verschiedene internationale Positionen inne, darunter Business Development Manager für Deutschland, Österreich und Luxemburg sowie eine Führungsrolle in Hongkong, wo er internationale Bank- und Versicherungskunden in der Asien-Pazifik Region betreute.

Max Bock hat ab dem 1. Juli 2024 die Position des Head of Wealth Clients Germany & Austria bei Schroders übernommen. In seiner neuen Rolle verantwortet er das Key Account Management für Kernkunden in Deutschland und Österreich. Vor seinem Wechsel zu Schroders war Bock bei der DWS tätig, wo er als Head of Deutsche Bank, Third Party Banks, Discretionary Portfolio & Asset Managers fungierte. Zuvor war er bei Goldman Sachs Asset Management tätig, von 2010 bis 2017 als Head of Bank Distribution und später als Head of Key Accounts.

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