Welche Trends treibt die Branche der unabhängigen Vermögensverwalter in Deutschland um? Das misst das Institut für Vermögensverwaltung (InVV) an der Technischen Hochschule Aschaffenburg in einer jährlichen Studie. Die Wissenschaftler um Professor Hartwig Webersinke führen sie seit 2014 durch. In einer aktuellen Panelstudie zeichnen die Forscher nun nach, wie sich die Branche auf lange Sicht entwickelt hat. Basis der Untersuchung waren jene Vermögensverwaltungen, die in den vergangenen elf Jahren regelmäßig oder mit maximal einer Unterbrechung an den Befragungen teilgenommen haben.
Demnach verbringen Vermögensverwalter heute deutlich mehr Zeit im direkten Kontakt mit ihren Kunden als noch vor zehn Jahren. 2014 gaben die Befragten an, ein Drittel ihrer täglichen Arbeitszeit im Austausch mit Kunden zu verbringen. 2024 sind es schon knapp 46 Prozent – fast die Hälfte aller Arbeitsstunden.
Die Entwicklung spiegelt sich auch in der Mitarbeiterstruktur wider. In unabhängigen Vermögensverwaltungen arbeiten heute deutlich mehr Mitarbeiter im direkten Kontakt mit Kunden. Gleichzeitig ist die Zahl derer, die sich rein mit dem Portfoliomanagement beschäftigen, zurückgegangen. Die Aschaffenburger Forscher sehen dafür zwei Hauptgründe: „Zum einen ermöglichen effizientere Prozesse im Back Office, insbesondere durch die Digitalisierung, mehr Zeit für die Kundenbetreuung. Zum anderen zeigt sich in größeren Häusern eine zunehmende Spezialisierung.“ Wenige Experten kümmerten sich ausschließlich um das Portfoliomanagement, während die Mehrheit direkt mit den Kunden arbeite.
Zahl der Mitarbeiter und Kunden steigt
Zudem beschäftigen die Häuser immer mehr Mitarbeiter: Während 2014 der durchschnittliche Vermögensverwalter noch gut sieben Mitarbeiter hatte, sind es aktuell mehr als zwölf. Der Trend in der Vermögensverwaltung verschiebe sich „weg von einer Vielzahl kleiner Anbieter hin zu größeren und stabileren Strukturen“, stellen die Studienautoren fest.
Vermögensverwalter machen sich weniger Konkurrenz
Der Wettbewerb unter Vermögensverwaltern ist im Untersuchungszeitraum zurückgegangen. Gaben in den Anfangsjahren noch ein Drittel bis die Hälfte aller Befragten an, Kunden an konkurrierende Vermögensverwaltungen verloren zu haben, sagt das aktuell nur noch jeder Fünfte. Das liege vor allem an den klassischen Banken und Sparkassen, die sich aus der individuellen Vermögensverwaltung zurückgezogen haben, interpretieren die Studienautoren. Unabhängige Häuser könnten neue Kunden gewinnen, „ohne dass dies zu Lasten der Mitbewerber geht“. So kommen die heutigen Neukunden vor allem von Geschäftsbanken und Sparkassen, weniger von den Genossenschafts- oder Privatbanken.
Das bedeutet gleichzeitig, dass unabhängige Vermögensverwalter immer mehr Kunden betreuen. In elf Jahren hat sich die Zahl fast verdoppelt. Und auch das betreute Vermögen wächst: von 150 Millionen auf mehr als 400 Millionen Euro pro Anbieter. Dieses Wachstum sei „bemerkenswert konstant“ – auch angesichts von volatilen Märkten, merken die Forscher an.
Ebenfalls verschoben haben sich die Anlagestrategien, darunter besonders auffällig die regionale Allokation: Rund die Hälfte des Durchschnittsportfolios besteht zwar weiterhin aus Aktien – wobei es 2014 eher 40 Prozent waren. Dabei hat sich der Fokus von deutschen Titeln jedoch zu amerikanischen verlagert. Die einen wurden quasi durch die anderen ersetzt: 2014 hatten deutsche Aktien einen Anteil von 32 Prozent, 2024 nur noch von 16 Prozent. Der Anteil von US-Titeln stieg im selben Zeitraum von 16 Prozent auf 35 Prozent.
Herausfordernd und zeitaufwendig bleibt die Regulatorik. Die Anforderungen von Gesetzgeber und Verwaltung nehmen etwa ein Viertel der Arbeitszeit in Anspruch – und das recht konstant: Seit 2014 ist die hierfür aufgewendete Zeit nur minimal gestiegen. Allerdings klafft eine Lücke zwischen subjektivem Empfinden und objektiver Messung. Denn viele Befragte haben das Gefühl, dass sich der Zeitaufwand sogar sehr deutlich erhöht habe.
Verschoben haben sich auch die Einnahmequellen. Immer mehr Vermögensverwalter leiten Bestandsprovisionen, die Fondsgesellschaften an den Vertrieb zahlen, mittlerweile an ihre Kunden weiter. Dadurch seien diese Rückvergütungen als Einnahmequelle „nahezu verschwunden“. Die Aschaffenburger Forscher führen das auf das regulatorische Umfeld zurück: Immer wieder wurde in den vergangenen Jahren über ein allgemeines Provisionsverbot diskutiert. Das scheint viele Vermögensverwalter veranlasst zu haben, ihr Geschäftsmodell zu überdenken. Insgesamt sind die Häuser gegen ein mögliches Provisionsverbot heute besser gewappnet als noch 2014.
Als positiv deuten es die Forscher auch, dass nur jeder zehnte Euro, den Vermögensverwalter einnehmen, aus erfolgsabhängigen Gebühren stammt. Dieser Anteil ist seit 2014 recht stabil geblieben. Die meisten Einnahmen kommen dagegen aus erfolgsunabhängigen Honoraren. Die Forscher loben: Mit diesem Vergütungsmix sind Vermögensverwalter auch in schlechten Börsenphasen solide aufgestellt.
Kundenstruktur bleibt konstant – mit einer Ausnahme
Eine erstaunliche Konstante zeichnet sich in der Kundenakquise ab: Während die Häuser zunehmend digital kommunizieren und dabei auch auf soziale Medien setzen, kommen auf diesem Weg kaum neue Kunden ins Haus. Vielmehr sind es – in elf Jahren unverändert – persönliche Empfehlungen, die Vermögensverwaltern die meisten Neukunden bescherten. Mehr als 90 Prozent kämen hierüber, schätzen die Befragten, 2014 wie heute.
Bemerkenswert konstant bleibt auch die Kundenstruktur, zum Beispiel im Anteil der Geschlechter: Rund 60 Prozent Männer, rund 40 Prozent Frauen, 2014 wie heute. Dass sich viele Häuser aktiv um mehr Kundinnen bemühen, spiegeln die Zahlen nicht wider. Ebenso sind es konstant überwiegend Privatpersonen, die Kunden bei Vermögensverwaltern sind. Unternehmenskunden machen nach wie vor weniger als 10 Prozent aus. Noch etwas niedriger ist der Anteil, den Stiftungen einnehmen. Hier sehen die Studienautoren noch deutliches Zuwachspotenzial.
Verändert hat sich dagegen die Altersstruktur. Der Durchschnittskunde ist heute älter als vor elf Jahren. So stieg der Anteil der über 70-Jährigen von 15,6 Prozent auf 21 Prozent. Die Jüngeren, besonders die unter 30-Jährigen und die 30- bis 40-Jährigen, machen dagegen konstant 7 bis 10 Prozent aus. Vermögensverwalter benötigten neue Strategien, um die Nachfolgegenerationen als Kunden zu gewinnen, raten die Studienautoren. Wie das zu bewerkstelligen sei, halten sie jedoch im Vagen: Entscheidend seien „attraktive Angebote und Dienstleistungen, die speziell auf die Bedürfnisse und Möglichkeiten jüngerer Klienten abgestimmt sind“.
Nicht zuletzt gibt die Panelstudie auch einen Einblick in die Anlageergebnisse, die unabhängige Vermögensverwalter erwirtschaften. So liegt die durchschnittliche Rendite für den Untersuchungszeitraum bei 5,1 Prozent, abzüglich Kosten bei 4,2 Prozent. Hiervon ist allerdings noch die Steuer abzuziehen.
Über die Umfrage des InVV
Die jährliche Umfrage des InVV richtet sich an banken- und versicherungsunabhängige Vermögensverwaltungen, die eine deutsche Erlaubnis für die Finanzportfolioverwaltung nach Wertpapierinstitutsgesetz (WpIG) besitzen. Das Institut ist an der TH Aschaffenburg angesiedelt und wird von der Münchner V-Bank finanziert.