Kritik an Oxfam-Forderung „tax the rich“ Reichensteuer soll Demokratie und Klima retten

Auch die Sternsinger von Attac empfehlen: "tax the rich". Sie nutzten den Empfang der Sternsinger am 07. Januar im Bundeskanzleramt für ihre Aktion.

Auch die Sternsinger von Attac empfehlen: "tax the rich". Sie nutzten den Empfang der Sternsinger am 07. Januar im Bundeskanzleramt für ihre Aktion. Foto: Imago / epd

Seit 2020 haben die fünf vermögendsten Männer der Welt ihr Vermögen mehr als verdoppelt, während fast fünf Milliarden Menschen zur gleichen Zeit ärmer geworden sind. So Oxfam in seinem aktuellen Bericht.

Diese soziale Ungleichheit untergrabe die Demokratie und „trägt maßgeblich dazu bei, dass die Klimakrise sich zu einer Katastrophe ausweitet“. Der Verein schließt sich deshalb der Initiative „Tax the rich“ an, und fordert ebenfalls eine „europäische Vermögenssteuer für Superreiche“.

Oberes 0,1 Prozent besitzt ein Fünftel des gesamten deutschen Vermögens

Doch zunächst zu den Zahlen: „Das weltweit reichste Prozent besitzt fast die Hälfte allen Vermögens, die ärmere Hälfte der  Weltbevölkerung mit weniger als einem Prozent so gut wie nichts“, so Oxfam. Dieses reichste Prozent sei zudem für genau so viele CO2-Emissionen verantwortlich wie fünf Milliarden Menschen, die ärmsten zwei Drittel der Menschheit.

Auch die fünf vermögendsten Deutschen konnten ihr Vermögen laut Oxfam deutlich steigern: inflationsbereinigt um 73,9 Prozent, oder von 89 auf 155 Milliarden US-Dollar. Das obere 0,1 Prozent der deutschen Bevölkerung besitze ein Fünftel (20,4 Prozent) des gesamten Vermögens. Das vermögendste Prozent komme gemeinsam auf mehr als ein Drittel (35,3 Prozent). Während die vermögendsten 10 Prozent mehr als zwei Drittel des Vermögens (67,3 Prozent) vereinten, besäßen die unteren 50 Prozent der Bevölkerung lediglich 1,3 Prozent.

© Oxfam

Hinzu komme die ungleiche Verteilung von Aktien, Anleihen und Co. In Deutschland besitzt das vermögendste 1 Prozent laut Oxfam 41,1 Prozent des gesamten Finanzvermögens und profitiere daher auch überdurchschnittlich stark von steigenden Unternehmensgewinnen und Aktienpreisen.

 

Oxfam warnt:  „Diese zunehmende soziale Ungleichheit stellt Gesellschaften vor immer größere Zerreißproben. Sie untergräbt die Demokratie, verstärkt geschlechtsspezifische und rassistische Diskriminierungen“ und befeuere den Klimawandel. So die Kurzfassung.

Die Steuerpolitik sei einer der wichtigsten Hebel, mit denen Regierungen soziale Ungleichheit dämpfen können. Noch in den 80er Jahren seien Vermögen stärker besteuert worden. Von sinkenden Steuersätzen hätten vor allem die Spitzenvermögen profitiert, während die Last für einen Großteil der Bevölkerung gestiegen sei.

Steuersystem belastet einkommensschwache Personen übermäßig

Weltweit stammen laut Oxfam 4 Prozent der Steuereinnahmen aus Abgaben auf Vermögen. Während Verbrauchssteuern mit 44 Prozent den Großteil der Einnahmen ausmachen würden. Zwischen 1990 und 2017 hätte sich die Zahl der Länder, die Mehrwertsteuern erheben, von 50 auf 150 verdreifacht.

„Verbrauchssteuern verstärken Ungleichheit. Da reichere Menschen einen geringeren Anteil ihres
Einkommens für den Konsum aufwenden, belastet diese Art von Steuern sie deutlich weniger als einkommensschwächere Bevölkerungsteile“, so Oxfam. Deutschland bilde dabei keine Ausnahme: Nur etwas mehr als 3 Prozent aller Steuereinnahmen stammten aus Abgaben auf Vermögen.

Ausweg Vermögenssteuer?

Einen Ausweg sieht der Verein in einer Vermögenssteuer, die in der gesamten Europäischen Union erhoben wird. Ab einem Vermögen von über fünf Millionen US-Dollar (4,6 Millionen Euro) sollten Millionäre demnach jährlich 2 Prozent zahlen. Ab 50 Millionen US-Dollar oder 45,7 Millionen Euro wären es 3 Prozent und Milliardäre (913 Millionen Euro) sollten jährlich 5 Prozent entrichten.

Dies würde europaweit jährlich 285,6 Milliarden Euro einbringen. Und allein in Deutschland 85,2 Milliarden Euro. Betroffen von der Vermögenssteuer wären lediglich 0,24 Prozent der deutschen Bevölkerung, etwas mehr als 200.000 Menschen.

Oxfam schlägt vor, die Einnahmen in Bildung, Gesundheitsvorsorge, soziale Sicherung, Klimaschutz, Geschlechtergerechtigkeit und in den Kampf gegen Rassismus zu investieren.

IW widerspricht Ergebnissen von Oxfam

Kritik an Oxfams Ungleichheitsbericht kommt unter anderem vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Zwar stimme es, dass sich Vermögenswerte wie Aktien und Anleihen von ihrem Einbruch während der Coronapandemie wieder erholt haben, davon hätten jedoch nicht allein die Top-Vermögenden profitiert.

Das IW widerspricht den Ergebnissen von Oxfam: Das relative Nettovermögen war 2023 im Vergleich zu 2008 gleichmäßiger verteilt. Das IW bezieht sich dabei auf den UBS Wealth Report 2024. Und tatsächlich ist der Gini-Koeffizient laut der UBS in Deutschland in diesem Zeitraum von 0,72 auf 0,68 gesunken. Der Gini-Koeffizient liegt zwischen 0 und 1. Je niedriger er ist, desto gleichmäßiger ist das Vermögen verteilt. Je höher er ist, desto stärker konzentriert sich das Vermögen auf wenige Personen.

Auch Daten der Deutschen Bundesbank deuten darauf hin, dass die Vermögen 2021 gleichmäßiger verteilt waren als noch 2010. „Der Grund: Die Vermögen sind nicht nur in der Breite, sondern insbesondere auch in Haushalten mit geringen Vermögen überdurchschnittlich stark gewachsen“, so das IW.

„Wiederbelebung der Vermögenssteuer wäre gefährlich“

Auch die Demografie trage in Deutschland dazu bei, dass Vermögen ungleicher als Einkommen verteilt sind, da Vermögen im Laufe des Lebens aufgebaut würden.

„Eine Wiederbelebung der Vermögensteuer, wie von Oxfam gefordert, wäre in der aktuellen Wirtschaftslage ein gefährlicher Schritt“, sagt Maximilian Stockhausen vom IW.  Er ergänzt: „Sie würde deutsche Unternehmen zusätzlich belasten, Investitionen in die dringend benötigte Transformation blockieren und die internationale Wettbewerbsfähigkeit erheblich schwächen.“

Ungleichheit in Teilen Europas gestiegen, in anderen gesunken

Doch fordert Oxfam eine europaweite Vermögenssteuer und bezieht sich nicht allein auf Deutschland. Zudem zeigt der UBS-Bericht, dass die Ungleichheit in großen Teilen Osteuropas gestiegen ist.

Für Westeuropa ist die Datenlage gemischt: In Finnland beispielsweise ist der Gini-Koeffizient von 0,53 im Jahr 2008 auf 0,64 im Jahr 2023 gestiegen. In Dänemark ist er von 0,56 auf 0,62 geklettert, in Frankreich von  0,56 auf 0,59 und in Italien von 0,50 auf 0,57. Besonders stark gestiegen ist er in Spanien, von 0,47 auf 0,57. Gesunken ist er zum Beispiel in Österreich von 0,69 auf 0,65, den Niederlanden (von 0,67 auf 0,64) und Belgien (von 0,51 auf 0,46).

Abgesehen davon, ob eine Vermögenssteuer zielführend wäre, ist fraglich, ob sie politisch durchsetzbar ist. Das ist schon in einzelnen Ländern schwierig, erst recht europaweit. Es gibt nur wenige Parteien, die sich für die Steuer einsetzen, dass diese die erforderliche Regierungsmehrheit erhalten, ist unwahrscheinlich.

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