Europa dürfte schneller wachsen als die USA – mit einem Aber
Mit Blick auf die Wachstumsprognosen sind wir optimistischer als der Konsens. Wir gehen davon aus, dass die USA in der zweiten Jahreshälfte 2021 wieder das Produktionsniveau von vor der Krise erreichen. Für Europa war der wirtschaftliche Schock durch die Pandemie größer als für die Vereinigten Staaten. Und obwohl für die Eurozone für das kommende Jahr ein Wachstum von mehr als 5 Prozent prognostiziert wird – ein höheres Plus als für die USA – erwarten wir, dass die Konjunktur ihren Höchststand von vor der Krise erst irgendwann im Jahr 2022 erreichen wird. China sticht heraus und hat sein Vorkrisenniveau bereits übertroffen, was auf eine effektivere Eindämmung des Virus und umfangreiche fiskalische und kreditpolitische Anreize zurückzuführen ist. Für Großbritannien wird für 2021 das stärkste jährliche Wachstum seit Jahrzehnten prognostiziert. Das spiegelt jedoch nur die Schärfe des Abschwungs in diesem Jahr wider: Es war einer der extremsten unter den bedeutenden Volkswirtschaften. Zu erwarten ist, dass zumindest ein rudimentäres Handelsabkommen mit der EU zustande kommt.
Die Einführung der Impfstoffe mag in den Schwellen- und Entwicklungsländern langsamer und später erfolgen als in den fortgeschrittenen Ländern. Das Risiko wiederholter Infektionswellen ist aber geringer und die aufstrebenden Volkswirtschaften dürften von der globalen konjunkturellen Erholung und der anhaltenden Stärke der chinesischen Wirtschaft profitieren. Regional betrachtet sind die Aussichten für die Schwellenländer unterschiedlich: Während sie in Asien voraussichtlich besser abschneiden werden als in Europa, dürften sie in Lateinamerika aufgrund der anhaltenden Schwere der Pandemie und des geringeren Spielraums für politische Unterstützung hinter dem allgemeinen Erholungstrend zurückbleiben.
Zyklische Sektoren dürften zu den Gewinnern gehören
Auf Sektorenebene sollten wie im Jahr 2017 eine breit angelegte und anhaltende Ausweitung der wirtschaftlichen Aktivität sowie sinkende Volatilität die Risikomärkte und eine Sektorrotation unterstützen: Von langfristigen Wachstumsanlagen – insbesondere US-Technologie –, defensiven Sektoren und Anleihen höherer Bonität hin zu wachstumssensitiven Anlagen wie Rohstoffen, zyklischen Werten sowie besonders von Covid-19 betroffenen Sektoren und den Schwellenländern. Wir gehen davon aus, dass von Investoren als sicher wahrgenommene Anlagen wie der US-Dollar und US-Staatsanleihen eine schwächere Wertentwicklung zeigen werden.
Globale Erholung und Reflation gehen in der Regel mit einem schwächeren US-Dollar und stärkeren Schwellenländerwährungen einher. Der robuste chinesische Aufschwung sollte ebenso wie ein steigender Handelsbilanzüberschuss und die Renditen chinesischer Staatsanleihen, die deutlich höher sind als in den entwickelten Volkswirtschaften, den Renminbi weiterhin stützen. Die Währungen der Schwellenländer gelten nach vielen Maßstäben als günstig und sollten von der Rotation der Anleger in zyklische und Value-Anlagen profitieren.
Günstiges Umfeld für Schwellenländer
Höhere mittelfristige Wachstums- und Inflationserwartungen könnten eine leichte Versteilerung der Renditekurven von Kern-Staatsanleihen unterstützen. Wir erwarten aber, dass sich die Zentralbanken gegen eine deutliche Verschärfung der finanziellen Bedingungen stemmen werden. Die Erholung der globalen Wirtschaftstätigkeit dürfte zu höheren Rohstoffpreisen und einem schwächeren US-Dollar führen. Diese Faktoren in Kombination mit einer ultralockeren Geldpolitik der Fed und einem geringeren handels- und geopolitischen Risiko durch die US-Präsidentschaft von Joe Biden lassen vermuten, dass das Umfeld für Schwellenländer-Anlagen besonders günstig ist. Die Renditekurven vieler lokaler Anleihemärkte sind weiterhin relativ steil und die Währungen befinden sich in der Nähe historischer Tiefstände. Dazu kommt, dass die Performance von Schwellenländeranleihen, insbesondere aus dem Hochzinssegment, zuletzt hinter der von Investment-Grade-Anleihen und Hochzinsanleihen aus den entwickelten Ländern zurückblieben.
Wir gehen davon aus, dass die Suche nach Rendite in einem Umfeld von Null- beziehungsweise Negativzinsen und extrem niedrigen Anleiherenditen die Anlegernachfrage nach Investment-Grade-Papieren weiter antreiben wird. Gleichzeitig rechnen wir mit sinkenden Anleiheemissionen, da sich die Unternehmen auf die Sanierung ihrer Bilanzen konzentrieren und über reichlich Barreserven verfügen.
Unserer Ansicht nach könnten Hochzinsanleihen und ausfallgefährdete Papiere Anlegern größeres Potenzial bieten – insbesondere im Bereich nachrangiger Bankanleihen und den von Covid-19 in besonders hohem Maße betroffenen Sektoren Reise, Freizeit und Gastgewerbe. Strukturierte Mezzanine- und Sub-Investment-Grade-Anleihen dürften ebenfalls eine positive Performance liefern.