US-Notenbank hebt Federal Funds Rate erneut deutlich an Ökonomen rechnen nach Leitzinserhöhung mit Rezession

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Christian Scherrmann, US-Volkswirt der DWS, bewertet das derzeitige Zinsniveau als weder förderlich noch hinderlich für die US-Wirtschaft. Powell habe angedeutet, dass eine Verlangsamung der Wirtschaftsdynamik für die US-Notenbank möglicherweise nicht ausreicht, um die strenge Geldpolitik wieder zu lockern. Damit bleibe die Tür auch für weitere Zinsschritte um 75 Basispunkte offen, so Scherrmann. Dass die US-Notenbank keinen klaren Hinweis auf ihren weiteren Kurs gegeben habe, hält der DWS-Experte für richtig. Bis zur nächsten Zinssitzung im September könne noch viel passieren.

Der derzeitige Kurs der Fed, sich nachdrücklich um die Inflation zu kümmern, dürfte nach Einschätzung von Scherrmann aber das richtige Mittel sein, um die zu hohe Inflation und insbesondere die Inflationserwartungen zu bekämpfen. Einen Ausblick auf die weitere Geldpolitik erwartet der US-Volkswirt Ende August, wenn sich die Währungshüter beim Wirtschaftssymposium in Jackson Hole treffen. „Da die Inflation bis dahin höchstwahrscheinlich immer noch zu hoch sein wird, erwarten wir, dass die Notenbanker andeuten, ihre Geldpolitik weiter zu straffen, wenn auch wahrscheinlich in kleineren Schritten.“

Fed zeigt mit geballter Zinserhöhung Entschlossenheit

Die geballten Zinserhöhungen seien ein Zeichen dafür, wie entschlossen die Fed sei, die Inflation auf ihr 2-Prozent-Ziel zu senken, kommentiert Jason England, Portfoliomanager bei Janus Henderson Investors die jüngste Entscheidung der US-Notenbank. Weitere Entscheidungen zu Zinsschritten werde die Fed Sitzung für Sitzung treffen. Laut Wirtschaftsprognose könnte der Leitzins Ende des Jahres bei 3 bis 3,5 Prozent liegen.

„Aktien- und Anleihemärkte hatten sich in den letzten Wochen bereits auf diesen Zinsschritt eingestellt“, so Eva Sun-Wai, Fondsmanagerin bei M&G Investments. Die unmittelbare Marktreaktion sei daher erwartungsgemäß gedämpft ausgefallen. Die US-Notenbank sollte sich ihrer Einschätzung nach alle Optionen offenhalten. Dass die Währungshüter ihre Geldpolitik nun von Sitzung zu Sitzung steuern wollen, zeige, dass die Fed die wirtschaftlichen Aussichten als äußerst ungewiss ansieht. Schwächelt die US-Wirtschaft habe dies Folgen für die weltweite Konjunktur. Der US-Dollar zeige dagegen weiterhin Stärke – „das ist eine gute Nachricht für die USA, aber weniger günstig für den Rest der Welt“, so Sun-Wai.

Auf den Euro-Dollar-Kurs hätte die US-Zinserhöhung bislang kaum Auswirkungen, schreibt Stefan Grothaus, Währungsanalyst bei der DZ Bank. „Ist die Stimmung am Markt gut, verliert der US-Dollar als sicherer Hafen an Bedeutung“, so Grothaus. Trotz der aggressiven Vorgehensweise der Notenbank hätten die Märkte im Anschluss an die Ratssitzung nach oben gezeigt.

 

„Die jüngste Entscheidung der Fed ist keine größere Überraschung für die internationalen Finanzmärkte“, sagt Tobias Basse, Analyst bei der Nord LB. Seiner Einschätzung nach wird die Fed mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit weiter an der Zinsschraube drehen. „Vermutlich haben die US-Geldpolitiker am aktuellen Rand den Zinsschritt um 100 Basispunkte nicht gewagt, um noch etwas Pulver für die nähere Zukunft zu sparen“, schreibt Basse. Die sich eintrübende US-Konjunktur schränke den Handlungsspielraum der Notenbank allerdings ein.

Die Lage am US-Arbeitsmarkt sei weiterhin gut. „Ohne weiteres Störfeuer durch neue Schocks könnte eine Rezession also wohl vermieden werden“, schätzt Basse. Der Analyst spricht von einer Phantomrezession – also einer Situation, in der die Zahlen zum Wirtschaftswachstum auf eine Rezession hindeuten, andere Konjunkturdaten allerdings positiv bleiben.

Für die Fed sei die aktuelle Lage besonders schwierig, da die weitere US-Geldpolitik nun genau der entscheidende Faktor sein könnte, die US-Wirtschaft doch noch in eine Rezession zu stürzen. „Damit gibt es perspektivisch durchaus gute Gründe für eine zögerlichere Fed“, so der Analyst. Die maximale Dynamik bei den US-Leitzinsanhebungen könnte damit schon hinter uns liegen. Das mache Hoffnung für den Euro und die internationalen Aktienmärkte. „Noch ist die Unsicherheit bezüglich der zukünftigen US-Geldpolitik aber groß“. Entsprechend dürften zunächst noch weitere turbulente Zeiten vor den Finanzmärkten liegen, schätzt Basse.

Die bisherige Aussage, dass die Fed eine Rezession in Kauf nehmen würde, um die Inflation zu senken, sieht John Vail, Analyst bei Nikko Asset Management, nicht bestätigt. Seiner Meinung nach sollte die Notenbank aber deutlich machen, dass ein Wirtschaftsabschwung notwendig sein könnte, um die Teuerungsrate zu drücken. Im September rechnet Vail mit einer weiteren Zinserhöhung um 50 Basispunkte.

US-Notenbank könnte Zinsschritte verkleinern

Robert Tipp, globaler Anleihechef, und Ellen Gaske, Chefvolkswirtin bei PGIM Fixed Income, rechnen ebenfalls damit, dass die US-Notenbank die Zinsschritte verkleinert: „Angesichts des Zusammentreffens von eher gemischten Wirtschaftsdaten und der Erwartung, dass die niedrigeren Energiepreise zumindest dazu beitragen werden, die Gesamtinflation im Juli zu mäßigen, gehen wir davon aus, dass die Fed das Tempo der Zinserhöhungen von nun an wahrscheinlich etwas verlangsamen wird.“

 

Es sei allerdings sehr unsicher, wie sich die US-Wirtschaft entwickele. Durch eine sich abschwächende Konjunktur könnten dringend benötigte Investitionen abgewürgt werden. „Dennoch sind auch wir der Meinung, dass eine weiche Landung immer noch möglich ist“, so Tipp und Gaske weiter. Dazu trägt ihrer Meinung zufolge die Tatsache bei, dass die Fed weitere Schritte in der Geldpolitik von den Wirtschaftsdaten abhängig machen will.

Dass weitere Zinsschritte geringer ausfallen, erwartet auch Scott Ruesterholz, Portfoliomanager bei Insight Investment. „Auch wenn der Höhepunkt der Zinssätze mit ziemlicher Sicherheit noch nicht erreicht ist, haben wir möglicherweise den Höhepunkt der aggressiven Geldpolitik erreicht“, so Ruesterholz. Die Märkte würden derzeit mit einer Zinserhöhung um 50 Basispunkte im September rechnen. Anschließend seien in diesem Jahr nur noch Erhöhungen um höchstens 25 Basispunkte zu erwarten. „Wir gehen davon aus, dass die Leitzinsen ihren Höchststand bei 3,75 Prozent erreichen werden“, so der Portfoliomanager.

Mit Zinssenkungen im kommenden Jahr rechnet Ruesterholz aber nicht. „Wir sehen Zinssenkungen in weiter Ferne, da wir davon ausgehen, dass die Inflation bis mindestens zum zweiten Quartal 2023 bei über 5 Prozent liegen wird“. Die Gefahr einer Rezession sei zwar gegeben, noch könne aber davon nicht die Rede sein. So entsprechen die Hausverkäufe trotz der Zinserhöhungen immer noch dem Niveau vor der Pandemie, ähnliches gelte für die Vermögenswerte der Verbraucher.

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