Interview mit Oddo-BHF-Vorstand Joachim Häger „Das verzeihen Kunden ihrer Bank nicht“

Joachim Häger ist seit 2016 Vorstandsmitglied von Oddo BHF

Joachim Häger ist seit 2016 Vorstandsmitglied von Oddo BHF: „Um im Wettbewerb dauerhaft erfolgreich zu sein, muss das Wealth Management ein echtes Kerngeschäft sein.“ Foto: Oddo BHF

private banking magazin: Herr Häger, nach der Fusion von Oddo & Cie. mit der BHF Bank hatten Sie wie andere Häuser auch mit schwacher Profitabilität in einem schwierigen Marktumfeld mit hohem Wettbewerbsdruck zu kämpfen, der Turnaround gelang erst 2019. Wie ist die Situation heute?

Joachim Häger: Auch vor 2019 haben wir uns besser als gedacht entwickelt. Aber ein Hausbau beginnt mit einem soliden Fundament. Offensichtliche Synergien heben, eine kulturelle Identität schaffen und eine einheitliche IT-Plattform entwickeln, das hatte Priorität. Die Niederlassungen haben wir zudem gestärkt, um in den Regionen gute Beratung zu leisten. 2021 war nun ein sehr starkes Jahr. Wir haben unsere Einnahmen um etwa 20 Prozent gesteigert, das Eigenkapital der Gruppe liegt über einer Milliarde Euro. Alle Bereiche, also Asset Management, Corporates & Markets und Private Wealth Management haben sich toll entwickelt. Im Private Wealth Management haben wir in Deutschland in nur fünf Jahren die Kundenanlagen auf mehr als 40 Milliarden Euro verdoppelt.

Hauck & Aufhäuser und das Bankhaus Lampe, Bankhaus Neelmeyer und die OLB oder Merkur Bank und die Bank Schilling – unter Privatbanken ist die Konsolidierung in der Finanzbranche bereits weit fortgeschritten. Rechnen Sie mit weiteren Fusionen und Übernahmen?

Häger: Ich habe keinen Zweifel. Die Konsolidierung muss und wird voranschreiten. Es geht um Größenvorteile, um hohe Kosten für regulatorische Anpassungen, aber auch für die Digitalisierung. Aber gut, das ist nicht die ganze Wahrheit. Seit den 90er Jahren hat sich ein Überangebot an Wettbewerbern etabliert, das mit dem Druck auf die Profitmargen nun eine Bereinigung erfährt. Es ist doch so: Um im Wettbewerb dauerhaft erfolgreich zu sein, muss das Wealth Management ein echtes Kerngeschäft sein. Und ohne eine wertschätzende Führungskultur und deutliche Investitionen in die Expertise der Berater, ohne vorgelebte Kunden- und Investment-DNA ist kein dauerhafter Erfolg in einem Geschäft von Mensch zu Mensch möglich. Häufige Führungswechsel führen meist zu strategischen Richtungswechseln und Personalfluktuation – das verzeihen Kunden ihrer Bank nicht. Eine eigentümer- und partnergeführte Bank schafft genau diese Kontinuität, der es letztlich bedarf.

Planen Sie nach der Übernahme von Landolt weitere Zukäufe?

Häger: Die Entwicklung von Oddo BHF wurde immer durch Akquisitionen unterstützt, wenn wir in neue Märkte eintreten oder herausragende Expertise hinzuzugewinnen konnten. Letzte Bausteine waren der Erwerb unseres Private-Equity-Business 2018 und die erwähnte Übernahme der ältesten Bank der Westschweiz, Landolt.


Damit haben wir die Schweiz als dritten Kernmarkt neben Deutschland und Frankreich etabliert. Wir sind eine Unternehmerbank, also prüfen wir gerne Zukäufe, wenn sie für unsere Kunden und unsere Aktionäre sinnvoll sind. Dazu kommen konstruktive Kooperationen: Denken Sie nur an unsere Partnerschaften mit ABN Amro, der Commerzbank und der spanischen BBVA im Brokerage. So konnten wir das Aktien-Research auf über 700 Titel erweitern.

Mit der Verschmelzung zu Oddo BHF und der Übernahme von Landolt haben Sie die Erfahrung grenzüberschreitender Zusammenschlüsse bereits gemacht. Was gilt es bei einem solchen Vorhaben zu beachten?

Häger: Jede Akquisition ist einzigartig. Da verbieten sich generelle Ratschläge. Letztlich ist es wie bei privaten Partnerschaften: Es hilft, genau hinzuhören und zu prüfen, ob man die gleichen Ziele verfolgt. Gerade bei unterschiedlichen Kulturen, Sprachbarrieren und Rechtsräumen muss man Neugier, Verständnis und Wertschätzung für die andere Sichtweise zeigen. Und von Anfang an das Gemeinsame voranstellen. Da beide Banken von erfolgreichen Familienunternehmern, Thierry Lombard und Philippe Oddo, geprägt waren, war es ein perfekter Deal: eine Fusion, die viel Potenzial für die Zukunft der gesamten Gruppe bietet.

Gibt es Unterschiede in der französischen und deutschen Unternehmenskultur?

Häger: Ein ganz klares „Ja“ – aber noch viel mehr Gemeinsamkeiten. Sonst wären Frankreich und Deutschland sicherlich nicht die stärksten Länder der Eurozone, die nicht nur wegen der geopolitischen Unsicherheiten immer mehr den Schulterschluss suchen. Meine französischen Partner bringen hohe Flexibilität und Innovationsfreude ein. Als einer der Ersten haben wir vor vier Jahren ein Investment in künstliche Intelligenz ermöglicht. Die bekannte deutsche Gründlichkeit fokussiert auf stabile Prozesse und eine erfolgreiche Systematik, was die deutsche Vermögensverwaltung seit fast zwei Jahrzehnten besonders stark gemacht hat. Nach fünf Jahren haben wir nun eine deutsch-französische Oddo-BHF-Kultur geschaffen, mit der wir Synergien grenzüberschreitend heben. Gerade arbeiten wir beispielsweise an einem neuen Blockchain-Investment, das aus Paris und Frankfurt gemanagt wird.

Was ist speziell Oddo-spezifisch?

Häger: Unsere Eigentümerstruktur ist einzigartig. 65 Prozent des Kapitals liegen bei der Familie Oddo, 25 Prozent bei den Mitarbeitern. Das erklärt die hohe Mitarbeiterbindung und Kontinuität in der Beratung. Und stärkt das Verantwortungsgefühl für die uns anvertrauten Kundenvermögen. Die Beteiligung schafft ein gemeinsames Interesse mit unseren Kunden, unabhängig, ambitioniert und langfristig denkend.