Arbeit und Kapital Nur ein Gleichgewicht führt zu nachhaltigem Wachstum

Corona und die Folgen

Corona und die Folgen: Jean-Jacques Barbéris geht davon aus, dass die gegenwärtige Krise ein Katalysator für eine Neugewichtung von Einkommen und Arbeit ist. Foto: MDelporte

In den USA, Großbritannien und einigen anderen Industrieländern ist der Anteil des Nationaleinkommens, der der arbeitenden Bevölkerung zugutekommt, auf ein historisch niedriges Niveau gesunken – Kapitaleigentümer dagegen profitieren immer stärker, wie unter anderen die regionale US-Notenbank von St. Louis feststellt. Wir denken, dass die Covid-19-Krise und weitere Faktoren in den nächsten zwei Jahrzehnten eine Neugewichtung zugunsten des Faktors Arbeit auslösen werden.

Eine Rückbesinnung auf ein Gleichgewicht würde die soziale und politische Stabilität wohl erhöhen und besser zu einem konsumorientierten Wachstumsmodell passen. Das wäre auch für langfristig denkende Investoren positiv.

Wiederherstellung des Gleichgewichts zwischen den Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital

Der Arbeitsanteil wird üblicherweise definiert als der Wert der Lohnsumme geteilt durch das nominale Bruttoinlandsprodukt (BIP) und der Kapitalanteil als das Verhältnis der Kapitalerträge geteilt durch das nominale BIP. Was bedeutet eine Änderung der Gewichtung von Kapital und Arbeit? Es herrscht die Meinung vor, dass ein stark steigender Anteil der Arbeit am Volkseinkommen Gewinne, Investitionserträge und schließlich das Wirtschaftswachstum schwächen würde; ein weiter steigender Anteil des Kapitals dagegen Ungleichheit bringt, soziale Spannungen schürt und dann auch dem Wirtschaftswachstum schadet. Daher führt nur ein Gleichgewicht der Produktionsfaktoren zu nachhaltigem Wachstum.

Die Geschichte zeigt, dass große wirtschaftliche oder politische Schocks, wie aktuell Corona, Wendepunkte bei der Verteilung zwischen Arbeit und Kapital sein können. Eine mittelfristige Neugewichtung zugunsten des Produktionsfaktors Arbeit in Richtung eines Gleichgewichts dürfte zu einem nachhaltigeren Wirtschaftswachstum und nachhaltigeren Unternehmensgewinnen führen. Investoren sollten dies bei ihrer strategischen Portfolioallokation berücksichtigen.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat kürzlich gezeigt, dass zwischen 1995 und 2009 der Einkommensanteil hoch qualifizierter Arbeitskräfte sowohl für fortgeschrittene als auch für aufstrebende Volkswirtschaften gestiegen ist. Der Einkommensanteil mittel qualifizierter Arbeitskräfte, insbesondere in Branchen, die zu Automatisierung und Offshoring neigen, hat indessen einen Rückgang erlitten.