Schattenseiten dieser Entwicklung sind, dass einerseits die Kapitalbindung im Konzern steigt, weil Finanzierungsmittel am Kapitalmarkt aufgenommen werden. Konsequenz ist, dass obwohl die meisten Hersteller operativ im industriellen Bereich einen deutlich positiven freien Cashflow erwirtschaften, aufgrund des Liquiditätsbedarfs des Finanzbereichs am Ende in der Kapitalflussrechnung zumeist ein starker Abfluss verzeichnet wird.
Andererseits ändert sich aber auch das Risikoprofil des Geschäftes: Während früher vor allem Risiken technischer Art beziehungsweise der Vermarktung für Hersteller relevant waren, denen man durch Innovation, Qualitätsmanagement und Marketingmaßnahmen begegnen kann, wird jetzt für den langfristigen Erfolg die Fähigkeit Einschätzung von Kreditrisiken immer bedeutsamer.
Angesichts der nicht zuletzt durch die Finanzkrise bestätigten Erfahrung, dass starke Vertriebsorientierung bei Banken in der Regel eine fahrlässige Vernachlässigung der Kreditqualität begünstigt, erscheinen Zweifel angebracht, dass Autohersteller Kreditrisiken richtig beurteilen können.

Insbesondere bei deutschen Premium-Herstellern ist die Transformation zur Schattenbank bemerkbar. Bei BMW und Daimler dominieren die Vermögenswerte aus Finanzgeschäften in der Bilanz inzwischen die langfristigen Anlagen und betragen weit mehr als das Eigenkapital. Dies relativiert die guten Ertragszahlen der vergangenen Jahre, da bis zum nächsten zyklischen Abschwung der Industrie unklar bleibt, inwieweit die Absatzerfolge mit der fahrlässigen Inkaufnahme von schlechten Kreditrisiken erkauft wurden.
11. Die Rolle der Zulieferindustrie ändert sich vom Teilelieferanten zum Komponentenhersteller und Outsourcing-Partner
Im Vergleich mit anderen Herstellern zyklischer Konsumgüter erscheint die Produktionsweise der Automobilindustrie noch relativ anachronistisch. Speziell europäische Produzenten gehen laut einer Studie von McKinsey sehr ineffizient mit ihrem Kapital um. Firmen wie zum Beispiel Apple haben die kapitalintensive Produktion weitgehend outgesourct und konzentrieren sich auf Forschung, Entwicklung, Patentmanagement und Marketing.
Auch technisch anspruchsvolle Komponenten werden von spezialisierten Anbietern zugekauft, die wiederum selbst Größenvorteile in der Produktion realisieren können, weil sie mehrere Endgerätehersteller mit relativ standardisierten Bauteilen beliefern.
Autos werden nach wie vor vorzugsweise in herstellereigenen Fabriken montiert. Einzige Ausnahme hiervon waren bisher nur Kleinserien in Abwandlung bekannter Modelle, wie zum Beispiel Cabrios, die an Spezialisten wie Magna ausgelagert wurden. Schon seit Längerem hat die Tendenz zum Outsourcing dazu geführt, dass immer mehr Teile zugekauft werden. Allerdings waren früher dafür vor allem Kostenüberlegungen relevant.
Inzwischen sind jedoch auch die technischen Anforderungen an einzelne Komponenten so gestiegen, dass einzelne Hersteller Entwicklung und Großserienproduktion nicht mehr selbst effizient durchführen können. Beispiele hierfür sind die Autoverkabelung – wo durch die Digitalisierung die Anforderungen sehr komplex geworden sind - oder Plug-in-Hybride.
Die Verlagerung von Technologiekompetenz von den Herstellern zu qualitativ herausragenden Zulieferern führt ebenfalls dazu, dass die Wertschöpfung zu ihnen verschoben wird. Diese Tendenz dürfte sich noch verstärken, wenn Technologiefirmen wie Google oder Apple in den Automobilmarkt einsteigen. Während diese für die bisherigen Hersteller vor allem weitere Konkurrenz bedeuten, sind sie für Zulieferer interessante neue Kunden.
Zum einen benötigen sie Partner bei der Lizenzfertigung ihrer Modelle. Zum anderen verfügen sie zwar über Technologie-Know-how, wissen aber wenig über Fahrzeugbau und sind deswegen auf kompetente Zulieferer angewiesen.
Fazit: ungemütliche Aussichten für Hersteller; große Chancen für technologielastige Zulieferer
Auf die Hersteller kommen schwierige Jahre zu: das (vorläufige) Ende des Booms in China; wachsende Konkurrenz sowie mögliche Belastungen aus dem Finanzgeschäft lassen eine weitere Konsolidierungswelle erwarten. Die einzelnen Anbieter sind aber recht unterschiedlich hierauf vorbereitet.
Bei den großen Produzenten erscheinen Volkswagen und Toyota mit ihrer globalen Ausrichtung, den starken Marken, effizienten Produktionsweisen (Volkswagen: Plattform; Toyota: Kaizen, Jidoka & Just in Time) sowie allgemein hoher Qualität gut aufgestellt. Bei den relativ schwachen Herstellern im Massengeschäft wird hingegen ein Überlebenskampf beginnen, der ihren Aktionären wenig Freude bereiten wird. Zu den Schwachen gehört inzwischen auch Hyundai Motor, wo sich das Management seit einigen Jahren mit Prestigeprojekten verzettelt und ein starker Won zusätzlich wehtut.
Völlig unklar sind die Aussichten für die erfolgsverwöhnten Premium-Anbieter. Einerseits werden sie bei richtiger Ansprache der Kundenemotion nach wie vor sehr hohe Margen erzielen können. Hierzu müssen sie ihre Produkte immer stärker digitalisieren, um anspruchsvolle Kunden zufriedenzustellen. Andererseits ist der Premium-Gedanke schon in vielen Marktsegmenten stark ausgereizt. Zudem können heute noch nicht erkennbare Risiken aus dem Finanzbereich auftauchen.
Gewinner dürften vor allem die Technologieführer im Zulieferbereich werden. Sie werden von neuen Wettbewerbern und höheren Anforderungen an Produzenten profitieren. Aber auch bei ihnen wird der Konkurrenzdruck dafür sorgen, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Nur die Zulieferer, die komplexe Technologie preisgünstig anbieten können sowie diese ständig verbessern, werden sich langfristig behaupten können.
Zum Autor:
Karl-Heinz Thielmann ist der Vorstand von Long-Term Investing Research - Institut für die langfristige Kapitalanlage.