Notwendige Weichenstellungen Auf Autohersteller kommen schwierige Zeiten zu

Seite 7 / 8



Insbesondere das fehlende Netzwerk aus Ladestellen wird auf absehbare Zeit der Engpass für die Elektromobilität in den meisten Ländern sein. Hier prescht ausgerechnet China vor. Das Land baut derzeit in den Regionen für die Autobahnen zwischen Schanghai und Peking ein Netzwerk auf, welches einen Maximalabstand zwischen den Ladestationen von 25 Kilometern hat. Ohne ähnliche Initiativen werden die großen Automärkte Europas und Amerikas bei der Popularisierung des Elektroantriebs schnell ins Hintertreffen geraten.

Hauptproblem in der Praxis werden allerdings die sehr langen Ladezeiten für Elektroautos bleiben. Üblich sind mehrere Stunden; selbst mit teurer Schnellladetechnik benötigt die vollständige Ladung eines Akkus auch heute mehr als eine Stunde. Für Langstreckenfahrten bleiben Elektroautos deswegen auf absehbare Zeit unattraktiv.

1997 brachte Toyota mit dem Prius das erste Serienfahrzeug mit Hybridantrieb auf den Markt. Diese Mischung aus Elektro- und Verbrennungsmotor hat sich in den vergangenen Jahren als Alternative zur herkömmlichen Antriebstechnik etabliert, ohne diese jedoch verdrängen zu können. Hersteller bauen diese Technologie inzwischen gerne in verbrauchsintensive Luxusfahrzeuge wie etwa Geländewagen ein; wohl auch, um ihre CO2-Bilanz aufzubessern. Hierbei wird zunehmend auf sogenannte Plug-in-Hybride zurückgegriffen, die eine Aufladung des Batterieteils an Steckdosen beziehungsweise Ladestationen ermöglichen, ohne allerdings von ihnen abhängig zu sein.

Ein interessanter Nebenaspekt der Hybrid-Technologie ist, dass viele der heutigen Hybrid-Antriebe von Zuliefern kommen und nicht mehr von den Herstellern. Motorenbau als Kernkompetenz von Autokonzernen verliert mit der Umstellung auf alternative Antriebstechniken an Bedeutung.
2015 gelang Toyota mit der Markteinführung des Brennstoffzellenautos Mirai eine weitere Pioniertat.

Allerdings ist der Preis mit etwa 80.000 Euro noch sehr hoch, zudem fehlt es an einem nennenswerten Netzwerk an Wasserstofftankstellen (in Deutschland sollen es bis Ende 2015 nur 50 sein). Nichtsdestotrotz hat der japanische Konzern seinen Ruf damit gefestigt, innovative Technologien nicht nur entwickeln, sondern diese auch in marktreife Produkte umsetzen zu können.

Insgesamt erscheint klar, dass der Verbrennungsmotor als alleinige Antriebstechnik zwar zurückgedrängt wird, jedoch nur sehr langsam. Engpass ist weniger die fehlende Leistungsfähigkeit alternativer Antriebe (hier ist der Fortschritt aktuell sehr schnell), als deren Kosten, Handhabbarkeit und die mangelnde Infrastruktur. Welche Technologie sich am Ende durchsetzt, ist noch völlig offen.

Der politisch vielfach präferierte Elektroantrieb hat trotz aller Verbesserungen gegenüber Benzinmotor und Brennstoffzelle einen nicht zu unterschätzenden Nachteil, der die Flexibilität sehr einschränkt: die nach wie vor sehr langen Ladezeiten. Insofern ist gut denkbar, dass der Plug-in-Hybrid als pragmatische Kompromisstechnologie, welche die Vorteile von Verbrennungsmotor und Batterieantrieb verbindet, kurzfristig die besten Aussichten hat.

Es kann auch gut sein, dass sich der Schachzug von Toyota, nicht wie alle anderen Hersteller die Elektromobilität zu forcieren, sondern lieber neben der Hybrid-Technik auf die Brennstoffzelle zu setzen, in einigen Jahren als weitblickend herausstellt. Denn der politisch bedingte Fokus vieler Hersteller auf eine noch relativ unflexible Elektromobilität kann sich durchaus als Sackgasse in der Entwicklung herausstellen.

8. Assistenzsysteme übernehmen immer mehr Aufgaben des Fahrers. In letzter Konsequenz führt dies zur vollständigen Übernahme der Kontrolle über das Auto (autonome Fahrzeuge)

Die zunehmende Vernetzung des Automobils sowie die Entwicklung von immer leistungsfähigeren Sensoren ermöglichen es, dass immer mehr Aufgaben des Fahrers von Assistenzsystemen übernommen werden. Selbst einparkende Autos sind heutzutage schon an der Tagesordnung. Warnsysteme, welche die Fahrt überwachen und dem Fahrer bei Fehlern Signale geben, kommen ebenfalls zunehmend zum Einsatz. Der nächste Schritt zum selbst fahrenden Auto ist technisch möglich, scheitert derzeit vor allem noch an rechtlichen Einschränkungen.

Sobald die rechtlichen Grundlagen für selbstfahrende Fahrzeuge geschaffen sind, werden die etablierten Hersteller ihre Wagen zumindest im Premium-Bereich mit Selbstfahrfunktionen als Zubehör versehen. Neue Wettbewerber wie Google setzen – auch um sich von den etablierten Anbietern abzusetzen – hingegen wahrscheinlich auf völlig neue Fahrzeuge, die mit traditionellen Angeboten wenig zu tun haben.

Zum einen, weil ihnen Ausstattungsmerkmale wie Bremse, Gaspedal oder Lenkrad fehlen. Zum anderen aber auch, weil sie relativ langsam sind, weshalb sie eigentlich nur für den Einsatz innerhalb einer Stadt infrage kommen. Diese Fahrzeuge lassen sich auch ohne Führerschein fahren, was gerade dem öffentlichen Transport völlig neue Perspektiven eröffnet.

Nicht zuletzt aus diesem Grund hat Uber mit dem Carnegie Mellon's National Robotics Engineering Center in diesem Jahr zuerst ein Testprogramm mit autonomen Fahrzeugen gestartet, dann dort 40 Forscher abgeworben. Langfristig geht das Management des US-Transportunternehmens davon aus, dass autonome Autos sowohl traditionelle Taxis wie auch die derzeit bei Uber freiberuflich tätigen Fahrer als Anbieter beim öffentlichen Individualtransport komplett ersetzen werden.

9. Autohersteller werden zunehmend Dienstleistungen um das Auto anbieten, zum Beispiel Carsharing

VW-Chef Martin Winterkorn hat vor Kurzem für seinen Konzern das Motto ausgegeben, er soll in Zukunft „Mobilitätsermöglicher statt reiner Autobauer“ sein. Diese Idee hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass in Hinblick auf die neue Konkurrenz von „Computern auf Rädern“ durch IT-Konzerne ein konzeptionell umfassenderes Denken notwendig scheint, als dies bisher üblich war.

Eine zentrale Rolle bei der Erweiterung des Angebots auf Mobilitätskonzepte spielt speziell bei deutschen Anbietern das Carsharing. DriveNow von BMW und car2go von Daimler gibt es schon länger, seit einigen Monaten hat der VW-Konzern mit Quicar ein Pilotprojekt in Hannover laufen.

Damit beschreiten die Hersteller allerdings einen fragwürdigen Weg. Hinter der Idee, zusätzliche Dienstleistungen anzubieten, die mit dem Automobil zu tun haben, steht aber im Grunde nichts anderes als das schon sehr alte (und schon oft gescheiterte) Konzept der horizontalen Diversifikation. Bereits in früheren Jahren haben Produzenten mit Beteiligungen an Autovermietern versucht, ihr Geschäftsfeld zu erweitern.

Dies war regelmäßig erfolglos, da sich gezeigt hat, dass Produktion und Verkauf von Fahrzeugen Geschäftsfelder sind, die grundsätzlich andere Kernkompetenzen erfordern wie das Management eines Fuhrparks. Hieran müsste man sich speziell bei VW noch erinnern, wo man lange mit Europcar im Vermietergeschäft tätig war und sich erst 2006 hiervon getrennt hat.

Angesichts der schlechten Erfahrungen mit Vermietungen ist zweifelhaft, dass Autohersteller sich als Betreiber von Carsharing sehr viel besser schlagen. Es ist insbesondere keine Antwort auf die Herausforderung durch Technologiekonzerne. Insofern ist eher zu befürchten, dass sich hinter dem Schlagwort vom „Mobilitätsermöglicher“ ein Irrweg verbirgt, der unnötig Management-Kapazitäten bindet.

10. Das wachsende Finanzgeschäft hat viele Automobilbauer auch zu Schattenbanken gemacht; die operativen Risiken hieraus werden erst in den nächsten Jahren richtig sichtbar

Eine der bemerkenswertesten Entwicklungen der Autoindustrie in den vergangenen Jahren ist das rasche Vordringen der Hersteller in den Markt für Leasing- und Kreditfinanzierungen bei Neuwagen. Diese Entwicklung hat mehrere Ursachen. Zum einen kann ein kundenspezifisches Finanzierungsangebot ein wertvolles Vertriebsinstrument sein. Zum anderen aber ist die Finanzierung sehr oft ein lukratives Nebengeschäft beim Autokauf. Trotzdem haben im Nachgang der Finanzkrise viele Banken ausgerechnet dieses Geschäftsfeld vernachlässigt und damit ein Vakuum eröffnet, in das die Hersteller mit eigenen Angeboten vorstoßen konnten.