Notvertretung und Vorsorgevollmachten Wie sich die Betreuungsreform auf Unternehmer und Vermögende auswirkt

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4. Widerruf und Suspendierung der Vollmacht

Muss trotz bestehender Vorsorgevollmacht ein Betreuer durch das Gericht bestellt werden, steht diesem nach Paragraf 1820 Absatz 5 BGB künftig auch ohne ausdrückliche gerichtliche Ermächtigung das Recht zu, die Vollmacht zu widerrufen. Ein solcher Vollmachtswiderruf steht allerdings unter dem Vorbehalt der gerichtlichen Genehmigung, sodass hier ausreichend Sicherheit und Rechtssicherheit für den Vollmachtgeber erhalten bleibt.

Da der Widerruf im Übrigen nur ultima ratio sein darf, bietet Paragraf 1820 Absatz 4 BGB jetzt die Möglichkeit, dass die Vollmacht als milderes Mittel vorerst nur suspendiert wird. Das heißt: Sie wird vorläufig außer Kraft gesetzt und nicht endgültig beseitigt. Diese Suspendierung hat den Charme, dass die Vollmacht später „wiederaufleben“ kann, weil sie eben nicht endgültig widerrufen ist. Für die Dauer der Suspendierung kann der Betreuer versuchen, die Missstände aufzuklären und Lösungen zu finden.

 

In der Praxis besteht freilich die Gefahr, dass die Bevollmächtigung dauerhaft außer Kraft gesetzt wird, wenn eine Suspendierung der Vollmacht immer wieder neu ausgesprochen oder verlängert wird. Das kommt faktisch einem – schwerwiegenden – Widerruf gleich. Die Vollmacht sollte so gestaltet sein, dass sie im Ernstfall auch ohne größere Schwierigkeiten und Streitereien gelebt werden kann. Wenig Sinn würde es etwa machen, in der Vollmacht mehrere Personen mit Gesamtvertretungsbefugnis zu benennen, deren persönliches Verhältnis belastet ist und die potentiell unterschiedliche Interessen verfolgen, wie dies etwa in Stieffamilienkonstellationen häufiger zu beobachten ist.

Wenn der neue Ehepartner und die Kinder aus erster Ehe im Vorsorgefall nicht vernünftig auf Grundlage der Vollmacht zusammenarbeiten, ist ein Widerruf oder jedenfalls eine – gegebenenfalls längerfristige – Suspendierung derselben wahrscheinlich. Stattdessen wird das Vermögen dann von einer fremden dritten Person verwaltet, die auch die unternehmerischen Geschicke leitet – was durch die Vollmacht aber eigentlich gerade verhindert werden sollte.

5. Fazit

Die zum 1. Januar 2023 in Kraft getretene Betreuungsreform hat viele positive Neuerungen mit sich gebracht – aber auch neue Problematiken geschaffen. Bis die ersten gerichtlichen Entscheidungen hier Klarheit bringen, sollte eine gut formulierte Vorsorgevollmacht errichtet werden, um für den Ernstfall Vorsorge zu treffen und etwaigen Streitigkeiten oder Auslegungsschwierigkeiten auf der Grundlage des neuen Gesetzes vorzubeugen. Unabdingbar ist dies heute für all diejenigen, die das gesetzliche Ehegattennotvertretungsrecht in Gesundheitsangelegenheiten ausschließen möchten. Hierzu bedarf es zwingend einer Vorsorgevollmacht zugunsten einer dritten Person nebst Eintragung des Widerspruchs gegen das Ehegattenvertretungsrecht in das Zentrale Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer.


Über die Autoren:
Cornelia Maetschke-Biersack ist promovierte Rechtsanwältin und Partnerin der Kanzlei Taylor Wessing in Düsseldorf. Als Fachanwältin für Familienrecht und Mediatorin gestaltet sie einvernehmliche und außergerichtliche Lösungen. Zu ihren Mandanten zählen insbesondere vermögende Privatpersonen, Unternehmerfamilien und deren Family Offices, die sie auch bei allen Fragen rund um die Vermögens- und Unternehmensnachfolge begleitet.

Johanna Beermann ist ebenfalls Rechtsanwältin der Kanzlei Taylor Wessing und Mitglied der Praxisgruppe Private Client. Ihr Tätigkeitsbereich deckt sich mit dem von Cornelia Maetschke-Biersack.

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