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private banking magazin: „Best in Family Banking“ lautet der Slogan Ihres Hauses. Was verstehen Sie darunter?
Nils Kottke: Zum einen beziehen wir diesen Slogan auf uns. Wir sind die älteste österreichische Privatbank mit fast 200-jähriger Geschichte und nach wie vor zu hundert Prozent in Familienbesitz. Zum anderen richten wir uns mit unserem Angebot insbesondere an Familienvermögen. Neben dem Private Banking und Finanzierungsgeschäft haben wir das Geschäftsfeld Family Management, in dem wir Familienunternehmen zu Themen wie Nachfolgeplanung, Family Governance oder Eigentümerstrategien beraten.
Sie haben im Private Banking auch eine Family-Office-Einheit. Wo ist die Trennlinie?
Kottke: Das Family Management ist im Grunde eine Beratungseinheit für die Eigentümer von Familienunternehmen. Hier sind Berater, Juristen und Mediatoren tätig, die mit den Familienunternehmen arbeiten. Ich kenne keine Privatbank, die in diesem Bereich solch eine Dienstleistungstiefe anbietet. Im Family Office steuern und koordinieren wir große Familienvermögen und bilden Sonderthemen ab.
Wird es komplexer, Familien zu beraten?
Kottke: Ja, weil die Familien größer werden. Viele Familienunternehmen gehen an die zweite, dritte oder vierte Generation. Es gibt mehr Stakeholder in unterschiedlichen Funktionen und mit jeder Person steigt die Komplexität. Im Family Management definieren wir genau dort gemeinsam mit den Familienunternehmen Spielregeln: Wer möchte und darf im Unternehmen arbeiten? Wie hoch ist der Verdienst eines Familienmitglieds? Wie werden Ehepartner involviert? Wer bekommt welche Informationen? Die Family Governance wird immer wichtiger.
Unternehmensnachfolge bedeutet bei immer mehr Familienunternehmern ein Verkauf. Droht damit das Bankhaus Spängler, Kunden zu verlieren, weil das verbindende Element von Familienverbünden verloren geht?
Kottke: Diese Entwicklung können wir in der Tat gelegentlich beobachten. Wird ein Verkauf erwogen, können wir mit unserer M&A-Einheit hierbei unterstützen. In Österreich haben wir aber etwas andere Voraussetzungen als in Deutschland. Viele Familienunternehmen sind in der Hand von Privatstiftungen – so zum Beispiel auch unser Bankhaus. Ein Verkauf wird hierdurch im Allgemeinen erschwert. Für das Bankhaus ist dies ein wesentlicher Aspekt unserer langfristigen Unabhängigkeit. Diese stabile Konstellation sehen wir auch in vielen österreichischen Familienunternehmen. Durch die Privatstiftungskonstruktion wird das Familienvermögen zusammengehalten.
Aus der Einzelpersonenberatung, die es vielleicht früher mal war, wird eine Beratung von Familienverbünden. Das bedeutet: Das Verhältnis von Kunden pro Berater steigt. Wie fangen Sie das auf?
Kottke: Wir versuchen, dass jeder Familienverbund einen Ansprechpartner hat. Manchmal ist es allerdings sinnvoller, wenn mehrere Berater eine Familie betreuen. Jüngere Kunden haben andere Fragen und Ansprüche und können diese mit jüngeren Kollegen besser besprechen. Deshalb ist es nicht mehr zwangsläufig so, dass ein Berater einen ganzen Familienverbund betreut.
„Der Robo-Advicor ist ein wesentliches Instrument, um die nächste Generation im Private Banking anzusprechen“
Das Problem, dass es mehr Kunden pro Berater gibt, bleibt aber. Müssen Sie nicht kräftig in Personal investieren, um die Beratungsintensität aufrechtzuerhalten?
Kottke: In der Tat haben wir die personellen Kapazitäten im Private Banking in den vergangenen Jahren ausgebaut, was aber auch auf eine große Zahl von Neukunden und Nettomittelzuflüsse zurückzuführen ist. Zugleich wird die Branche in vielen Bereichen effizienter. Gerade die nachkommende Kundengeneration möchte anders beraten werden, kommuniziert vor allem digital und erwartet andere Lösungen. 2018 haben wir beispielsweise unseren Robo-Advisor Carl gestartet. Das Angebot war ursprünglich dafür gedacht, online neue Kunden zu gewinnen. Heute ist es ein wesentliches Instrument, um die nächste Generation im Private Banking anzusprechen.
Viele Banken und Fintechs haben sich mit solchen Angeboten versucht, sie aber nicht profitabel anbieten können. Sie schon?
Kottke: Inzwischen schon. Wir wollten mit dem Robo-Advisor Vorreiter auf dem österreichischen Markt sein und haben Carl eigenständig entwickelt. Die Überlegung war: Wir kennen uns in der Vermögensverwaltung aus und wollen dieses Angebot einer breiteren Öffentlichkeit ermöglichen. Normalerweise kommen im Private Banking Kunden ab einem liquiden Vermögen von 300.000 Euro zu uns. Bei Carl haben bieten wir Kunden bereits ab 30.000 Euro an – allerdings nur online. Relativ schnell haben wir aber gemerkt, dass die ursprüngliche Idee nicht funktionierte.
Weil?
Kottke: Die Kosten des Online-Marketings sind so hoch, dass es schwierig ist, diese erklärungsbedürftige Dienstleistung rein digital anzubieten. Also haben wir es mit einem hybriden Ansatz versucht. Heißt: Kunden können in unsere Niederlassungen kommen, sich Carl erklären lassen und vor Ort das Angebot abschließen. Später haben wir uns außerdem von dem Gedanken verabschiedet, dass die digitale Vermögensverwaltung ein eigenes Vertriebsthema ist. Denn Carl ist ein ETF-Investmentansatz, der komplementär zu anderen Strategien im Haus ist. Auch bei unseren Bestandskunden ist Carl beziehungsweise der zugrundeliegende Investmentansatz auf gute Resonanz gestoßen. Mittlerweile gewinnen wir aufgrund des Track-Records auch große Spezialfonds-Mandate mit den Carl-Strategien.
Ist eine Bank in der liquiden, digital einsehbaren Vermögensverwaltung nicht zu abhängig von der Performance? Die Vergleichbarkeit ist hoch.
Kottke: Vergleichbarkeit und Transparenz gehören zu unserem Geschäft dazu. Performance ist aber nicht alles. Umsetzungskompetenz, steuerliche Expertise und vor allem die persönliche Beratung sind ebenfalls wichtig.
Sie haben Carl selbst aufgesetzt. Wäre es nicht kostengünstiger gewesen, eine White-Label-Lösung zu nutzen und mit anderen Häusern zu kooperieren?
Kottke: Zunächst wollten wir die digitale Kompetenz im Haus stärken, indem wir Carl selbst entwickelt haben. Zudem werden Kooperationen an einem Punkt schwierig: Wenn es darum geht, auf eigenen Depots zu buchen. Viele Kunden wünschen sich, dass die Wertpapiere bei uns im Haus liegen. Mit unserer eigenen Lösung funktioniert das, wir haben vollen Zugriff und wir können Carl in unseren Online-Reportings darstellen. Außerdem sind White-Label-Lösungen nicht zwangsläufig günstiger. Mit einem fähigen internen Projektteam und einem kompetenten technischen Umsetzungspartner ist viel mehr möglich als man denkt.
Wie ist ihr Angebot auf der illiquiden Seite? Die Nachfrage nach Privatmarktanlagen im Private Banking wächst.
Kottke: Das stimmt grundsätzlich. Doch durch die Zinswende ist das Interesse im illiquiden Bereich gefühlt wieder etwas zurückgegangen. Wir beobachten das Eltif-Vehikel nach seiner Reform aufmerksam. Das ist der rechtliche Rahmen, der für uns derzeit am spannendsten ist. Aus unserer Sicht werden illiquide Investments aber erst wieder richtig interessant, wenn die Zinsen nachhaltig gesunken sind.
Trifft das auch auf Immobilien zu? Mit René Benko, dem Gründer der Signa Holding, ist ein Österreicher zum Gesicht der Immobilienkrise geworden.
Kottke: Die Anlageklasse Immobilien ist aktuell für viele Kunden deutlich weniger attraktiv als es in der Vergangenheit war. Die mediale Präsenz von angeschlagenen Immobilienunternehmen trägt sicher seinen Teil dazu bei. Die Preisfindungsphase zwischen Käufern und Verkäufern wird noch einige Monate andauern. Dadurch steht wiederum mehr Geld für Wertpapiere und Zinsanlagen zur Verfügung.
2022 hatte das Bankhaus Spängler mit einem Betriebsergebnis von 11,4 Millionen Euro das erfolgreichste Jahr seiner Geschichte. 2023 dürften Sie auch auf der Passivseite wieder kräftig verdienen.
Kottke: Die offiziellen Zahlen liegen noch nicht vor. Es sieht aber sehr gut aus und es ist zu erwarten, dass sie 2023 noch deutlich besser ausfallen als im Vorjahr.
Wie stark haben Sie die Zinsen an die Kunden weitergegeben?
Kottke: Wir haben im vergangenen Jahr viel getan, um unsere Einlagenprodukte zu digitalisieren. Das war in der Niedrigzinsphase kaum relevant. Nun haben wir Online-Kapitalkonten, auf denen Kunden täglich fällig Gelder zu höheren Zinsen anlegen können. Auch bieten wir Fixzinskonten und Termingelder mit unterschiedlichen Laufzeiten an. Die Kunden haben verschiedene Möglichkeiten, um von Zinsanstieg zu profitieren.
„Wir haben große Vorbehalte, was die Substanz der Kryptowährungen betrifft“
Ziehen im Private Banking Zinsen als Verkaufsargument?
Kottke: Ja, da bin ich mir sicher. Das Thema war in den vergangenen zehn Jahren nicht auf der Agenda – höchstens, als es um die Frage negativer Einlagezinsen ging. Nun sind die Zinsen bei den Kunden wieder in den Vordergrund gerückt.
Ob unter- oder überschätzt: Wie sehr beschäftigt sich das Bankhaus Spängler mit dem Thema Krypto?
Kottke: Kryptowährungen sehen wir kritisch. Auch wenn von der US-Börsenaufsicht SEC der Bitcoin-Spot-ETF zugelassen wurde. Wir haben große Vorbehalte, was die Substanz der Kryptowährungen betrifft. Das Thema Blockchain beobachten wir hingegen genau. Sie wird die Wertpapierabwicklung in den kommenden Jahren vereinfachen und beschleunigen.
Steigt denn das Interesse der Kunden an Krypto-Investments?
Kottke: Bei unseren Kunden sehen wir das noch nicht. Und meines Wissens haben wir noch keinen einzigen Kunden verloren, weil wir dieses Thema nicht aktiv anbieten.
Aus der Schweiz und Liechtenstein zieht es zurzeit vermehrt Institute auf den deutschen Markt. Schauen Sie auch über die Grenze?
Kottke: Etwa 10 bis 15 Prozent unseres Private-Banking-Geschäfts machen deutsche Kunden aus, mehr als 30 Prozent unseres Finanzierungsgeschäfts findet in Bayern statt. Hier profitieren wir von der Nähe Salzburgs zu Deutschland. Zudem arbeiten wir seit vielen Jahren überregional mit Multi Family Offices zusammen. Meist managen wir Mandate für Kunden, die eine Drei-Länder-Strategie fahren und ihr Vermögen von Asset Managern aus verschiedenen Rechtsräumen verwalten lassen. Heißt: Deutschland ist bereits ein wichtiger Markt für uns. Beim Thema Standort stellt sich immer die Frage, ob man zwei Aufsichtsbehörden gegenüberstehen möchte. Die Regeln sind zwar in vielen, aber nicht allen Bereichen gleich. Der zusätzliche administrative Aufwand ist nicht zu unterschätzen.
Das Margenniveau auf dem deutschen Private-Banking-Markt ist attraktiver als in Österreich.
Kottke: Deshalb ist es für deutsche Kunden attraktiv, Dienstleistungen über Österreich zu beziehen, die hier in gleicher oder besserer Qualität kostengünstiger angeboten werden. Von daher ist Deutschland ein Wachstumsmarkt für uns.
2028 feiert das Bankhaus Spängler sein 200-jähriges Jubiläum. Welche Entwicklungen werden wir bis dahin im Private Banking sehen?
Kottke: Früher hatten wir einen strategischen Planungsrhythmus von fünf Jahren. Inzwischen entwickeln und überarbeiten wir die Strategie des Bankhauses Spängler gemeinsam mit unseren Mitarbeitern alle drei Jahre. Dieser kürzere Rhythmus ist notwendig, weil sich die Rahmenbedingungen schneller verändern. Ein Beispiel dafür ist Künstliche Intelligenz, über die vor eineinhalb Jahren noch kaum gesprochen wurde. KI wird das Private Banking in manchen Bereichen verändern. Ich glaube zwar, dass Künstliche Intelligenz für den Kunden gar nicht so sichtbar wird. Den Berater aber wird sie im Hintergrund unterstützen und seine Rolle weiter verändern: Weg vom Wertpapierspezialisten hin zum Beziehungsmanager und Übersetzer. Vieles ist digitalisierbar, der persönliche Kontakt ist es nicht.
Das Gespräch führten Clemens Behr und Thorben Lippert.
Über den Interviewten:
Nils Kottke verantwortet seit 2017 als Vorstand im Bankhaus Spängler das Ressort Privatvermögen. Kottke wechselte 2011 als Family Officer von der HSBC zu der Privatbank mit Sitz in Salzburg. Zwischen 2013 und 2017 leitete er den Bereich Family Management. Kottke promovierte an der Universität Innsbruck zum Thema „Behavioral Finance“.