Neuer Premier, alte Probleme Boris Johnson setzt sich durch

Die Parteimitglieder der britischen Konservativen haben Boris Johnson zu ihrem neuen Vorsitzenden gewählt. Er wird zeitnah auch das Amt des Premierministers in Großbritannien übernehmen. Achim Wambach, Präsident des ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, erklärt dazu:

„Mit Boris Johnson wird ein Vertreter der Austrittsbewegung der nächste Premierminister Großbritanniens. Das kann eine Chance für den Brexit-Prozess sein, da Boris Johnson, anders als Theresa May, sich nicht gegen die Opposition aus dem Brexiteer-Lager wird wehren müssen. Dadurch wird es ihm möglicherweise einfacher fallen, ein Austrittsabkommen durch das Parlament zu bekommen.

Die Europäische Kommission sollte diese Chance nutzen und weiter auf Großbritannien zugehen. Spielräume in der politischen Erklärung zum Austrittsabkommen sollten genutzt werden, etwa um technische Lösungen für die irische Grenze intensiver zu prüfen, und mehr Klarheiten für ein zukünftiges Abkommen mit Großbritannien festzulegen, das den Briten die Möglichkeiten zu einer unabhängigen Handelspolitik erlaubt. Wenn die Zeit bis Ende Oktober, dem derzeitigen Austrittstermin, nicht ausreicht, um Einigungen in diesen Punkten zu erzielen, sollte die EU-Kommission anbieten, die Frist noch einmal zu verlängern.“

Cyrique Bourbon, Asset Allocation Strategist bei Brown Shipley in London (wie Merck Finck Mitglied der Privatbankengruppe KBL European Private Bankers), fragt sich, ob der neue britische Premier die nächsten Parlamentswahlen überleben wird:

Der neue britische Premierminister, der von einer überwältigenden Mehrheit der regierenden Konservativen des Landes gewählt wurde, machte in den Wochen vor der gestrigen Parteiabstimmung nur wenige konkrete Zusagen. Das beinahe einzige Versprechen, an dem Boris Johnson festhält, ist die Zusage, dass das Vereinigte Königreich die Europäische Union am 31. Oktober verlassen wird, „komme, was wolle – friss oder stirb“.

„Wenn wir das EU-System verlassen, entledigen wir uns einer Vielzahl unnötiger Regulierungen, die dieses Land im Klammergriff hält“, so Johnson. „Zukünftig werden wir in der Lage sein, unsere eigenen Prioritäten zu setzen, unsere eigenen Gesetze zu verabschieden und eine eigene Steuergesetzgebung zu erlassen, die den Bedürfnissen dieses Landes gerecht wird.“

Da das Parlament sich am Freitag in die sechswöchige Sommerpause verabschiedet, verbleiben dem neuen Premierminister nur zwei Monate, um einen Austritt aus der EU zu verhandeln – und das bei einer nur hauchdünnen Mehrheit, die seinen Plan unterstützt. Dabei sollte nicht unerwähnt bleiben, dass das Parlament scheinbar entschlossen gegen einen „No-Deal-Brexit“ steht. Johnson selbst sagte neulich, dass die Chancen für ein solches Szenario „eine Million zu eins“ stünden.