Nachhaltigkeit in der Beratung Neue WpHG-Bögen schon ab August 2022 gefordert

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5. Bestandskunden

Auch Bestandskunden müssen den Nachhaltigkeitsprozess durchlaufen. Bei Bestandskunden, bei denen bereits eine Eignungsbeurteilung durchgeführt wurde, sollten Wertpapierfirmen die Möglichkeit haben, die individuellen Nachhaltigkeitspräferenzen des betreffenden Kunden erst bei der nächsten regelmäßigen Aktualisierung der bestehenden Eignungsbeurteilung in Erfahrung zu bringen.

6. Umsetzungsfrist

Für die Umsetzung wird leider nur ein Jahr Zeit gewährt. Die Neufassung gilt ab dem 2. August 2022.

7. Product Governance

Um die Kapitalflüsse in nachhaltige Investitionen umzulenken, werden neben den Änderungen zum Prozess der Geeignetheitsprüfung auch Anpassungen der Product-Governance-Regelungen vorgenommen. Die Delegierte Richtlinie (EU) 2021/1269 sieht Änderungen der Richtlinie (EU) 2017/593 vor, die in Deutschland in der Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und -Organisationsverordnung (WpDVerOV) umgesetzt ist.

Im gesamten Lebenszyklus eines Finanzinstruments sind künftig auch ESG-Aspekte zu berücksichtigen. Bei der Zielmarktbestimmung müssen Konzepteure prüfen, ob der Zielmarkt des Finanzprodukts mit etwaigen nachhaltigkeitsbezogenen Zielen vereinbar ist. Die Nachhaltigkeitsfaktoren des Finanzinstruments müssen auf transparente Art und Weise beschrieben und den Vertriebsunternehmen zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus müssen Wertpapierfirmen als Vertriebsunternehmen prüfen, ob Produkte und Dienstleistungen auch mit den nachhaltigkeitsbezogenen Zielen eines bestimmten Zielmarkts vereinbar sind.

Leider bleibt auch hierfür nicht viel Zeit. Die Neuregelungen müssen bis spätestens 21. August 2022 in die WpDVerOV integriert werden. Eine Anwendung soll ab dem 22. November 2022 erfolgen.

8. Versicherungsvertrieb

Mit der Delegierten Verordnung 2021/1257 werden die Delegierten Verordnungen 2017/2358 und 2017/2359 geändert, welche die IDD (Insurance Distribution Directive), das heißt die Versicherungsvertriebsrichtlinie, flankieren. Auch diese Änderung wurde am 2. August 2021 im Amtsblatt veröffentlicht, tritt am 22. August 2021 in Kraft und gilt gemäß Art. 3 ab dem 2. August 2022.

In der Delegierten Verordnung 2017/2359 wird die Definition für Nachhaltigkeitspräferenzen und Nachhaltigkeitsfaktoren aus der Offenlegungs-VO in Art. 2 eingefügt. Der Versicherungsvertrieb und das Versicherungsunternehmen haben bei der Ermittlung von Interessenkonflikten in der Zukunft auch Nachhaltigkeitspräferenzen miteinzubeziehen. Bei der Eignungs- beziehungsweise Angemessenheitsbeurteilung nach sollen zukünftig ebenso wie im Mifid-Bereich auch die Nachhaltigkeitspräferenzen berücksichtigt werden.

Falls keine Übereinstimmung der Nachhaltigkeitspräferenzen der Versicherungsprodukte mit denen des Kunden vorliegt, darf keine Empfehlung erfolgen. Dies ist dem Kunden anhand einer Begründung zu erläutern. Letzteres ist aufzuzeichnen. Ebenfalls aufzuzeichnen ist eine Kundenentscheidung, auf Grund derer der Kunde seine Nachhaltigkeitspräferenzen ändert, wenn kein Produkt seinen Präferenzen entspricht.

In die Geeignetheitserklärung sollen ebenfalls die Nachhaltigkeitspräferenzen aufgenommen und ausgewiesen werden.

Für Versicherungsprodukte gilt ebenso, dass ein Produktgenehmigungsverfahren zukünftig Nachhaltigkeitsziele einbeziehen soll und der zu erstellende Zielmarkt Nachhaltigkeitsfaktoren im Sinne der Offenlegungs-VO berücksichtigen soll.

Die Produktprüfung soll insofern angepasst werden, als das Produkt über den gesamten Lebenszyklus den Nachhaltigkeitszielen entsprechen soll. Produkte dürfen nicht auf den Markt gebracht werden, wenn der Produktprüfungsprozess ergibt, dass sie den Nachhaltigkeitszielen widersprechen.

Bei den Produktüberwachungsvorgaben sollen Nachhaltigkeitskriterien einfließen, die Produkthersteller sollen die Vertreiber über die Zielmärkte (inklusive der Nachhaltigkeitsziele) und die geeigneten Vertriebskanäle informieren. Die Vertreiber sollen diese Nachhaltigkeitsziele auch bei den Produktvertriebsvorkehrungen aufnehmen. Bei der Rückmeldepflicht des Vertreibers an den Hersteller erfolgt ebenso eine Ausdehnung auf die Nachhaltigkeitsziele.


Über den Autor:
Rechtsanwalt Christian Waigel beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Finanzberatungs- und Regulierungsthemen. Der promovierte Jurist hat die Münchner Kanzlei Waigel Rechtsanwälte gegründet.

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