Mehr Fremdkapital Neue und riskante Wege der Kommunalfinanzierung

Hauptsitz der KfW in Frankfurt

Hauptsitz der KfW in Frankfurt: Die staatliche Förderbank erwartet, dass Kommunen in den kommenden Jahren zunehmend Fremdkapital aufnehmen. Foto: imago images / Jan Huebner

Diese Beschreibung neuer Finanzierungswege von Kommunen erschien erstmals im Kundenmagazin des Family Office Finvia.

 

Die Münchener sind ein ambitionierter Menschenschlag. Bis 2035 soll die bayerische Landeshauptstadt klimaneutral sein, schneller also als Deutschland insgesamt, das diesen Status erst für 2045 anpeilt. Dafür rechnet die Stadt mit 100 Millionen Euro Mehrausgaben – pro Jahr. Eine immense Summe, auch für die an sich wohlhabende Isarmetropole. Grüne Anleihen sollen deshalb das Geld in die Kassen der Stadt spülen. Diese unterscheiden sich von klassischen Anleihen dadurch, dass sie meist zweckgebunden sind, das eingenommene Geld darf nur für nachhaltige Zwecke eingesetzt werden.

Solche Green City Bonds sind in Deutschland noch relativ selten, im Ausland aber durchaus beliebt. Viele Städte greifen gerne auf sie zurück. Göteborg hat so zum Beispiel 2,5 Milliarden Euro in fünf Jahren eingenommen und damit die stadteigene Busflotte elektrifiziert sowie einen Eisenbahntunnel gebaut. Auch Johannesburg hat per Green City Bond neue Busse gekauft.

Wenn dieser Trend nun auch in Deutschland ankommt, könnte dies eine grundsätzliche Verschiebung in der Kommunalfinanzierung bedeuten. Denn tatsächlich setzen Städte und Gemeinden bisher eher selten auf Fremdkapital, um ihre Investitionen zu finanzieren. Das Kommunalpanel der staatlichen Förderbank KfW kam im vergangenen Jahr zu dem Ergebnis, dass Eigenmittel und Fördermittel etwa 80 Prozent der Ausgaben decken. Und das Fünftel an Fremdkapital kam bisher auch nicht aus Anleihen oder anderen Ausflügen an den Fremdkapitalmarkt, sondern aus Bankkrediten.

Allerdings sehen sich die Kommunen aktuell einem schwierigen Umfeld gegenüber. „Die Jahre vor Corona waren gut, die Kommunen hatten hohe Überschüsse“, erklärt René Geißler. Er ist seit 2020 Professor für öffentliche Wirtschaft und Verwaltung an der Technischen Hochschule Wildau, zuvor hat er sich jahrelang bei der Bertelsmann-Stiftung mit Kommunalfinanzen befasst. „Aber für 2021 und die nächsten Jahre gibt es eine große Unsicherheit“, führt er weiter aus: „Und Unsicherheit bedeutet in der Praxis, Ausgaben möglichst zu reduzieren und neue Projekte zu vermeiden.“

Traditionell würden Kommunen als erstes die Investitionen zurückfahren, wenn das Geld knapp wird. Doch das ist gerade schlecht, denn den Umbau der Wirtschaft hin zur Nachhaltigkeit müssen auch die Gemeinden mitfinanzieren. Und auch Auswirkungen der Pandemie müssen sie abfedern. Hinzu kommt ein Investitionsstau im dreistelligen Milliardenbereich, der bereits vor Corona existierte.

Die KfW prognostiziert deshalb, dass die Aufnahme von Fremdkapital durch die Kommunen in den kommenden Jahren zunehmen wird. Bereits nach der Finanzkrise hatten die Städte zum Beispiel vermehrt Anleihen herausgegeben. So wandte sich etwa die Stadt Quickborn 2009 an die eigenen Bürger, um Geld einzusammeln. Die Quickborner konnten ab einem Mindestanlagebetrag von 5.000 Euro mit jährlichen Zinsen von drei Prozent rechnen. Für die Stadt war das ein gutes Geschäft, da dieser Zinssatz unter dem damals üblichen für Kommunalkredite lag. Vier Millionen Euro kamen so zusammen.

Allerdings zeigte sich schnell, dass ein solches Projekt wohl nicht ganz so einfach abzuwickeln war, wie sich Bürger und Kommune in der schleswig-holsteinischen Kleinstadt das vorgestellt hatten. Die Finanzaufsicht Bafin erkannte in dem Konstrukt ein Einlagengeschäft, welches man in Deutschland nur mit einer Banklizenz betreiben darf. Zwar fand Quickborn einen Weg, die Bürgeranleihe doch noch über die Zusammenarbeit mit einer Bank zu retten. Am Ende finanzierte die Stadt so die Sanierung einer Schule und eines Feuerwehrhauses. Aber das Beispiel zeigt den Aufwand, den eine solche Anleihe mit sich bringt.

„Und dieser Aufwand lohnt sich, wenn überhaupt, erst ab einer gewissen Summe“, sagt Geißler. Entsprechend sei eine Anleihe höchstens für Großstädte wie München interessant, oder für Zusammenschlüsse mehrerer kleiner Kommunen. Der Experte glaubt nicht daran, dass Anleihen zu einem weit verbreiteten Instrument in Deutschland werden, selbst wenn sie wie bei den Green City Bonds explizit an den Klimaschutz gebunden sind. „Dabei geht es oft vor allem um Marketing“, sagt er. Insgesamt gebe es in Deutschland gerade einmal acht laufende Anleihen.

Im Vergleich zur Zeit nach der Finanzkrise hat sich außerdem ein Faktor verändert: Das Zinsniveau. Entsprechend sind klassische Bankkredite auch für Kommunen so attraktiv wie noch nie. Vor allem Landesbanken, Förderbanken und Sparkassen geben gerne Kommunalkredite heraus, auch weil die Gemeinden gerne gesehene Geschäftspartner sind. Denn faktisch können Kommunen in Deutschland nicht bankrottgehen, da die Länder im Ernstfall haften werden.

Stephan Brand und Johannes Steinbrecher, beide Experten für Kommunalfinanzen bei KfW Research, weisen in einem Beitrag für die Zeitschrift Wirtschaftsdienst außerdem darauf hin, dass viele Kommunen ihre Schuldenlast vor Corona deutlich reduziert haben. „Der Kommunalkredit kann somit auch in den kommenden Jahren eine wichtige Rolle bei der Sicherstellung der Investitionen spielen“, so ihr Fazit.

Gerade beim Umbau der Wirtschaft sehen aber auch Experten, dass Kommunalkredite allein wohl nicht reichen werden, um alle Investitionen zu finanzieren. Steuererhöhungen könnten ein Thema werden, vor allem bei der Grundsteuer, die eine wichtige Einnahmequelle für Gemeinden ist. „Aber auch Bund und Länder werden mit Förderprogrammen einspringen müssen“, sagt René Geißler von der TH Wildau.

Er fordert außerdem, dass die Aufsichtsbehörden den Kommunen mehr Spielräume geben. „Denn das ist aktuell oft der Engpass“, meint er. Aufsichtsbehörden würden Kommunalkredite oft an einem Punkt deckeln, der wirtschaftlich nicht nachvollziehbar sei. „Dann dürfen die Gemeinden keine Kredite mehr aufnehmen, obwohl sie diese ohne weiteres tragen können.“


Über den Autor:

Lars-Thorben Niggehoff ist Gründer des Journalistenbüros „dreimaldrei“, Redakteur beim Finvia Magazin wie auch dem Start-up-Medium Startbase. Als freier Journalist schreibt er unter anderem auch für Brand Eins, den Cicero und die Welt über Wirtschafts-, Immobilien- und Finanzthemen. Niggehoff hat Volkswirtschaftslehre und Sozialwissenschaften studiert und parallel dazu die Kölner Journalistenschule besucht.

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