Investitionen dringend benötigt Neue Strategien öffnen die Asset-Klasse Infrastruktur

Ein Bauarbeiter beobachtet ein Fußballspiel zwischen Manchester United und Arsenal

Ein Bauarbeiter beobachtet ein Fußballspiel zwischen Manchester United und Arsenal: Bei Sportmannschaften gilt oft die kaufmännische Losung, lieber in Steine statt Beine zu investieren - also in Infrastruktur. Foto: Imago Images / Offside Sports Photography

Für Sportmannschaften, die erfolgreich sind und bleiben wollen, gibt es eine kaufmännische Losung: „Investiere in Steine, nicht in Beine“. Ein Stadion oder Nachwuchszentrum benötigt zunächst gewaltige Investitionssummen, wirft für einen Verein aber nachhaltig Gewinne ab – idealerweise. Anleger, die auf Langfristigkeit setzen, suchen ebenfalls oft nach Investitionsmöglichkeiten in Steine, in der Infrastruktur. Auch hier geht es um hohe Summen, die Investments sind zwar in der Regel nicht liquide, werfen dafür aber langfristige Renditen ab – inklusive Illiquiditätsprämie.

Investitionen in Infrastruktur werden dringend benötigt. Das Deutsche Institut für Urbanistik schätzte im August 2023 den Investitionsbedarf für den Erhalt sowie die Erweiterung von Straßen, Schienen und Co. auf 372 Milliarden Euro. Und um das Ziel der EU zu erfüllen, bis 2050 klimaneutral zu werden, braucht es 302 Milliarden Euro – pro Jahr.

Angesichts solcher Zahlen wird klar, dass staatliche Investitionen bei Weitem nicht ausreichen werden. Das bietet umgekehrt auch Chancen. Das zeigt sich daran, dass Anleger im Vergleich zum vergangenen Jahr ihr Engagement erhöhen.

Großes Anlageuniversum

Bei Infrastruktur denkt man oft an Straßen, Schienen und Brücken. Tatsächlich geht das Investitionsumfeld aber weit darüber hinaus. Energie, soziale Infrastruktur wie Krankenhäuser, Kindergärten oder Schulen gehören ebenso zum Feld der Infrastruktur wie die Unternehmen, die dahinterstehen. Hierbei handelt es sich sowohl um öffentliche als auch um private Unternehmen. Private Märkte, also Anlagen, die nicht über eine Börse öffentlich zugänglich sind, bieten ein deutlich größeres Anlageuniversum als ihr öffentliches Pendant.

2023 gab es weltweit mehr als 140.000 private Unternehmen mit einem Jahresumsatz von jeweils mehr als 100 Millionen US-Dollar, verglichen mit nur 19.000 öffentlichen Unternehmen mit demselben Umsatzniveau. So die Schätzung von Christian D’Amico, Vertriebsleiter beim US-Investmentmanager Hamilton Lane. Für Investoren kann das ein interessantes Spielfeld eröffnen: liquide Infrastruktur.

 

Portfoliomanager und Teamleiter Prabal Sidana von der Partners Group setzt bereits seit 2006 darauf: „Investitionen in Privatmärkte haben eine lange Reifezeit. Investiert man beispielsweise in eine Straße, hat man Konzessionen über 30 Jahre. Das heißt, man muss zehn, fünfzehn Jahre warten, um größere Renditen zu sehen.“ In den öffentlichen Märkten sei die Rendite zwar etwas geringer, da es keine Illiquiditätsprämie gebe. Im Gegenzug bleibe das Portfolio dafür liquide, was den Handlungsspielraum erweitere. Kerninfrastruktur in den öffentlichen Märkten erziele zudem häufig eine Outperformance gegenüber dem MSCI World oder S&P 500.

Blickpunkt Städtebau

Nachhaltigkeit spielt bei Infrastruktur ebenfalls eine tragende Rolle. „Infrastruktur hat in vielen Subsektoren eine große Nähe zur Nachhaltigkeit, wie Renewables und letztendlich auch Social Infrastructure“, sagt Volker Kurr, Europachef für den institutionellen Vertrieb bei Legal & General Investment Management. Denn auch Neubauten oder modernisierte Häuser erweisen sich meist als CO2-neutraler.

Was laut Marc Dellmann, Vertriebsleiter bei NIO Partners, häufig vergessen wird, ist der Städtebau. Bis 2050 werden zwei Drittel der Menschen in urbanen Gegenden wohnen. Städte sind bereits heute für 70 Prozent der Treibhausgase verantwortlich. 75 Prozent aller Materialien werden hier verbaut, 50 Prozent des Abfalls produziert. Wenn man den Weg zu einer nachhaltigen und klimaneutralen Gesellschaft beschreiten will, sind neue Investitionen unabdingbar. Gerade in Projekten, die CO2-intensiv sind. Hier kann durch moderne Baumethoden eine bessere Bilanz erreicht werden. Für Eltif- und Sicav-Fonds sind diese Kriterien ohnehin entscheidend, um aufgenommen zu werden.

Laut einer Umfrage von Nuveen unter 800 institutionellen Investoren sind 55 Prozent der globalen Investoren der Meinung, dass sie die Energiewende durch ihre Investitionen maßgeblich beeinflussen können. 57 Prozent gaben an, dass sie in alternativen Energien wie erneuerbare Energien, Kernkraft oder Wasserstoff engagiert sind oder dies anstreben. Darüber hinaus sind 51 Prozent daran interessiert, in neue Infrastrukturprojekte zu investieren, einschließlich neuer Energiespeicher und -netze und Batteriespeicher. Bei deutschen Investoren rangieren private Infrastrukturanlagen mit 53 Prozent sogar vor allen anderen Anlageklassen.

Knackpunkt Liquiditätssteuerung

Innerhalb der Anlageklasse Infrastruktur sollte ebenfalls auf das Thema Diversifikation geachtet werden. Sidana versucht dies bei Investments in liquide Infrastruktur über ein breites Aktienspektrum abzudecken. Bei illiquiden Investments in Privatmärkte muss das ebenfalls geschehen, erklärt Dellmann: „Mit Blick auf Expertise, Technik, Technologie und Entwicklungsrisiken muss man ja genau verstehen, in was man investiert. Man kann nicht einfach sagen, bestens, hier sind 100 nachhaltige Fonds zum Thema Energietransformation.“

Genau deshalb sei es wichtig, über den Tellerrand zu schauen und andere Projekte mit im Auge zu haben, wie eben Städtebau, sozialer Wohnungsbau, Krankenhäuser, Bildungseinrichtungen und Unternehmen, welche die gesamte Wertschöpfungskette abbilden. Laut Kurr ist es schwierig, Diversifikation aufzubauen. Der liquide Bereich der öffentlichen Märkte sei dazu eine Möglichkeit, da er zudem transparenter ist. „Aber das ganze Thema Infrastruktur wird uns in Zukunft ständig begleiten, da die Anlagen für eine funktionierende Volkswirtschaft essenziell sind“, sagt Kurr.

Dies impliziere einen kontinuierlichen Investitionsbedarf. Qua Definition höre das Thema eben nie auf, was es zu einer langfristigen Geldanlage mache. Die Liquiditätssteuerung im Portfolio sei zudem wichtig, da man aufgrund dieser Langfristigkeit das Geld nicht einfach abziehen könne. Weshalb Diversifikation und strategische Reallokation bei Infrastruktur besonders zu beachten seien.

Infrastruktur für Privatanleger?

Bei den hohen Investitionssummen und der Langfristigkeit von Infrastruktur stellt sich die Frage: Können nicht-institutionelle Anleger überhaupt investieren? Kurr sieht durchaus die Möglichkeit, etwa durch den Eltif: „Grundsätzlich ist das sehr zu begrüßen, dass auf europäischer Ebene ein gemeinsamer Weg geschaffen wird.“ Man müsse dann schauen, wie es angenommen wird. Normalerweise sehe der Weg wie folgt aus: Erst kommen die Staatsfonds, dann die großen Versicherer, anschließend die kleineren, dann die Pensionsfonds in Europa, das Private Banking und irgendwann – hoffentlich – die Banken.

 

Grundsätzlich habe Infrastruktur eine natürliche Nähe zu institutionellen Investoren, da die Zeithorizonte anders seien als bei Privatanlegern, etwa mit Blick auf Pensionsverpflichtungen. Da Kapital letztendlich angelegt werden und die Nachfrage vorhanden sein muss, passt Infrastruktur hier gut. Wenn man sich jedoch Anlagehorizonte von 20 Jahren anschaut, passt dies eher schlecht zu Privatpersonen. Hier fehlt der breiten Masse schlicht das Kapital. Es zumindest auf den semi-institutionellen Markt runterbrechen zu können, sei ein guter Anfang.

Mittelbeschaffung ist problematisch

Ein Problem, das aktuell auftritt, ist die Mittelbeschaffung. Das zeigt eine Studie von Preqin. Die Analyse der im Jahr 2023 geschlossenen Fonds zeigt, dass erstmals die Mehrheit der Fonds mehr als zwei Jahre bis zum endgültigen Abschluss braucht. Dies ist ein deutlicher Anstieg gegenüber dem Jahr 2019, vor Covid-19, als nur 23 Prozent der Fonds so lange brauchten. Als Gründe werden das starke Wachstum der Fonds und das angestrebte Kapital ausgemacht. Durch den hohen Wettbewerb werden Fondsmanager in ihren Zielen eingeschränkt – es sei denn, die Zuweisungen von Investoren wachsen an.

Um dies zu verdeutlichen, dient folgendes Rechenbeispiel: Teilt man das angestrebte Kapital durch das in den vergangenen zwölf Monaten eingeworbene Kapital, so zeigt sich, dass dieser Indikator bis zum Ende des dritten Quartals 2023 auf neun Jahre hochgeschnellt ist. Der typische Wert liegt bei anderthalb bis zwei Jahren. Im vierten Quartal 2023 sank der Wert auf sieben Jahre, gleichzeitig stieg jedoch erneut das angestrebte Kapital.

All dies zeigt: Es werden mehr Investitionen benötigt. Ob ein Vehikel wie der Eltif oder andere Publikumsfonds hier Abhilfe schaffen können, muss sich noch zeigen. In jüngster Zeit hat beispielsweise Union Investment einen Infrastruktur-Eltif aufgelegt. Wie massentauglich solche Fonds sein werden, ist jedoch noch schwer abzuschätzen. Eine wirkliche Antwort wird es erst geben, wenn verlässliche Zahlen dazu vorhanden sind.

Ungebrochenes Interesse

Das Global Private Equity Barometer von Coller Capital aus dem Dezember 2023 zeigt ebenfalls ein ungebrochenes Interesse an Infrastruktur. Für die Umfrage wurden global 110 Private-Equity-Anleger – also die Limited Partners, kurz: LPs – befragt. 90 Prozent beabsichtigen demnach, ihre Allokation in alternativen Anlagen stabil zu halten oder zu erhöhen. 44 Prozent planen, mehr in Private Debt zu investieren, gefolgt von Infrastruktur mit 27 Prozent, Private Equity mit 25 Prozent, Immobilien mit 17 Prozent und Hedgefonds mit nur 2 Prozent.

In anderen Bereichen sind Private Markets von langfristigen Trends beeinflusst, die weit über den aktuellen Marktzyklus hinaus anhalten werden. Die stetig wachsende Nachfrage nach mehr Datenverarbeitung führt zu einem starken strukturellen Aufschwung bei Vermögenswerten im Zusammenhang mit der digitalen Infrastruktur, wie beispielsweise Rechenzentren. Hier zeigt sich allerdings wieder das beschriebene Problem: Ohne Kapital können die besten Investitionsideen nicht vorangebracht werden.

Politik hat Einfluss

Bei Infrastrukturprojekten darf nie unterschätzt werden, welche maßgeblichen Einfluss die Politik hat. Gewisse Ereignisse üben auch auf den Aktienmarkt Einfluss aus. Bei Infrastruktur ist die Korrelation oft direkter und deutlicher zu erkennen. Wenn man etwa weiß, dass die europäischen Länder 100 Prozent erneuerbare Energie anstreben, weiß man auch: Das Thema begleitet einen wesentlich länger. Während ein Unternehmer relativ frei im Rahmen seiner Möglichkeiten entscheiden kann, in welche Richtung er seine Firma entwickeln möchte, richtet sich Infrastruktur in der Regel nach dem Willen der Politik aus.

 

Das zeigt der Krieg zwischen Russland und der Ukraine. In kürzester Zeit gab es einen gestiegenen Bedarf nach Alternativen zu Gas aus Russland. Terminals mussten gebaut, Windparks schneller errichtet werden. Wasserstoff wurde zum Megatrend für die Zukunft auserkoren, was den Investitionsbedarf angeheizt hat.

Im Gegenzug winken langfristige Gewinne für diejenigen, die in der Lage sind, diese Projekte zu finanzieren. Am Ende des Tages ist es wieder ähnlich wie beim Sportverein: Steine werfen nachhaltige Gewinne ab und sichern das Überleben, brauchen aber gewaltige Investitionssummen.

Und womöglich müssen Vereinsführung, Sponsoren und Fans zusammen das Projekt stemmen – sprich Politik, institutionelle Investoren und Privatanleger zusammen die Mammutaufgabe lösen. Der Bedarf ist da. Nun muss er umgesetzt werden.

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