Neue Nutzungskonzepte Wie gemischt genutzte Immobilien das Mietrecht verändern

Ulrich Loetz (l.), Anna Gaßner und Dr. Marina Schäuble von der Kanzlei Arnecke Sibeth Dabelstein.

Ulrich Loetz (l.), Anna Gaßner und Dr. Marina Schäuble von der Kanzlei Arnecke Sibeth Dabelstein. Foto: Arnecke Sibeth Dabelstein

Die Immobilienbranche befindet sich im Umbruch. Mehr und mehr Menschen drängen in die Städte, in denen das Raumangebot jedoch immer knapper wird. Das Leben auf dem Land erscheint immer weniger attraktiv, bedeutet es doch weniger Arbeitsplätze, schlechtere Infrastruktur und weniger Auswahl bei der Freizeitgestaltung. Befeuert wird dieser Trend der Urbanisierung durch die steigenden Anforderungen der Bewohner an Wohnen, Infrastruktur, Arbeitsplatz, kurze Wege, Nachhaltigkeit, Kosteneffizienz sowie nachbarschaftliche Gemeinschaftsstrukturen.

Projekte wie Hybridtower, Co-Living-/Co-Working-Objekte, gemischt genutzte Immobilien mit Fachmarkt, Büro- und Wohnflächen unter einem Dach oder auch Immobilien mit Pop-up-Vermietungen werden daher immer interessanter und stehen schon heute auf der Shopping-Liste zukunftsorientierter Investoren. Dies zwingt Kommunen, Projektentwickler und Bestandshalter dazu, neue städtebauliche Nutzungskonzepte zu entwickeln.

Wegen des durch die Urbanisierung zunehmend begrenzten Raumangebots müssen die Städte die raren, noch unbebauten oder von unnötigen Nutzungen beanspruchten Flächen neu erschließen und bestehende Stadtviertel nachverdichten. Die Kommunen stellt dies aus städtebaulicher Sicht vor große Herausforderungen, da sie die Interessen einer Vielzahl von Nutzern in Einklang bringen müssen.

So darf beispielsweise der von gewerblichen Nutzungen ausgehende Lärm nicht den Anforderungen an gesundes Wohnen widersprechen. Hierzu müssen etwa die für eine ausreichende Belüftung und Belichtung erforderlichen Mindestabstände zwischen Gebäuden eingehalten werden. Die durch Nachverdichtung in bereits dicht besiedelten Stadtvierteln auftretenden Infrastrukturprobleme gilt es durch innovative Konzepte zu lösen.

Mit dem klassischen städtebaulichen Handwerkszeug lassen sich diese Konflikte und neuen Anforderungen kaum bewältigen. Denn das heutige Städtebaurecht wurde eigentlich zum gegenteiligen Zweck entwickelt. Die Industrialisierung der Städte sollte zugunsten gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse durch eine Auflockerung der Bebauung abgemildert und eine Durchmischung der schmutzigen Industrien mit Wohnnutzungen verhindert werden. Diese Ausgangslage entspricht heute nicht mehr den aktuellen Entwicklungen der Wirtschaft und Industrie, die zunehmend von nicht störenden Dienstleistungen statt lärmintensiven Gewerbebetrieben geprägt wird. Der zunehmende Raummangel zwingt zu einem Umdenken und einer Neubewertung nachhaltiger Städtebaukonzepte.  

Vor diesem Hintergrund sah sich der Gesetzgeber dazu veranlasst, neue rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen, um Kommunen mehr Flexibilität für die Entwicklung ihrer Innenstädte zu bieten. Prominentestes Beispiel ist das im Jahr 2017 neu eingeführte sogenannte urbane Gebiet. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers wird mit diesem neuen Baugebietstyp den Kommunen ein Instrument zur Verfügung gestellt, mit dem sie planerisch die nutzungsgemischte Stadt der kurzen Wege verwirklichen können. Das urbane Gebiet ermöglicht insbesondere eine stärkere Verdichtung der Bebauung und eine Lockerung des Lärmschutzes am Tag. Im Ergebnis keine perfekte All-in-One-Lösung, sondern der erste Schritt auf dem langen Weg der bauplanerischen Urbanisierung.