Anders erwachsen Warum eine neue Generation von Family Offices entsteht

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Family Offices auf Augenhöhe

Auch das Gründer-Trio um Kühn setzt zu einem großen Teil auf alternative Assets. Während 50 Prozent des Portfolios in liquide Anlagen und damit in Anleihen und Aktien investiert sind, entfallen 30 Prozent auf Private-Equity- und Venture-Capital-Fonds – und zusätzlich noch einmal 20 Prozent auf risikoreichere Alternativen wie Kryptowährungen oder Direktbeteiligungen. Dabei setzen die Prinzipale des Family Offices auch auf ihre eigene Erfahrung. Für Kühn liegt das auf der Hand: „Berliner Gründer haben am Beispiel ihres eigenen Unternehmens erlebt, welche Renditen ihre Venture-Capital-Investoren erzielen konnten, und möchten daher ihr Geld dementsprechend auch in VC-Fonds und VC-Direktinvestments tätigen“, erklärt er. Als erste Generation innerhalb des Family Offices sei die Risikoneigung höher, die Ausrichtung unternehmerischer. „Bei den Direktbeteiligungen spielt natürlich oft auch der Gedanke mit, das eigene Wissen und die eigene Erfahrung gewinnbringend weitergeben zu können“, erklärt er.

 

 

Hanno Roth, Managing Director bei Rothschild & Co. in Deutschland, arbeitet seit Jahren mit Multi und auch Single Family Offices in Deutschland zusammen. Auch er stellt ein zunehmendes Interesse für alternative Anlagen fest und liefert eine weitere Erklärung dafür: „Wenn ein Gründer die erste Firma mit Anfang 20 verkauft, die zweite und dritte dann folgt, dann ist das jeweils eher ein kurz- oder mittelfristiges Investment als ein auf Lebenszeit gebundenes Vermögen wie ein Familienunternehmen.“ Die emotionale Bindung sei nicht so eng wie bei über Generationen hinweg vererbten Familienunternehmen, das Interesse für andere Unternehmen und Investments in der eigenen Branche hoch.

Das führt im Umkehrschluss dazu, dass einzelne Family Offices Schwerpunkte in der Kapitalanlage bilden. Bei BLN Capital liegt dieser laut Kühn etwa im Technologiesektor, aus dem heraus auch das ursprüngliche Unternehmen Kolibri heraus entstand. „Fast jedes Single Family Office hat eine besondere Expertise und bringt sie nicht selten in Club Deals mit anderen Single Family Offices ein“, bestätigt Roth. Die Studienautoren von Roland Berger gehen sogar so weit, Family Offices durch die Spezialisierung als Konkurrenz zu großen Private-Equity- oder Venture-Capital-Fonds einzustufen. Zudem nahm laut der PWC-Studie der Anteil der Club Deals, in denen die Family Offices gemeinsam mit Partnern direkte Beteiligungen eingehen, in den vergangenen Jahren stetig zu. Ein Phänomen, das nicht nur exklusiv für Single Family Offices gelte, erklärt Roth: „Auch bei Multi Family Offices sehen wir solche Kooperationen immer häufiger.“ Er plädiert für „eine Art Maklersystem“, bei denen Family Offices untereinander Spezialisten für die einzelnen Anlageklassen vermitteln und modularer auftreten.

Partner und Professionals

Das Family Office der Kolibri-Gründer hat ein dreiköpfiges Investmentteam mit Erfahrung aus Private Wealth Management, Venture Capital und kommerzieller Due Diligence, setzt in der Kapitalanlage aber auch auf externe Expertise. Bei liquiden Investments überwacht das Team neben den eigenen Investments auch zwei Vermögensverwaltungsmandate von Banken. Für Buchhaltungs- und Steuerberatungsthemen arbeitet BLN Capital mit einer Hamburger Kanzlei zusammen, für andere Themen mit zwei weiteren. Das Reporting dagegen wickelt das Team intern ab.

Die unterschiedlichen, aber dennoch eher gestiegenen Erwartungen an das Family Office wirken sich auch auf die Personalplanung aus. „Das Family Office muss Mitarbeiter beschäftigen, die nicht nur Bilanzen und Geschäftsmodelle verstehen, sondern vor allem auch die Auswirkungen der Direktbeteiligungen auf das Gesamtportfolio einschätzen und steuern können“, erklärt Heike Schwesinger, die über Schwesinger & Cie. Family Offices bei der Personalsuche unterstützt. Auch Nachhaltigkeit oder Engagement spielt für jüngere Vermögende und Nextgens eine große Rolle, wie jüngst etwa eine Umfrage der WHU Otto Beisheim School of Management zeigte. Konzepte wie Family Offices werden demnach zwar akzeptiert, aber auch immer häufiger hinterfragt.

Nur: Sind klassische Finanzdienstleister und mögliche Mitarbeiter von Family Offices darauf eingestellt? Schwesinger ist kritisch. Die junge Generation sei informeller, vernetzter und kritischer: „Dem Family Office stehen für die Vermögensverwaltung ausgebildete, aktive und kritisch hinterfragende Prinzipale gegenüber, die selber über ein exzellentes Netzwerk verfügen und andere Ansprüche an Agilität, Kommunikation, Transparenz und Digitalisierung stellen.“ Darauf müssten sich Family Officer und Finanzdienstleister einstellen.

Bewährtes bleibt trotzdem

Sowohl Schwesinger, Roth als auch Gerwert sehen zudem in der Digitalisierung der Family Offices viel Aufholpotenzial. Kleinigkeiten wie digitale Unterschriften, Kompetenz in den sozialen Medien oder die Abkehr von ausgedruckten Vertragswerken in Buchgröße sind für sie entscheidend – Start-up-Gründer Kühn gibt ihnen Recht. Aber auch in der Kapitalanlage erwartet er mehr: „Wenn uns eine Bank nur einmal im Jahr Zugang zu einem Venture Capital-Fonds bieten kann, den wir schon Monate davor vom Fonds direkt präsentiert bekommen haben, sind wir weniger gewillt, diesen Fonds auch über eine unserer Banken zu zeichnen.“

Trotz aller Eigeninitiative und Spezialisierung brauchen aber auch fast alle Family Offices noch die Unterstützung klassischer Finanzdienstleister oder Banken, erklärt PWC-Mann Gerwert: „Neobanken, Direktbroker, digitale Vermögensverwalter, oder auch das Thema Kryptowährungen sind für Großvermögen ein teilweise sinnvoller Zusatz, jedoch kann ich zu viele Investmentthemen nur über eine ‚normale‘ Bank abbilden und verbuchen lassen.“

Und auch die Digitalunternehmer um Kühn und das Family Office BLN Capital wissen Banken und Wealth Manager zu schätzen. Einen Aufbau ihrer Vermögensverwaltung ohne Beziehung zu klassischen Finanzdienstleistern hält Kühn für unwahrscheinlich. „In Zeiten wie heute einen Ansprechpartner zu haben, der uns die Sichtweisen seiner oder ihrer Bank zu einer Vielzahl von Themen zur Verfügung stellen kann, ist für uns sehr wertvoll“, erklärt er – und dürfte damit klar machen, dass auch die neue Generation der Family Office die „alte Finanzwelt“ noch schätzt und braucht, trotz eigener Fachkenntnis, fachlicher Augenhöhe, mehr Transparenz, Engagement, Digitalisierung und besserer Netzwerke. So sehr sich die Experten nämlich auch auf die großen Trends innerhalb der neuen Generation der Family Offices einigen können, so einvernehmlich sind sie es auch mit dem Blick auf ihre Unterschiedlichkeit. Roth bringt es auf den Punkt: „Kein Family Office ist wie das andere. Es ist ein sehr heterogener Markt, sowohl im Bereich der Single als auch der Multi Family Offices.“

 

 

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