Neue Normalität Warum Anleger negative Renditen in Kauf nehmen

Guilhem Savry (links) und Jérôme Teiletche von Unigestion

Guilhem Savry (links) und Jérôme Teiletche von Unigestion

In einer Volkswirtschaft sind Zinsen gleichbedeutend mit Kapitalkosten. Die derzeit zu beobachtenden niedrigen Zinsen beziehungsweise negativen Renditen signalisieren, dass, gemessen an der Nachfrage, ein Überangebot an Kapital besteht.

In diesem Artikel analysieren wir die Auswirkungen der sogenannten neuen Normalität und gehen auf folgende Fragen ein:

  • Warum Anleger noch immer in negativ rentierende Anlagen investieren
  • Wo der Abwärtstrend der Negativzinsen enden wird
  • Was sind die Auswirkungen und Lösungen für die Asset-Allokation
  • Wie sich diese Situation ändern könnte

In der Vergangenheit wurden vereinzelt Phasen verzeichnet, in denen die Zinsen in den negativen Bereich fielen. Diese waren bisher allerdings sehr selten. Derartige Perioden waren meistens von der Angst oder Verunsicherung der Investoren geprägt, die auf sicherere Anlagen umschichteten. Ein Beispiel hierfür waren 2008 die negativen Renditen von 3-monatigen US-Schatzanweisungen, die die extreme Risikoaversion widerspiegelten.

Im Rückblick ist jedoch festzustellen, dass diese Perioden außergewöhnlich und von vorübergehender Natur waren. Immer wieder haben bestimmte Länder negative Zinsen genutzt, um die Kapitalflüsse zusteuern, wie beispielsweise die Schweiz in den 1970er Jahren. Die Federal Reserve Bank von St. Louis schrieb 2013 dazu: „...die Existenz negativer Renditen liefert jedoch keinerlei Rechtfertigung für das Argument, dass Zentralbanken negative Zinsen als geldpolitisches Instrument betrachten sollten.“

Zwei Jahre später verzeichneten die Staatsanleihen Japans, Dänemarks, Schwedens, der Schweiz und einiger Länder der Eurozone negative Renditen. Das Volumen der Staatsanleihen mit negativen Renditen entsprach Mitte Februar 2015 insgesamt rund 25 Prozent des BofA ML Euro Government-Index.

Grund für die derzeitige Situation ist die außergewöhnliche Nachfrage der Zentralbanken. Hinzu kommt die strukturelle Nachfrage nach festverzinslichen Anlagen infolge der neuen Regulierung des Finanzsektors, das heißt Basel III und Solvency II, wobei die Nachfrage der Unternehmen und Privatanleger noch immer schwach ist.

Warum Anleger negative Renditen in Kauf nehmen

Wie sich bei den letzten Auktionen zeigte, erfreuten sich Anleihen mit negativen Renditen einer regen Nachfrage seitens der Anleger. Abgesehen von Investoren mit einer passiven Benchmark-orientierten Allokation finden Anleger, die weniger an Benchmark-Vorgaben gebunden sind, möglicherweise rationale Gründe für den Kauf von negativ rentierenden Bonds.

Grundsätzlich muss zwischen der Nominal- und der Realrendite unterschieden werden. Für Investoren in Ländern mit hohem Deflationsrisiko sind negative Renditen immer so lange attraktiv, wie sie über der Inflationsrate liegen. Einfach ausgedrückt bedeutet dies, dass eine Rendite von minus ein Prozent nicht zwangsläufig unattraktiv ist, wenn die Inflationsrate bei minus 2 Prozent liegt. In diesem Falle ist die Realrendite positiv.

Darüber hinaus zeigt das Beispiel Japans, dass in einer deflationären Volkswirtschaft selbst Staatsanleihen mit niedrigen Renditen die beste Anlage sein können.

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In diesem Zusammenhang ist die erzielte Carry ein wichtiges Argument. Die Zentralbanken nutzen negative Einlagenzinsen als geldpolitisches Instrument zur Belebung der Risikobereitschaft und Kreditschöpfung in der Eurozone, in Japan und Schweden oder zur Abwertung ihrer Währung, wie dies in Dänemark und der Schweiz der Fall war.

Unter diesen Rahmenbedingungen bleibt die Zinskurve steil, so dass Investoren Langläufer anstelle von kurzfristigen Allokationen mit niedrigerer Rendite bevorzugen. Die Renditekurve hat sich in negatives Terrain verlagert, doch der Carry-Mechanismus hat nach wie vor Bestand.

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