Naives Herdenverhalten Warum Smart Beta nicht funktioniert

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Der Begriff „Smart Beta“ ist ein typisches Beispiel von Gegenteilisierung

Der britische Autor John Lanchester hat im vergangenen Jahr das Buch „How to Speak Money“ (auf Deutsch 2015: „Die Sprache des Geldes“) veröffentlicht. Hierin hat er den Versuch unternommen, die Sprache der Finanzwelt allgemein verständlich auszudrücken. Dabei ist er auf ein Phänomen gestoßen, das viele Finanzausdrücke besonders unverständlich macht: die sogenannte „Gegenteilisierung“ (im Original: „Reversification“).

Für Finanzinstrumente sind nicht nur Bezeichnungen üblich, die ihre Eigenschaften beschönigen. Tatsächlich werden sie mit Namen versehen, die genau das Gegenteil vom eigentlichen Wortsinn bedeuten. Lanchester nimmt als Beispiel den Begriff „Hedgefonds“. Mit „Hedging“ wird normalerweise eine Absicherung ausgedrückt, insofern müssten Hedgefonds vom Wortsinn her eigentlich sehr sichere Produkte sein. Aufgrund ihrer teilweise hochspekulativen Strategien und rechtlichen Gestaltungen sind Hedgefonds in der Praxis aber besonders unsicher.

Smart Beta ist ein relativ krasses Beispiel für Gegenteilisierung. Denn erstens geht es nicht um Beta, sondern um Alpha. Und zweitens ist es nicht „smart“ zu glauben, dass sich ein zwischenzeitlicher Erfolg von relativ simplen Faktor-Investing-Strategien dauerhaft wiederholen lässt.

Im Gegenteil ist es sogar „very stupid“ anzunehmen, dass mittels Befolgung relativ einfacher quantitativer Regeln Aktien- oder Rentenmarktindizes dauerhaft zu schlagen sind, man also Alpha generieren kann. So einfach funktioniert die reale Welt nicht, speziell an den Finanzmärkten.

Smart Beta dient als neue Ausrede für prozyklisches Verhalten

Faktor-Investing muss nichts Schlechtes sein. Wenn man es zum Beispiel dazu nutzt, ein Portfolio zu konstruieren, das ein anderes Chance-Risiko-Profil als ein Marktindex hat und so bestimmten Investorenanforderungen näher kommt, kann es seine Berechtigung haben. Allerdings darf dann nicht ebenfalls erwartet werden, dass so langfristig ein repräsentativer Marktindex zu schlagen ist.

Eine dauerhafte Outperformance versprechen hingegen die Propagandisten von Smart Beta. Sehr langfristige empirische Untersuchungen zeigen, dass Smart Beta-Strategien, die in bestimmten Phasen eines Börsenzyklus sehr gut funktionieren, in anderen Perioden versagen. Insbesondere wenn Anleger auf eine Strategie setzen, die in den gerade zurückliegenden Jahren sehr gute Ergebnisse gebracht hat, ist eigentlich ihr Misserfolg für die weitere Zukunft vorprogrammiert.

Genau eine solche Vorgehensweise wird dennoch heutzutage von vielen Consultants empfohlen – und von einer erschreckend hohen Anzahl von Anlegern gerade im institutionellen Bereich umgesetzt. Smart Beta ist somit zu einer Ausrede für Herdenverhalten und prozyklische Anlageentscheidungen geworden.

Eine komplexe und verschiedenen Wirtschaftszyklen folgende Welt ändert sich ständig; Finanzmärkte passen sich daran schnell an. Erfolgreiche quantitative Anleger wissen dies, halten ihre Strategien solange wie möglich geheim und adjustieren ihre Modelle laufend. Smart Beta hingegen ignoriert die relativ banale Erkenntnis, dass sich in einer sich wandelnden Welt auch die zahlenmäßig erfassbaren Erfolgsfaktoren ständig ändern; vor allem wenn diese allgemein bekannt sind. Wer alten Erfolgskriterien hinterherläuft, erreicht dauerhaft nur eine dumme Wertvernichtung – „Very Stupid No-Alpha“.


Über den Autor:
Karl-Heinz Thielmann ist der Vorstand von Long-Term Investing Research – Institut für die langfristige Kapitalanlage.

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