Nachranganleihen von Versicherungen führen trotz ihrer attraktiven Bewertung ein Nischendasein im Anleihenmarkt. Wie auch in der Vergangenheit so litten die Bewertungen der Versicherungsanleihen dieses Jahr unter dem Störfeuer des Bankensektors. Insbesondere sogenannte „restricted Tier 1“ (rT1) Anleihen von Versicherungen fielen nach dem Zusammenbruch der Credit Suisse und der damit verbundenen Abschreibung ihrer AT1 Anleihen deutlich im Marktwert. Aus unserer Sicht gibt es allerdings für diese Korrektur keine fundamentale Begründung.
Der Markt scheint auch weiterhin die Vorteile der Nachranganleihen von Versicherern zu unterschätzen. Es ist empirisch belegt, dass der Versicherungssektor auf lange Sicht die niedrigsten Ausfallraten aller Sektoren aufweist. Die seit Inkrafttreten von Solvency II im Jahr 2016 deutlich verschärfte Regulierung sollte die Ausfallraten in Zukunft sogar noch weiter senken. Dazu haben börsennotierte Versicherer in der Regel auch einen klar definierten „Werkzeugkasten“ wie beispielsweise Dividendenkürzungen, um bei Unterschreitung ihrer Kapitalisierungsziele angemessen reagieren zu können.

Im Gegensatz zu Banken sind Versicherer in der Praxis auch keinem empirisch belegbaren „Run Risk“ ausgesetzt, wodurch eine Situation vergleichbar mit Credit Suisse nicht eintreten kann. Versicherungsanleihen haben auch, im Gegensatz zu (schweizerischen) Bankenanleihen bisher keinen „non-viability trigger“ bei denen ein Regulator ein Unternehmen für „nicht überlebensfähig“ erklären kann. In der Schweiz werden zwar solche „non-viability trigger“ zwar demnächst auch für Neuemissionen von Versicherern eingeführt, es bleibt aber fraglich, ob solche Instrumente nach den Erfahrungen mit der Credit Suisse dann auch wirklich begeben werden.
Versicherer sind ausgezeichnet kapitalisiert
Versicherer haben anders als die meisten anderen Sektoren von den steigenden Zinsen im letzten Jahr profitiert. Insbesondere kontinentaleuropäische Lebensversicherer mit großen traditionellen Lebensversicherungsbeständen weisen eine sehr zinssensitive Solvenzquote (Solvency II Ratio) auf. Zum Jahresende 2022 wiesen daher die meisten Versicherer Solvency II Ratios am oberen Ende ihrer selbst gesteckten Zielbereiche oder zum Teil sogar deutlich darüber aus. Im ersten Quartal 2023 haben sich diese nur geringfügig geändert.
Solvenzquoten der Versicherer:
So beträgt zum Beispiel die Solvency II Ratio der Munich Re zum 31. März 254 Prozent bei einem Zielbereich von 170 bis 220 Prozent. Allianz weist zum ersten Quartal eine Solvency II Ratio von 206 Prozent aus bei einem Minimalziel von 180 Prozent, während die Hannover Rück bei einem Minimalziel von 200 Prozent auf 261 Prozent kommt. Auch im europäischen Ausland ist ähnliches zu beobachten. Zum Beispiel beträgt bei der Swiss Re die Solvenzquote auf Basis des lokalen Aufsichtsrechts (SST Ratio) von 294 Prozent in 2022 und der italienische Versicherer Unipol eine Solvency II Ratio von 288 Prozent.
Der sich daraus ergebende Spielraum wurde von vielen Versicherern dahingehend genutzt, um in unsicheren Zeiten einen zusätzlichen Kapitalpuffer aufzubauen oder mehr Versicherungsgeschäft zu schreiben beziehungsweise um Aktienrückkäufe zu finanzieren oder Sonderdividenden zu zahlen.
Neues Aktienrückkaufprogramm der Allianz
Die Allianz hat zum Beispiel ein neues Aktienrückkaufprogramm über 1,5 Milliarden Euro gestartet. Die Hannover Rück hat einen Teil ihres überschüssigen Kapitals in ein deutliches Prämienwachstum in der Schaden-/Unfallrückversicherung investiert, nachdem das Preisniveau in dieser Sparte aufgrund der hohen Naturkatastrophenschäden der letzten Jahre wie beispielsweise Hurrikan Ian im Jahr 2023 auf den attraktivsten Stand seit fast 20 Jahren gestiegen ist.
Zusätzlich hat die Hannover Rück auch dieses Jahr eine Sonderdividende von einem Euro pro Aktie gezahlt. Auch die Munich Re wählte eine Kombination verschiedener Kapitalmaßnahmen, das heißt starkes Wachstum in der Schaden-/Unfallrückversicherung, ein Aktienrückkaufprogramm in Höhe von 1,0 Milliarden Euro und einer zusätzlichen Kapitalpuffer oberhalb des eigenen Zielbereichs.
Einen Sonderweg hingegen geht Unipol und widersetzt sich bisher jeglichen Forderungen von Aktionären, die Ausschüttungen zu erhöhen. Grundsätzlich könnten fast alle Versicherer ihre Ausschüttungen noch deutlich erhöhen, ohne ihre eigenen Solvenzziele zu verletzen. Viele Versicherer geben aber zu bedenken, dass sie einen nicht unerheblichen Teil des Überschusskapitals positiven Kapitalmarktentwicklungen wie beispielsweise steigenden Zinsen verdanken. Dieser ist in einem wie derzeit volatilen Marktumfeld im Zweifelsfalle nicht unbedingt nachhaltig.
Für Anleiheinvestoren sind die oben beschriebenen Kapitalmaßnahmen die „First Line of Defense“. Das heißt: Sollte aus irgendeinem Grund die Solvenzquote eines Versicherers unter den Zielbereich fallen, können sie davon ausgehen, dass nach Aufbrauchen des zusätzlichen Kapitalpuffers, der jeweilige Versicherer erst seine Aktienrückkäufe stoppen wird, bevor er sein Wachstum begrenzt und die Dividende kürzt, um seine Kapitalisierung zu stützen. Vor dem Hintergrund, dass die meisten europäischen Versicherer aus ihrem operativen Geschäft Kapital in Höhe von zirka 15 bis 30 Prozentpunkten der Solvency II Ratio pro Jahr generieren, haben solchen Ausschüttungsbegrenzungen oder -stops eine erheblichen stützen Effekt für die Solvency II Ratio.
Sinkende Neuemissionen stützen Bewertungen am Sekundärmarkt
Es sind nicht nur die guten Fundamentaldaten die für eine Neubewertung der Versicherungsnachränge sprechen. Wir erwarten auch, dass sinkende Neuemissionen in diesem Jahr, die Bewertungen auf dem Sekundärmarkt unterstützen. Die meisten Versicherungsnachränge haben ein erstes Kündigungsdatum zehn Jahre nach ihrer Emission. Da Versicherer Investorenerwartungen erfüllen und dieses Kündigungsrecht ausüben, wäre eigentlich eine Steigerung der Neuemissionen zu deren Refinanzierung in 2023 im Vergleich zum Vorjahr zu erwarten.
Allerdings haben viele Versicherer schon im Niedrigzinsumfeld der letzten Jahre ihre Anleihen vorzeitig zurückgekauft und zu günstigeren Konditionen refinanziert (sogenannte Liability Management Exercises oder „LMEs“) beziehungsweise aufgrund hoher operativer Kapitalgenerierung ihre Leverage zurückgefahren. Selbst die Welle der opportunistischen LMEs der letzten Monate sollte dieses nicht voll kompensieren können.
Erwartete Neuemissionen 2023:
Versicherungsnachränge bleiben daher eine attraktive Anlageklasse, die sehr hohe und steigende Kreditqualität im Hochzinsumfeld, extrem niedrige Ausfallraten bei hohen Renditen in einem günstigen Marktumfeld bietet.
Über den Autor:
Rötger Franz ist Portfoliomanager beim Züricher Fondsanbieter Plenum Investments. Der 2001 gegründete Vermögensverwalter für institutionelle und professionelle Kunden hat sich auf Versicherungsrisiken spezialisiert. Die Kernkompetenz liegt im Management von Naturkatastrophen-, Langlebigkeitsrisiken und regulatorischem Versicherungskapital. Das elfköpfige Team verwaltet fünf Fonds mit einem Volumen von insgesamt mehr als 820 Millionen US-Dollar. Das entspricht derzeit rund 850 Millionen Euro.