Nachlassplanung Was beim Vererben von Kunstwerken zu beachten ist

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Eine Übertragung von Kunstwerten bedeutet auch die Weitergabe von Pflichten und Kosten. Eventuell übersteigen Versicherungskosten, beziehungsweise Maßnahmen, die zur Sicherung getroffen werden müssten, die finanziellen Möglichkeiten des potenziellen Erben. Meistens fehlt den Eigentümern die Zeit, sich intensiv mit ihren Kunstwerken zu beschäftigen.

Kunstwerke können im Erbfall aus den genannten, oder aus persönlichen Gründen ein erhebliches Wert- beziehungsweise Streitpotenzial haben. Sie wecken familiäre Sensibilitäten. Eine klar formulierte Nachlassplanung trägt zur Vorbeugung derartiger Auseinandersetzungen bei.

Im Erbfall fehlt oft ein Überblick über die Kunstwerke

Ist der Erbfall eingetreten, stellt sich die Lage häufig komplex dar: mehrere Kunstwerke können im In- und Ausland sein, eine Bestandsliste liegt nicht immer vor, ein Überblick über die aktuellen Marktwerte fehlt. Viele erbschaftssteuerliche Fragen werden relevant. Wer soll den Bestand umgehend katalogisieren? Welche Handelsplatzoptionen gibt es bei Verkauf einzelner Werke oder eventuell sogar der ganzen Sammlung?

Für einen Testamentsvollstrecker ist aus Haftungsgründen die Sorgfaltspflicht entscheidend. Er kann nicht den nächstbesten Handelsplatz wählen, der um die Ecke liegt oder von dem er einmal gehört hat. Die große Pressewirksamkeit hoher Zuschläge in Auktionshäusern lässt die Wahl schnell auf diese Verkaufsmöglichkeit fallen. Lässt sich aber jedes, auch höherwertiges Kunstwerk aufgrund der Transparenz des Internets beliebig und unbesehen in eines der medial präsenten Auktionshäuser einliefern?

Auktionen sind nicht immer die richtige Lösung

So manches Kunstwerk – rund 25 bis 30 Prozent der Einlieferungen – bleibt in Auktionen unverkauft und ist dann „verbrannt“. Das ist im Erbfall besonders problematisch, da man aufgrund der medialen Verbreitung des Auktionsangebots auf einen umgehenden, finanziellen Erfolg gehofft hatte. Erben, Nachlassverwalter oder Testamentsvollstecker benötigen hier eine differenzierte Beratung und unabhängige Beurteilung der erfolgversprechendsten Handels- oder Auktionsplätze.

Eine Verkaufsalternative zur Auktion ist zum Beispiel der „Private Sale“, der am Kunstmarkt über 50 Prozent des Umsatzes ausmacht und über Kunsthändler, Galerien oder Kunstberater ausgeführt wird. Er ermöglicht einen Verkauf zu einem fest vereinbarten Preis und hat nicht die Ungewissheit eines möglichen Bieterverfahrens einer Auktion. Die Exklusivität dieser Verkaufsoption hält das Werk „marktfrisch“. Dies ist für den Käufer auch ein Argument, einen guten Preis zu bezahlen. Der Verkäufer hat die Sicherheit eines zugesagten Limits.

Laut des Art Basel Market Reports von 2018 besitzen rund 60 Prozent der Hochvermögenden weniger als zehn Kunstwerke. Meistens geht es also in Erbfällen nicht um große Sammlungen, sondern um einzelne Stücke, die auf dem Lebensweg bei einer Gelegenheit gekauft wurden, oder sich bereits seit vielen Jahren im Familienbesitz befinden. Doch auch diese wenigen Stücke können einen hohen Vermögenswert haben. Es gibt viele Chancen, diesen optimal zu übertragen, in seinem Wert zu optimieren oder gegebenenfalls bestmöglich zu verkaufen.

Über die Autorin:
Isabel Boden ist Geschäftsführerin der Fineart Advisory GmbH aus Berlin. Die Kunsthistorikerin berät zu Kunsttransaktionen – unter anderem auch im Rahmen eines Nachlasses. Boden blickt auf eine 20-jährige Erfahrung in den international renommierten Auktionshäusern Hauswedell & Nolte, Hamburg, und Villa Grisebach, Berlin, zurück.

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