Nachhaltigkeit von Ländern auf dem Prüfstand Ein Modell gibt Auskunft

Olaf John verantwortet die Geschäftsentwicklung bei Insight Investment in Europa.

Olaf John verantwortet die Geschäftsentwicklung bei Insight Investment in Europa. Foto: Insight Investment

Zehn Jahre nach der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise rücken die Nachhaltigkeitsrisiken einzelner Länder vor dem Hintergrund politischer und wirtschaftlicher Unsicherheiten vermehrt in den Fokus von institutionellen Investoren. Dabei ist die Geldanlage nach ökologischen, ethischen und sozialen Aspekten längst nicht mehr nur eine Frage der Moral und Ethik, sondern integraler Bestandteil renditespezifischer Überlegungen.

Laut dem Forum für nachhaltige Geldanlagen (FNG) lag das Anlagevolumen in diesem Bereich im vergangenen Jahr allein hierzulande bei 171 Milliarden Euro und damit so hoch wie nie zuvor. Insbesondere nachhaltige Investmentfonds konnten kräftig zulegen mit einem Volumenwachstum von 30 Prozent.

Klimawandel als wichtigster Risikofaktor 

Die Politik treibt diese Entwicklung zusätzlich an. Auf EU-Ebene widmet man sich der Entwicklung für ein nachhaltiges Finanzwesen. Hierbei werden verschiedene Stakeholder einbezogen, insbesondere institutionelle Anleger. Dabei geht es um ein EU-Klassifikationssystem („Taxonomie“). Anhand der im entsprechenden Richtlinien-Vorschlag vorgesehenen harmonisierten Kriterien soll sich bestimmen lassen, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit ökologisch nachhaltig ist.

Die vorgeschlagene Verordnung soll für Klarheit sorgen, wie institutionelle Anleger, etwa Vermögensverwalter, Versicherungsunternehmen, Pensionseinrichtungen oder Anlageberater, die Faktoren Umwelt, Soziales und Governance (ESG-Faktoren) in ihren Investitionsentscheidungsprozessen berücksichtigen. Dabei steht der Umwelt und insbesondere Klimaschutz im Vordergrund.

Die Crux: Trotz der zunehmenden Bedeutung, die den ESG-Faktoren beigemessen wird, konzentriert sich das Nachhaltigkeits-Research fast ausschließlich auf Unternehmen – während der Berücksichtigung von Staaten bislang wenig Bedeutung zukam. „Investoren in Staatsanleihen benötigen mehr Informationen, um fundierte Entscheidungen darüber zu treffen, inwieweit sich ESG-Faktoren in den Marktpreisen widerspiegeln oder in Zukunft auf diese auswirken werden“, betont Olaf John, Leiter Business Development Europa bei Insight Investment.

Der zu BNY Mellon gehörende Asset- und Risikomanager Insight Investment verwaltete per Ende September 678 Milliarden Euro und hat sich 2002 als einer der ersten Fixed Income Manager dieses Themas angenommen. Außerdem zählte das Unternehmen vor zwölf Jahren zu den Gründungsunterzeichnern der Prinzipien für verantwortliches Investieren (UN PRI).

Staaten unter der ESG-Lupe

Lag der Schwerpunkt bei der ESG-Analyse im Bereich festverzinslicher Wertpapiere bislang in erster Linie auf der Corporate-Seite, geht Insight im Zuge des steigenden Kundeninteresses in seinem jüngst erschienenen länderspezifischen Nachhaltigkeitsmodell einen Schritt weiter. „Wir sehen gerade bei der Risikoanalyse von Staatanleihen einen sehr wertvollen Input für unsere Anlageentscheidungen. Hierzu haben wir unser bestehendes Modell, das bereits 2012 als Staatsanleihenmodell Umweltrisiken berücksichtigte, weiterentwickelt und unter anderem mit dem Momentum-Score eine Kenngröße eingeführt, die uns bei der Identifikation längerfristiger ESG-Trends in einem Land hilft“, erläutert Olaf John die Gründe für die Weiterentwicklung des Modells.

In der Vergangenheit spielten ESG-Faktoren bei Staatsanleihen der Industrieländer nur eine untergeordnete Rolle. Wichtiger für die Einschätzung der Bonität der Emittenten waren wirtschaftliche und politische Faktoren. Unterdessen hat sich in den vergangenen Jahren Governance als ein Faktor herausgestellt, der unmittelbar für die Kreditwürdigkeit relevant ist. „Die Entwicklung dieses Modells hatte daher für uns Priorität“, unterstreicht Gareth Colesmith, Co-Autor der Studie und Senior Portfolio Manager Fixed Income Group bei Insight Investment. „Sie bietet unseren Portfoliomanagern und Analysten die Möglichkeit, potenziell wesentliche Risiken zu identifizieren.“