private banking magazin: Der Chom Capital Pure Sustainability Fonds feiert ein Jubiläum. Wie fällt Ihr Fazit aus? Können Sie uns die vergangenen fünf Jahre etwas einsortieren?
Paul Althans: Wir freuen uns sehr über den fünften Geburtstag unseres in vielerlei Hinsicht einzigartigen Fonds. Unser Konzept ist aus den Kinderschuhen rausgewachsen. Diese vergangenen fünf Jahre waren für das Segment Small Caps durchaus schwierig, die historische Prämie des Bereichs hat sich nicht kristallisiert und wir waren in kurzer Zeit mit drei Bärenmärkten konfrontiert. Wir sind sehr zufrieden, wie wir durch diese teils unruhigen Gewässer manövriert sind. Mit nunmehr fünf Jahren kommt der Fonds in die nächste Entwicklungsphase und wir stellen fest, dass wir eine seltene Fülle an attraktiven Investmentopportunitäten vorfinden. Wir sind daher konstruktiver denn je zuvor, dass wir in der richtigen Nische mit dem passenden Ansatz unterwegs sind und sehen eine sehr gute antizyklische Chance zur Positionierung in Small Caps.
Was ist besonders gut gelaufen?
Althans: Es ist uns gelungen, den Anspruch unseres Sustainamentals-Investmentprozesses in messbare Resultate umzusetzen. Wir sehen, dass nachhaltige Unternehmen gestärkt durch diverse strukturelle Trends ein weniger volatiles Wachstum haben, das über den Gesamtzyklus oberhalb des Trends der Gesamtwirtschaft liegt. Passend dazu konnten wir im Fonds zeigen, dass wir eine deutlich bessere Wertentwicklung – nach Abzug aller Kosten – gegenüber dem Gesamtmarkt mit der Benchmark Stoxx Europe TMI Small erwirtschaften konnten bei zugleich wesentlich geringerer Volatilität.
Was hätte besser klappen können?
Althans: Wenn man mit dem Wissen von heute drauf schaut, waren wir etwas unglücklich mit dem Timing unseres Starts im September 2018. Das hat eine gewisse Zeit gebraucht, sich aus dieser Delle wieder herauszuarbeiten, bevor Covid-19 nochmal die Märkte durchgerüttelt hat. Wir sind dankbar für unsere Investoren, die uns das Vertrauen und die Zeit dafür gegeben haben.
Was ist „Pure “an dem Fonds?
Althans: Es gibt zwei besondere Merkmale. Zum einen stehen wir für ein unverwässertes Investment in das Segment Small Caps. Wir möchten „pur“ bleiben und begrenzen im Zweifel das Asset-Volumen, um die Strategie nicht anpassen zu müssen, wie manche Fonds, die Small Cap im Namen tragen, aber Assets jenseits der Milliarde verwalten und größtenteils in Large und Mid Caps investieren. Zum anderen sehen wir, dass diejenigen Unternehmen, die in den Wertschöpfungsketten des nachhaltigen Wandels vertreten sind und mehrheitlich dort ihre Umsätze generieren, ganz überwiegend Small Caps sind und nicht die großen Index-Titel. Wir suchen diese puren Geschäftsmodelle, wo nachhaltiges, greifbares Wachstum die Geschäftsentwicklung dominiert und nicht eine kleine Abteilung in der Konzernzentrale ist.
Sie verfolgen einen ESG-getriebenen Stockpicking-Ansatz im europäischen Small-Cap-Kosmos. Wir schauen gemeinsam in die Sterne. Wonach suchen wir zuerst? Funkelnde Rendite-Erwartungen oder strahlende ESG-Companies?
Althans: Für uns ist das kein Zielkonflikt. Gemäß der Sustainamentals-Denke verbinden wir diese Themen in unserer holistischen Geschäftsmodell-Analyse. Wir suchen Unternehmen deren Geschäftsmodell aufgrund der nachhaltigen Ausrichtung eine bessere fundamentale Entwicklung aufzeigt. Diese positive Schnittmenge qualifiziert einen Wert. Wir haben daher auch keine separate Nachhaltigkeitsabteilung, die Nachhaltigkeit ist kein Prozess, der der fundamentalen Analyse nachgelagert ist. Abgesehen davon spiegeln sich nachhaltige Geschäftsmodelle und klare nachhaltig ausgerichtete Unternehmensstrategien in der Performance wider. Nachhaltigkeit ist ein messbarer Performance-Baustein.
Wie gehen SIe weiter vor, wenn Sie fündig geworden sind?
Althans: Für ein holistisches Verständnis über Nachhaltigkeit und die kompetitive Position ist die Einordnung des Unternehmens in seiner Wertschöpfungskette besonders wichtig. Wenn diese es dem Unternehmen erlaubt, Wachstumspotentiale in Kapitalrendite zu überführen, geht es um den Dialog mit dem Management über die Strategie und Kapitalallokation des Unternehmens. Die Bewertung kommt erst zum Schluss ins Spiel. Wir sind nicht getrieben von einzelnen Kennzahlen oder einem strukturellen Style Bias, aber möchten für das nachhaltige Wachstumspotential nicht überbezahlen.
Nun stellen Industrials und IT über 40 Prozent des Portfolios dar. Brechen Sie uns doch mal Entscheidungen und Erwartungen für Unternehmen dieser Sektoren runter.
Althans: Ein ausgeprägtes Phänomen in unserem Universum ist die teils nicht akkurate Sektor-Zuordnung der Unternehmen. Viele Unternehmen – insbesondere Small Caps – sind schlichtweg falsch eingruppiert und somit ist die Sektoraussage irreführend. Weiterhin ist gemäß unserer eigenen quantitativen Analysen die durchschnittliche Korrelation von Small Caps zu den jeweiligen eigenen Sektoren im Vergleich zu Large Caps und ihren jeweiligen Sektoren deutlich niedriger und auch diesbezüglich wenig aussagekräftig. Für uns bedeutet das, wir steuern das Portfolio nicht nach Sektoren.
In Industrials finden Sie aktuell Unternehmen, die in komplett unterschiedlichen Endmärkten unterwegs sind, wie beispielweise die Herstellung von Trackern für die Neigung von Solarpaneelen mit der Sonneneinstrahlung, Anlagenbau für die Elektrifizierung emissionsintensiver Industrieprozesse, Fassadenbau für energetische Sanierungen oder die Spezialproduktion von Graphitkomponenten für die Herstellung von Halbleitern, die in Elektroautos verbaut werden. Die Geschäftsmodelle sind alle in den unterschiedlichsten Industrien aktiv, gemein haben sie vor allem dass ihr Wachstum im Zuge des nachhaltigen Wandels strukturell hoch ist. Das gilt genauso für die Beteiligungen im IT-Bereich sowie das Portfolio als Ganzes.
Was führt zum Verkauf einer Beteiligung? Kursziel, Veränderung im ESG-Rating?
Althans: Beteiligungen, die zu attraktiven Renditen das Kapital im eigenen Geschäftsmodell reinvestieren können, müssen grundsätzlich gar nicht verkauft werden. Wenn sich fundamental etwas daran ändert, oder wir im Universum Ideen finden, die noch attraktiver sind, zögern wir aber nicht diese auszutauschen. Das Rating spielt hier zunächst überhaupt keine Rolle, da dieses als rückwärtsgerichtete Zertifizierung oftmals wenig inkrementelle Informationen bringen, die der Markt nicht schon kennt.
Stichwort Rating: Sie haben ihren ganz eigenen Analyseansatz. Was kann der, was andere Institute nicht liefern können?
Althans: Wir fassen die Dinge selbst an, das bedeutet wir gehen ins Gespräch mit den Managements, besuchen unsere Beteiligungen und dokumentieren die Eckpfeiler des Geschäftsmodells im Kontext der Lieferkette und Anwendungsbereiche der Produkte und Dienstleistungen. In unserer proprietären Datenbank wird das festgehalten und fortlaufend aktualisiert. Wir freuen uns sehr, dass das unabhängige Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG) diesen Prozess mit der Höchstnote von drei von drei Sternen in den Kategorien „Institutioneller Glaubwürdigkeit“ und „Produktstandards“ bewertet hat. Vor allem im Bereich der Nebenwerte stellt dies quasi ein Alleinstellungsmerkmal dar. Denn gerade hier gibt es den bekannten „Neglected Firm Effekt“ auch auf der Nachhaltigkeitsseite – gut 50 Prozent der Unternehmen des Small-Cap-Segments haben keinerlei ESG-Rating und sind so vielen Marktteilnehmern verborgen. Dies sagt natürlich nichts über deren Nachhaltigkeit aus. Gerade deshalb braucht es einen Ansatz, der auch ohne Ratings funktionieren kann, was dieses Segment so anspruchsvoll macht. Deshalb sind ESG-Ratings aus unserer Sicht im besten Fall einer von vielen Datenpunkten, die in die Entscheidungsfindung einfließen. Die angesprochenen intensiven Managementgespräche mit den Vorständen der Unternehmen können sie aber nie ersetzen.
Nun ist die ESG-Debatte im Spannungsfeld zwischen Green-Washing-Vorwürfen und Marketing-Zauber - Wie positionieren Sie sich in diesem Konzert?
Althans: Wir möchten weg von der Prospektweltnachhaltigkeit und hin zu einem Realwelt-Verständnis getrieben durch die Geschäftsmodelle. Häkchen-Setzerei und Ratings sind ein Schönheitswettbewerb und unserer Auffassung nach eine Ablenkung vom Essentiellen. Als Zeichen dafür möchten wir statt nur zu reden auch selbst anpacken und spenden 10 Prozent unseres Umsatzes mit dem Produkt in ökologische und soziale Projekte, die wir wenn möglich selbst tatkräftig unterstützen.
Welche Rolle spielt der Regulator dabei? Wenn verhältnismäßig schmutzige Industrien „ESG“ sind, trifft die Anbieter weniger schuld?
Althans: Der Regulator hätte gut daran getan zunächst ein Berichtswesen für Unternehmensdaten herzustellen, bevor man Transparenz-Pflichten für Produktanbieter und Taxonomie-Standards eingeführt hat. Aktuell fehlt die Vergleichbarkeit und wir diskutieren über Artikel statt Geschäftsmodelle. Wir möchten weg von einer Schwarz-weiß-Denke und finden es schwierig „schmutzig“ an einzelnen Kennzahlen wie dem CO2-Fußabdruck festzumachen. Dafür gibt es gute Beispiele im Portfolio: Befesa verwertet in seinen Prozessen 2,5 Millionen Tonnen toxischer Metallabfälle aus der Stahl- und Aluminium-Produktion, hat aber gleichzeitig einen CO2-Fußabdruck im Verhältnis zum Umsatz, der deutlich höher als der unserer Benchmark ist. Was ist nun wichtiger? Wenn man das Endprodukt Zink nimmt, das Befesa in dem Prozess zurückgewinnt, ist dieser Recyclingprozess um mehr als die Hälfte weniger CO2-intensiv als die Veredelung von Zink aus dem Bergbau in einer Zinkhütte – eine große Leistung bei gleichzeitiger toxischer Müllvermeidung. Diese Komplexität lösen wir nur durch echte Analyse und Geschäftsmodellkenntnis und nicht mit einem regulatorischen Buchstabensalat. Sonst bekommen die Unternehmen, die in der Welt wirklich etwas bewegen, nicht das nötige Kapital.
Chom muss sich als Fondsboutique gegen die großen Komplettanbieter und die ETF-Industrie positionieren. Wie schaffen Sie da einen echten USP?
Althans: Wir sind getrieben von Performance statt Volumen. Wir stehen für authentische Unternehmensanalyse, immer im direkten Austausch mit den Managements und wenn möglich vor Ort. Wir sind nicht durch liquiditätsgetriebene Indexierung nach dem nächsten heißen Trend dazu verdammt, die fundamentale Würdigkeit und Qualität der Beteiligungen im Investmentprozess zu ignorieren. Unser Team lebt Kontinuität, wir haben seit Gründung niemanden aus dem Analyse-Team verloren. Wir stehen für die nötige Konsistenz und einen belastbaren Track-Record, um als Investor mit einem langfristigen Horizont aufzutreten, der nachhaltige Outperformance möglich macht.
Research, Regulatorik und Reporting-Tools lassen die Margen unter Druck geraten. Ist aktives Fondsmanagement für eine Boutique noch eine attraktive Unternehmung?
Althans: Es ist unbestritten schwerer geworden für Neuauflagen und unternehmerische Teams wie unser eigentümergeführtes Haus. Wir sind angetrieben von dem Mehrwert, den wir für Kunden und Beteiligungen als langfristiger Kapitalpartner bringen. Die Herausforderung zwingt uns intern dazu effizient zu sein, daher automatisieren wir schon lange viele der Prozesse, die nicht Analyse und Investment sind, und bleiben so schlagkräftig als Boutique. Wir glauben, dass wir mit diesem Rezept gemeinsam mit unseren Kunden sehr erfolgreich sein können.
Wo sehen Sie Sich, Chom und den Pure in fünf Jahren?
Althans: Ich bin zuversichtlich mit meinen Chom-Kollegen den Pure als Referenz für das positive Zusammenspiel von Nachhaltigkeit und Rendite zu etablieren. Die Strategie ist für uns kein Hype oder kurzfristiger Trend. Wir haben ein stetig wachsendes Investmentuniversum durch den strukturellen Wandel, den unsere Wirtschaft in der Erneuerung des Kapitalstocks zu nachhaltigen Lösungen erlebt. Das Pure-Konzept sollte also in fünf Jahren aktueller denn je sein und sich noch viel deutlicher in der Performance widerspiegeln, als es dies über die volatilen letzten fünf Jahre für das Small-Cap-Segment hat.