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Nachhaltige Investments 3 Überlegungen zu ESG-Anlagen

Wim Van Hyfte, globaler Leiter für ESG Investments & Research bei Candriam

Wim Van Hyfte, globaler Leiter für ESG Investments & Research bei Candriam: „Die Maßnahmen, die wir ergreifen, und das Kapital, das wir bereitstellen, dürfen keine neuen negativen Auswirkungen schaffen.“ Foto: Candriam

Dafür oder dagegen? Parteiisch oder nicht? Eine Modeerscheinung oder nicht? Karikaturen sind in Mode, und ESG ist da leider keine Ausnahme. Hinzu kommt, dass Daten- und Bewertungsprobleme, Eigeninteressen, Politik und Marketing die Realität weiter verschleiern. Wir sind der Meinung, dass ein Großteil der aktuellen Debatte über ESG, Nachhaltigkeit und verantwortungsbewusstes Investieren auf ein grundlegendes Missverständnis zurückzuführen ist, wie wir die Finanzbranche zur Bewältigung der ökologischen und gesellschaftlichen Herausforderungen auffordern: Die Erwartungen sind oft idealistisch und kurzfristig ausgerichtet, während es bei der nachhaltigen Finanzwirtschaft einfach darum geht, Risiken zu mindern und langfristige Chancen zu nutzen.

ESG ist eine Information, kein Anlagestil

ESG ist kein Investmentansatz. Bei ESG geht es um Informationen. Es geht darum, Daten in die Wertpapieranalyse, das Risikomanagement und den Portfolioaufbau einzubeziehen. Es geht um Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen, die nicht eingepreist sind, das heißt externe (oder echte Kosten) und sogar interne Faktoren wie Tabak, die bei der Bewertung von Eigenkapital und Krediten nicht berücksichtigt werden. Einige dieser Aspekte sind ethischer, moralischer oder kultureller Natur, während andere eine langfristige wirtschaftliche Entwicklung einbeziehen sowie das, was für diese wirtschaftliche Entwicklung erforderlich sein kann, um nachhaltig und integrativ zu sein.

ESG-Investitionen sind also ein übergreifendes Konzept, das für verschiedene Menschen unterschiedliche Bedeutung hat. Es kann von einer Investmentstrategie reichen, die Unternehmen aus religiösen oder kulturellen Gründen ausschließt (zum Beispiel Alkohol, Tabak), bis hin zu dem ausdrücklichen Bestreben, die Energiewende eines Chemieunternehmens zu finanzieren oder bestimmte Wohltätigkeitsprojekte, wie inklusive Bildung und betreutes Wohnen zu unterstützen.

ESG ist keine politische Überzeugung

Bei ESG geht es um die Analyse zusätzlicher nicht-finanzieller Faktoren, die den Wert einer Anlage beeinflussen können. Nachhaltiges und verantwortungsbewusstes Investieren berücksichtigt viele dieser Aspekte, indem es diese kritischen externen Effekte einpreist beziehungsweise „internalisiert“. Die ESG-Informationen fließen in die Aktien- und Kreditbewertung, die Risikomodellierung und den Portfolioaufbau ein, um 1) Nachhaltigkeitsrisiken zu identifizieren und zu reduzieren, 2) um Chancen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit zu verstehen und zu erfassen und 3) negative Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesellschaft zu bewerten und zu mindern.

 

Wer entscheidet demnach über die Glaubwürdigkeit von Aussagen zur Nachhaltigkeit? Wer entscheidet, ob diese Behauptungen fair, irreführend oder übertrieben sind? Anhand wessen Standards oder Vergleichsrahmen bewerten wir diese Aussagen? Berücksichtigen wir die Komplexität dessen, was auf dem Spiel steht, und die vielen wissenschaftlich fundierten Initiativen und Wege? Oder handelt es sich um Interpretationen, die auf lückenhaften Daten und Selbsteinschätzungen der Datenerfasser beruhen?

Im Augenblick bleibt die Antwort auf „wer legt die Regeln fest?“ unbefriedigend. Der Regulator hat noch keine vollständigen Umweltziele oder -kriterien definiert und muss klären, wie wir die Energiewende und ihre sozialen Auswirkungen finanzieren sollen. Andere werden von Vereinigungen wie Nichtregierungsorganisationen (NRO) oder Lobbygruppen festgelegt, die sich für bestimmte ökologische, soziale oder wirtschaftliche Anliegen einsetzen, ohne den breiteren Kontext zu berücksichtigen.

Sehr oft sind dies Werteentscheidungen. In dieser Hinsicht haben wir alle gleichzeitig Recht und Unrecht. Letztendlich ist die Finanzindustrie ein Verwalter von Kapital. Wir befinden uns heute in einer Übergangsphase. Und ja, Greenwashing untergräbt das Vertrauen in die nachhaltige Finanzwirtschaft, aber Silodenken oder das Setzen der Messlatte für Investitionen auf ein unrealistisch hohes Niveau bringt die Sache der Nachhaltigkeit nicht voran. Die Herausforderung besteht also darin, hinreichend strenge Definitionen für die Begriffe „Nachhaltigkeit“ und „Auswirkungen“ festzulegen und die Messlatte nicht so hochzulegen, dass wir dem eigentlichen Ziel, dem Übergang zu einer integrativeren nachhaltigen Wirtschaft, das erforderliche Kapital vorenthalten. Die Forderung nach Perfektion von Unternehmen und Anlegern gibt keinen Anreiz für Verbesserungen.

„Wir werden in unserem Streben nach Perfektion unerbittlich sein. Wir werden nie perfekt sein – aber wir werden dabei Großartiges erreichen.“

Vince Thomas Lombardi, amerikanischer Fußball-Coach

Schwer zu erfassen? ... und doch in der Realität verwurzelt

Reale nachhaltige Auswirkungen sind sehr schwer zu erfassen und noch schwerer zu beweisen, weil es an verlässlichen Daten fehlt. Die Bewertung wird zwar immer besser, bleibt aber ein Streitpunkt. Erschwerend kommt hinzu, dass einige der Ziele noch Jahrzehnte in der Zukunft liegen. Daher ist es engstirnig, das Argument „Impact“ zu benutzen, um zu behaupten, die Investmentbranche betreibe absichtlich Greenwashing.

Nachhaltigkeit berücksichtigt die Komplexität vieler Ökosysteme und ihrer Stakeholder, die Dynamik und die Vernetzung zwischen ihnen. ESG, nachhaltiges und/oder verantwortliches Investieren (oder alle anderen damit verbundenen Akronyme) sind in den Grundsätzen solider Betriebsführung und Geschäftstätigkeit verankert. Jedes dieser Elemente basiert auf Fakten, Daten und Wissenschaft.