Tipps für Family Offices Was bei der Nachfolgeplanung in Familienunternehmen zu beachten ist

Alexander Koeberle-Schmid:

Alexander Koeberle-Schmid ist Konfliktversteher für Familienunternehmen und Unternehmerfamilien. Er gibt Tipps für eine gelungene Nachfolgeplanung. Foto: privat

Eine Drehtür zur Eingangshalle eines Familienunternehmens. Der Übergeber steht drinnen. Die Nachfolgerin draußen. Treten beide gleichzeitig in die Drehtür, dreht sie sich rein, er sich raus. Drückt er fester, ist er schneller draußen, sie schneller drin. Bremst sie oder er, geht es langsamer. So ist es auch mit dem Übergeben und Übernehmen. Lässt er mehr los, kann sie mehr anpacken. Ist sie (zu) zaghaft, greift er (mehr) ein.

Aus Beobachtungen bei der Unternehmensnachfolge zeigt sich: Übergeber lassen einfacher los, wenn sie feststellen, dass der Nachfolger übernehmen kann – und will. Fehlt dem Nachfolger die Durchsetzungskraft, bleibt der Senior am Steuer. Dem Junior muss es daher gelingen, die Mitarbeitenden hinter sich zu bringen. Dann ist der Senior auch eher bereit, bei der nächsten Betriebsversammlung oder Weihnachtsfeier einen Schritt zurückzutreten.

Nachfolgeplanung: Antworten auf wichtige Fragen finden

Doch das ist nur die eine Seite der Nachfolge. Viele Senioren lassen nicht los, weil sie weiterhin Spaß haben, unternehmerisch tätig zu sein. Auch der eigene Steuerungswunsch führt häufig dazu, die Nachfolger (engmaschig) kontrollieren zu wollen – gerade wenn sich die wirtschaftliche Lage eintrübt.

Ganz entscheidend für eine erfolgreiche Übergabe ist es daher, dass Übergeber eine Perspektive für den (vermeintlichen) Ruhestand entwickeln: Was verleiht dem Leben Sinn und Bedeutung? Golfplatz, Garten und Aktienspekulationen sind es in der Regel nicht.

Das Loslassen gelingt besser, wenn Antworten auf die folgenden Fragen gefunden sind:

  • Träume: Gibt es Träume, die Sie noch nicht umgesetzt haben? Wenn ja, welche?
  • Ziele: Wie können Sie Ihr Leben vereinfachen (weniger machen) und vertiefen (intensiver machen)?
  • Sorgen: Welche Befürchtungen haben Sie, wenn Sie weniger/nicht mehr arbeiten? Wie gehen Sie damit um?
  • Tätigkeiten: Wie können Sie „Schönes“ tun, ohne unter Leistungsdruck zu stehen?
  • Einbindung: Welchen Einfluss möchten Sie nach der Übergabe noch ausüben?
    Welche Informationen möchten Sie noch erhalten? Wann wollen Sie entscheiden können? Welche Rolle(n) wollen Sie bis wann übernehmen?
  • Zweifel: Wieso zweifeln Sie, nicht übergeben zu wollen/können?
  • Sorgende Gesellschaft: Wie wollen Sie anderen Menschen helfen (auch finanziell)? Welche Ehrenämter würden Sie noch reizen? 

Vorausschauende Planung durch das Family Office

Family Offices können durch ihre vertrauensvolle Beziehung zur Unternehmerfamilie beim Übergeben und Übernehmen frühzeitig Impulse setzen. Sei es durch den Anstoß beim Unternehmer, über das Loslassen und neue Perspektiven nachzudenken. Sei es durch die Moderation von Nachfolge-Jour-fixe-Meetings. Sei es durch die Empfehlung und Unterstützung bei der Auswahl eines Nachfolgeberaters und -coaches, wenn emotionale Klippen in der Nachfolge zu nehmen sind. Sei es durch den Vorstoß, eine Nachfolgestrategie zu erarbeiten und dann die zur Umsetzung notwendigen Steuerberater, Rechtsanwälte und Unternehmensberater zu koordinieren.

 

Das Loslassen zur Aufgabe des Generationen-Tandems machen

Damit es zwischen den Generationen nicht zum Konflikt kommt, hilft es, wenn die Nachfolgegeneration mit ihrem Vorgänger nachsichtig ist. Das bedeutet auch, ihn dabei zu unterstützen, loszulassen beziehungsweise in einem neuen Bereich anzupacken. Einige Tipps für jene Nachfolger, die bei der Unternehmensübergabe ihre Vorgänger (neben einem Family Office) unterstützen möchten:

  • Dem Unternehmer eine neue Tätigkeit außerhalb des Unternehmens suchen (zum Beispiel Verbandstätigkeit, Beiratstätigkeit, Business Angel). Hier ist der Maßstab, dass die Tätigkeit Sinn stiftet und produktiv ist.
  • Dem Vorgänger einen Beratervertrag anbieten. Eine Kondition sollte sein: Die Beratungsleistung muss vom Nachfolger aktiv nachgefragt werden und darf nicht unaufgefordert sein.
  • Einen Beirat oder Aufsichtsrat als Beratungs- oder Kontrollgremium installieren und den Übergeber als Mitglied aufnehmen, nicht unbedingt als Vorsitzenden.
  • Gemeinnütziges Engagement starten und dem Übergeber dafür die Verantwortung übertragen.
  • Den anderen Elternteil aktivieren, damit der Übergeber mit ihm Zeit verbringt, auf Reisen geht, es schön hat.
  • Die regelmäßige Informationsversorgung des Übergebers sicherstellen und vereinbaren, wer wann welche Entscheidungen trifft – und bei folgenden Themen unbedingt einbinden: zentrale Personalentscheidungen, Marken-Themen, Betriebsfeiern, große Investitionen, Neubauten.
  • Mit dem Übergeber einen genauen Übergabezeitpunkt und entsprechende
    Übergabesymbole vereinbaren (wie zum Beispiel Übertragung von Chef-Durchwahl,
    Parkplatz Nr. 1, Kopfposition am Besprechungstisch), damit jeder weiß, wann wer der nächste Chef ist.
  • Und wenn das alles nicht hilft: als Nachfolger ein Ultimatum stellen und sagen: „Du kannst es ohne mich viel besser!“ 

Zur Übergabe gehört der Wille des Nachfolgers zum Übernehmen

Der Kern des Generationenwechsels ist: Zum Loslassen gehört die Fähigkeit und der Wille des Nachfolgers zum Übernehmen. Und zum Übernehmen gehört die Fähigkeit und der Wille des Seniors zum Übergeben. Es ist ein Zusammenspiel zwischen den Generationen, bei dem es – und das ist sicher – immer wieder zum Konflikt kommt. 

Kassiert ein Senior die Entscheidung des Juniors ein, weil er sie für falsch hält, weist das auf fehlende Abstimmung hin. Wichtige Entscheidungen sollten beide nicht während eines Meetings vor allen Führungskräften, sondern davor und unter vier Augen diskutieren, um Einigkeit zu demonstrieren. Entsteht dennoch die missliche Situation, eine Entscheidung des Juniors wieder rückgängig machen zu müssen, sollte dieser das den Mitarbeitenden selbst mitteilen und erklären, warum beide sich gemeinsam zu der Kehrtwende entschlossen haben.

In jedem Fall hilft in allen Nachfolgethemen das gemeinsame, offene Gespräch. Manchmal sind beide gut beraten, dieses moderieren zu lassen. Ein regelmäßiger Nachfolge-Jour-fixe – abwechselnd im Büro des Seniors und Juniors – ist ein guter Rahmen, um Missverständnisse und Konflikte aus dem Weg zu räumen und neue Strategien und Lösungen zu entwickeln. 


Über den Autor:

Alexander Koeberle-Schmid ist Konfliktversteher für Familienunternehmen und Unternehmerfamilien, Inhaber-Strategieberater und Mediator. Er selbst stammt aus einer Unternehmerfamilie. Seine Erfahrung speist sich aus der Arbeit mit mehr als 140 Familien – als unabhängiger Sparringspartner und als Senior-Berater der Intes Akademie für Familienunternehmen. 

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen