Family Office Mankos in der Nachfolgeberatung

Jörg Plesse, Norddeutsche Landesbank

Jörg Plesse, Norddeutsche Landesbank

Betrachtet man das Dienstleistungsangebot der meisten Multi Family Offices, so muss man feststellen, dass diese in der Regel keine Nachfolgeberatung anbieten. Auch Befragungen von Family-Office-Mandanten haben ergeben, dass sie in den meisten Fällen niemals nachhaltig von ihren Family-Office-Beratern auf dieses Thema angesprochen wurden. Es scheint, dass die meisten Family Offices die Bedeutung der Nachfolgeberatung für vermögende Familien unterschätzen und teilweise sogar ignorieren. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen:

  • Die meisten Family-Office-Berater haben früher im Private Banking oder Wealth Management von Banken gearbeitet. Deshalb beschränkt sich ihre Expertise weitgehend auf den Wertpapierbereich, und sie konzentrieren sich darauf, vorrangig das liquide Vermögen zu optimieren. Das müsste einen unbefangenen Beobachter eigentlich erschrecken, da die meisten Menschen mit einem Vermögen von mehr als 20 Millionen Euro nur 10 bis 20 Prozent liquides Vermögen besitzen. Der „Rest“ von 80 bis 90 Prozent verteilt sich in der Regel auf Unternehmensbeteiligungen und Immobilien. Ein Berater, der so „ganzheitlich“ denkt, braucht sich natürlich auch
    um das Thema Nachfolgeberatung und Generationenübergang keine Gedanken zu machen.
  • In Deutschland ist das Grundvertrauen in Rechtsanwälte und Notare leider nicht nur bei Kunden und Mandanten, sondern auch bei deren Beratern unerschütterlich. In eineinhalb Jahrzehnten Nachfolgeberatung im Private Banking und Family Office musste ich feststellen, dass auch Rechtsanwälte und Notare nur Menschen sind und Fehler machen. Insbesondere die Nachfolgeregelung von großen und komplexen Vermögen überfordert die meisten.
  • Der Irrglaube, die jeweils anderen Berater seien so renommiert, da müssten entsprechende Regelungen einfach existieren und gut sein, ist weit verbreitet. In diesem Zusammenhang denken dann auch die meisten Bankberater im Wealth Management oder Private Banking, man bräuchte den Kunden gar nicht darauf anzusprechen, da das ja mit Sicherheit sein Family Office geregelt habe!
  • Da dieses Thema viel diskreter als andere Themen ist, möchten viele Berater die Kundenbeziehung nicht durch zu persönliche Fragen gefährden.
  • Das Rechtsberatungsverbot in Deutschland schränkt auch den gesetzlich möglichen Handlungsspielraum ein.

Untersucht man die bestehenden Nachfolgeregelungen der Reichen und Superreichen, so stellt man fest, dass die meisten bestenfalls das Etikett „Verbesserungsfähig“ verdienen. Entsprechend sollte jedes Family Office unbedingt auch Nachfolgeberatung anbieten. Jeder Berater, der professionelle Nachfolgeberatung (Estate Planning) anbieten will, tut gut daran, sich vorab in die Rolle des Mandanten zu versetzen und sich mit seinen spezifischen Risiken in diesem Bereich auseinanderzusetzen. Nur so kann er sie in angemessener Weise berücksichtigen.

Größte Risiken für den Mandanten

Oft besteht dringender Handlungsbedarf, aber man sieht ihn nicht. Dafür einige Beispiele:

  • In einer Patchwork-Familie ist es ohne Regelungen allein vom Zufall der Sterbereihenfolge der Eltern abhängig, in welcher Familie der größte Teil des Vermögens landet.
  • Das existierende Testament ist fehlerhaft.
  • Ein sehr großer Teil der derzeit existierenden Eheverträge (sehr häufig bei Unternehmern) ist sittenwidrig und damit von Anfang an nichtig.
  • Im Zeitalter von Mobiltelefonen und E-Mails glauben viele, alles immer selbst regeln zu können, und erteilen nicht einmal die nötigsten Vollmachten.
  • Der Gesellschaftsvertrag widerspricht dem Testament. In diesem Fall gehen gesellschaftsvertragliche Regelungen vor. Steht zum Beispiel im Gesellschaftsvertrag, dass Gesellschaftsanteile nur an Abkömmlinge von Gesellschaftern fallen dürfen, und im Testament ist die Ehefrau Alleinerbin, erhält sie eben nicht die Gesellschaftsanteile.
  • Ausländische Staatsangehörigkeit, ausländischer Wohnsitz, Auslandsvermögen oder Eheschließung im Ausland führen dazu, dass im Erb- und Schenkungsfall teilweise oder komplett ausländisches Recht gilt.
  • Das in Deutschland so beliebte Ehegattentestament entfaltet ohne Öffnungsklausel nach dem Tod des Erstversterbenden eine hohe Bindungswirkung und kann dann nicht mehr an veränderte Bedingungen angepasst werden. Diese Beispiele zeigen: Dringender Beratungs- und Handlungsbedarf ist gegeben.

Zum Autor: Jörg Plesse ist Erb- und Stiftungsmanager im Private Banking der Norddeutschen Landesbank. Er hat aus seiner Tätigkeit bei mehreren Privat- und Regionalbanken langjährige Erfahrung in den Bereichen Family Office, Wealth Management und Unternehmensnachfolgeberatung. Daneben arbeitet er als freiberuflicher Dozent und Fachbuchautor.

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