Im Rahmen des VA gäbe es prinzipiell auch die Möglichkeit, die Investmentquoten in risiko- und ertragreicheren Anlagen über explizit formulierte, vorsichtig gewählte Risikoprämien abzubilden. Würde man also nur beispielsweise 3 Prozent Risikoprämie bei Aktien und 2 Prozent bei Immobilien zulassen – Unternehmensbewertungsmodelle unterstellen gewöhnlich deutlich höhere Werte – so käme hier bereits ein Zinsaufschlag von 0,6 Prozent auf die Zinskurve zustande. Das klingt auf den ersten Blick wenig, ist jedoch in einem extremen Zinsumfeld gegenenfalls entscheidend für die Solvabilität einiger Anbieter, auch angesichts der Tatsache, dass die Duration der Verpflichtungen üblicherweise jenseits von 15 liegt.
Viel wichtiger ist jedoch, dass dadurch langfristige Fehlanreize hin zum Eingehen von zu wenig Aktienengagements und zu wenig Rendite für den deutschen Altersvorsorgesparer reduziert werden könnten. Ursache dieser extrem konservativen Sichtweise in der Solvency II Bilanz ist – neben der Tatsache, dass man sich bei risikoneutraler Bewertung keine Gedanken um eine richtige/vorsichtige Höhe von Risikoprämien machen muss und es also „bequemer“ ist, Risikoprämien gleich zu negieren – ein falscher zeitlicher Horizont.
Was ist damit gemeint? Das Grundproblem steckt bereits in der HGB-Bilanz: Während die Aktiva zu fortgeführten Anschaffungskosten, also meist Werten aus der Vergangenheit, bilanziert werden müssen, stehen die Verbindlichkeiten im Wesentlichen zu den Werten in der Bilanz, die „heute“ dem Kunden als Rückkaufswert seiner Lebensversicherung gezahlt werden müssten. Da die bilanzierten Preise der Aktiva „gestern“ meist geringer sind als heutige Bewertungen, gibt es Bewertungsreserven und die Bilanzierung ist im Grunde konservativ.
Etwas abweichend ist das lediglich für biometrische Verträge und letztlich wird diese vorsichtige Bewertung noch dadurch gesteigert, dass man seit 2011 die so sogenannte Zinszusatzreserve (ZZR) eingeführt hat, welche bezüglich der Verbindlichkeiten sogar noch das Element der Zukunftsvorsorge ins Spiel bringt.
Interessant ist, was die EU-Kommission gerade nicht im Solvenvy II-Review erwähnt
Dieses Auseinanderdriften der Zeitpunkte, aus denen die Preise von Aktiva und Passiva stammen, führt dazu, dass man beispielsweise stets Gewinne realisieren muss, um im Zusammenhang mit der ZZR die Bilanz im Gleichgewicht zu halten. Beim Übergang zur Marktbewertung in Solvency II hat man das Problem jedoch nicht gelöst. Man hat zwar für die Aktiva die Bewertung zu heutigen Preisen eingeführt, geht jedoch für die Passiva konsequent zu Werten über, die explizit zukünftige Entwicklungen einbezieht, nämliche sämtliche Prämien, Leistungen, Kosten, Garantien/Optionen etcetera, die nach einem Best Estimate anfallen werden.