Nach der Marktkorrektur 4 Erkenntnisse: So sollten Immobilienportfolios ausgerichtet werden

Michael Schnaidt und Nicolas Bauknecht von Wuest Partner: „Die Berücksichtigung von Liquiditätsaspekten ist nach unserer Einschätzung noch nicht Bestandteil der bisherigen Allokationsplanung. Dabei muss Illiquidität als Risiko verstanden werden.“

Michael Schnaidt und Nicolas Bauknecht von Wuest Partner: „Die Berücksichtigung von Liquiditätsaspekten ist nach unserer Einschätzung noch nicht Bestandteil der bisherigen Allokationsplanung. Dabei muss Illiquidität als Risiko verstanden werden.“ Foto: Wuest Partner

Ausgangssituation

Infolge der europäischen Staatsschuldenkrise und der damit verbundenen verschiedenen Rettungs- und Unterstützungsmaßnahmen wurde der Zinssatz für die Hauptfinanzierungsgeschäfte (Leitzins) von der Europäischen Zentralbank (EZB) ab 2010 in mehreren Schritten gesenkt und erreichte im Juli 2012 ein historisches Tief. Das Niedrigzinsumfeld zwang die institutionellen Investoren, die Kapitalanlageportfolios neu anzupassen und auszurichten.

So führten die Ergebnisse der Neuberechnungen der Strategischen Asset Allocation (SAA) infolge der Neuparametrisierung der Rendite-/Risikoschätzer insgesamt zu einer geplanten deutlichen Erhöhung der Immobilienquoten. Um die notwendige Ertragsbasis zu stabilisieren und zu sichern, sollte dabei verstärkt in cashflow-orientierte Immobilien investiert werden. Dies führte zu einem nachhaltigen Anstieg der Nachfrage nach Immobilien. Das jährliche Transaktionsvolumen hat sich in Deutschland von 36 Milliarden Euro im Jahr 2012 auf 113,8 Milliarden Euro im Jahr 2021 erhöht (siehe Grafik 1).

Die hohe Nachfrage nach ertragsorientierten Core Investments entwickelte sich zu einem kontinuierlichen Preisanstieg, der sich in den im historischen Vergleich extrem niedrigen Anfangsrenditen widerspiegelt. So haben sich die Netto-Anfangsrenditen von Büroimmobilien in den Top-5-Standorten von 5,0 Prozent in Q1 2012 auf 2,5 Prozent in Q4 2021 halbiert (siehe Grafik 2).

 

Insgesamt gipfelte die Verfügbarkeit von günstigem Fremdkapital in einer immobilienwirtschaftlichen Sonderkonjunktur, die von soliden immobilienmarktrelevanten Fundamentaldaten getragen sowie durch eine historisch hohe Investorennachfrage befeuert wurde.

Aktuelle Portfoliostruktur

Gegen Ende 2021 – vor der geldpolitischen Straffung – war das Immobilienportfolio eines institutionellen Investors typischerweise wie folgt:

Veränderung des Marktumfelds

Die Folgen der Corona-Pandemie und des Kriegs in der Ukraine und der damit verbundene, rapide Anstieg der Importpreise führten zu einem starken Anstieg der Inflationsrate, was die EZB unter Handlungsdruck setzte. Um die steigende Inflationsdynamik zu bremsen, ging die Zentralbank ab Juli 2022 wieder in den Zinserhöhungsmodus über. Seit Juli 2022 wurde der Hauptfinanzierungszins auf ein aktuelles Niveau von 4,5 Prozent angehoben. Insbesondere die Schnelligkeit der Zinserhöhungsschritte traf die Marktteilnehmer dabei unvorbereitet.

Die liquiden Anlagen korrigierten rasch mit Wertanpassungen auf die erwartete und erfolgte Zinserhöhung. Die Wertkorrektur bei den liquiden Anlagen führte zu einer technischen Quotenerhöhung („Denominatoreffekt“) bei illiquiden Immobilieninvestments, was bei den bereits hoch in Immobilien allokierten institutionellen Investoren teilweise zu Grenzverletzungen führte. Infolge der Zinsanpassungsgeschwindigkeit lag die Preisvorstellung für Immobilientransaktionen zwischen Verkäufern und Käufern so weit auseinander, dass der Transaktionsmarkt im Jahr 2023 faktisch zum Erliegen kam.