Mit Urteil vom 30. November 2016 (Az. VIII R 11/14) hat der Bundesfinanzhof (BFH) entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung entschieden, dass Verluste aus Kapitalvermögen, die dem Abgeltungssteuersatz unterliegen, mit Einkünften aus Kapitalvermögen, die dem progressiven Einkommensteuertarif unterliegen, verrechnet werden können. Dafür muss der Steuerpflichtige allerdings einen Antrag auf Günstigerprüfung stellen.
Grundzüge der Besteuerung von Kapitaleinkünften
Einkünfte aus Kapitalvermögen unterliegen grundsätzlich der Abgeltungsteuer in Höhe von 25 Prozent. Hinzu kommen Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer. Ausgenommen davon sind beispielsweise Zinsen aus einem privaten Kredit zwischen nahestehenden Personen unter bestimmten Voraussetzungen. Diese müssen der Einkommensteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer unterliegen.
Stellt der Steuerpflichtige einen Antrag auf Günstigerprüfung, werden sämtliche im Veranlagungszeitraum bezogenen Kapitaleinkünfte des Steuerpflichtigen der tariflichen Einkommensteuer unterworfen, wenn dies zu einer niedrigeren Einkommensteuer einschließlich Zuschlagsteuern führt. Auch die eigentlich der Abgeltungsteuer unterliegenden Kapitaleinkünfte werden dann nach dem progressiven Einkommensteuertarif besteuert.
Verluste aus Kapitalvermögen dürfen nach dem derzeitigen Gesetzeswortlaut nicht mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden. Sie mindern jedoch die positiven Einkünfte aus Kapitalvermögen in den folgenden Veranlagungszeiträumen. Verluste aus Kapitalvermögen aus dem Verkauf von Aktien dürfen jedoch nur mit Gewinnen aus Kapitalvermögen, die aus der Veräußerung von Aktien entstehen, ausgeglichen werden.
Auffassung der Finanzverwaltung
Nach Auffassung der Finanzverwaltung laut Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 18. Januar 2016, zuletzt geändert durch das BMF-Schreiben vom 3. Mai 2017, dürfen Verluste aus Kapitalvermögen, die der Abgeltungsteuer unterliegen, nicht mit positiven Erträgen aus Kapitaleinkünften, die nach § 32d Abs. 2 EStG der tariflichen Einkommensteuer unterliegen, verrechnet werden. Auch im Falle eines Antrags auf Günstigerprüfung lässt die Finanzverwaltung eine Verrechnung nicht zu.
Rechtsprechung des BFH
Mit Urteil vom 30. November 2016 (Az. VIII R 11/14) hat der BFH erstmals im Rahmen des Abgeltungssteuerregimes zugunsten des Steuerpflichtigen entschieden: Negative Kapitaleinkünfte, die unter die Abgeltungsteuer fallen, dürfen mit solchen positiven Kapitaleinkünften verrechnet werden, die der tariflichen Einkommensteuer unterliegen. Dies ist nach BFH-Rechtsprechung jedoch nur möglich, wenn der Steuerpflichtige einen Antrag auf Günstigerprüfung stellt.
In seiner Begründung führt der BFH aus, dass dem Gesetzeswortlaut zur Günstigerprüfung nicht zu entnehmen ist, dass die Einkünfte aus Kapitalvermögen positiv sein müssen. Vielmehr spricht laut BFH das Gesetz nur von „Kapitaleinkünften“, was offenkundig auch Negativbeträge umfasst.
Die Finanzverwaltung hat beschlossen, das BFH-Urteil im Bundessteuerblatt zu veröffentlichen. Das Urteil ist damit über den entschiedenen Einzelfall hinaus anzuwenden. Darüber hinaus bleibt abzuwarten, ob und wann das oben genannte BMF-Schreiben zur Abgeltungsteuer an die Rechtsprechung des BFH angepasst wird.