Moderne Vermögensverwaltung „Sie müssen die Marktbrüche erkennen“

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Wie schnell muss eine Organisation Investmententscheidungen treffen können?

Pfingsten: Zunächst muss man „Noise“ im Markt von tatsächlichen Strukturbrüchen unterscheiden können. Nur Letztere verlangen eine schnelle Reaktion. Dann muss eine Vermögensverwaltung in der Lage sein, in ein bis zwei Tagen nicht nur eine Investmententscheidung zu fällen, sondern diese auch in allen Kundendepots umzusetzen. Ansonsten verliert man bei Markt-Events wie dem Mini-Crash Anfang Februar schnell mal 2 Prozentpunkte Performance. Das tut schon weh, vor allem, wenn es sich wiederholt.

Meyer: Generell trifft sich unser Entscheidungsgremium einmal die Woche. Bei Marktereignissen sind wir entscheidungsfähig, wenn sich drei von fünf Mitgliedern unseres sogenannten Asset Allocation Committees abgestimmt haben. Idealerweise gehen nach einer morgendlichen Entscheidung bereits am Nachmittag in allen Strategien und den Kundendepots die Orders raus. Da wir im Vermögensverwaltungsgeschäft meist nicht mit Derivaten arbeiten dürfen, eignen sich liquide ETFs für die schnelle Umsetzung taktischer Quotenänderungen der Anlageklassen.

Ist es wichtig, früh an neue Angaben zu Unternehmen und Branchen zu kommen?

Pfingsten: Nein. Es kann nicht der Job von Vermögensverwaltern sein, sich umfassend Gedanken über die schnellere Informationsbeschaffung zu machen. Da werden wir immer langsamer sein als Arbitrage-Händler oder Algo-Trader. Unsere Aufgabe ist es indes, Informationen systematischer zu verarbeiten.

Meyer: Ich würde unterscheiden zwischen Informationen für die Einzeltitelselektion und für die taktische Asset Allocation. Bei Einzeltiteln kann das nicht unser Job sein, bei der Asset Allocation ist er es. Dort braucht es sehr viele Informationen zum Sentiment, Positionierungen und den Investmentflüssen am Kapitalmarkt, um die Marktsituation punktgenau einschätzen zu können. Es geht also vielmehr um einen Interpretations- als um einen Informationsvorsprung.

Welge: Dem kann ich nur zustimmen. Der Informationszugang könnte höchstens bei Small und Mid Caps wieder spannender werden, weil durch die Mifid-Regulierung die Zahl der Analysten, die diese Unternehmen abdecken, stärker zurückgeht.

Meyer: Das Research-Geschäft leidet ja schon seit rund zehn Jahren. Der Trend wird durch die angesprochene Regulierung verstärkt, es gibt ihn aber durch die Zunahme des passiv verwalteten Kapitals bereits länger – auch bedingt durch den Vertriebserfolg von Multi-Asset-Lösungen, die häufig passiv in die verschiedenen Anlageklassen investieren. Auslöser war unter anderem die Situation, dass die Branche bei der Titelauswahl sehr effizient war. Es gab so viel Einzeltitel-Research, dass jede Investmentidee sofort von anderen Marktteilnehmern nivelliert wurde. Damit ließ sich dann kein Geld mehr verdienen. Je mehr passive und Multi-Asset-Anlagen und je weniger Einzeltitel-Research es gibt, desto mehr Chancen ergeben sich wieder für die Titelauswahl. Das ist wie ein Pendel. Momentan schwingt es noch in Richtung Multi-Asset, aber die Geschwindigkeit nimmt bereits ab. Die Titelauswahl wird künftig wieder zunehmend in den Fokus rücken.